Nahost

Greta Thunberg in Mannheim: "Fuck Germany. And fuck Israel"

Hunderte strömen am Freitag auf den Mannheimer Marktplatz, um Greta Thunberg auf einer propalästinensischen Diskussion zu sehen. Das Gespräch ist einseitig. Der Konsens: Schuld an dem Krieg sind Israel und Deutschland

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Sebastian Koch
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Greta Thunberg bei der Pro-Palästine-Demo auf dem Marktplatz in Mannheim. © Michael Ruffler

Mannheim. Greta Thunberg grinst verschmitzt. Die schwedische Aktivistin steht um kurz nach 18 Uhr noch hinter der Bühne, die auf dem Marktplatz vor der Kirche St. Sebastian aufgebaut ist. Die wohl lange Zeit bekannteste Schülerin der Welt ist umringt von Menschen, die die Veranstaltung an diesem Freitagabend geplant haben und denen der Coup geglückt ist, die Schwedin dafür nach Mannheim zu lotsen.

Der Plan geht auf: Das Interesse an der Veranstaltung ist groß. Die Organisatoren schirmen Thunberg vor den vielen Pressevertretern ab. Fotografen dürften Thunberg natürlich fotografieren, sagt einer der Ordner. Sie ansprechen, sie gar um ein Statement bitten, das ist aber kein Teil des Ablaufs.

Greta Thunberg in Mannheim - eine Diskussion kommt nicht auf

Thunberg ist 21 Jahre alt. Erst 21. Das soll gewiss nicht despektierlich klingen. Doch muss man sich das Alter der Schwedin immer wieder ins Gedächtnis rufen. Schließlich steht sie seit so vielen Jahren in der Weltöffentlichkeit, dass manch jemand sie deshalb bereits für deutlich älter halten dürfte. Mit 21 ist Thunberg außerdem bereits eine der weltweit wohl kontrovers diskutiertesten Persönlichkeiten.

Früher als Ikone und Galionsfigur der internationalen Klimaschutzbewegung bekannt, ist sie nun auf bestem Wege, dies auch für die propalästinensische Bewegung zu werden - zu Lasten ihres Rufs in der deutschen Klimaschutzbewegung, die ihr mindestens antisemitische Tendenzen vorwirft und sich mittlerweile weitgehend von ihr distanziert hat. Thunberg weist die Vorwürfe auch in Mannheim zurück. Dazu später mehr.

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Sebastian Koch und Daniel Kraft
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An diesem frischen Freitagabbend ist sie Gast von Zaytouna. Die Gruppe ist in Mannheim und der Region durch Demonstrationen bekannt, die sie mit Free Palestine Mannheim seit Monaten zahlreich organisiert. Mit Moderatorin Hebh Jamal und dem Aktivisten Hasan Özbay soll Thunberg über den Zusammenhang zwischen weltweiter Klimagerechtigkeit und Gerechtigkeit für Palästina diskutieren. Es wird mehr ein Gespräch. Eine wirkliche Diskussion kommt nicht auf. Dafür ist das Podium zu einseitig besetzt und lässt - zumindest auf der Bühne - knapp zwei Stunden lang keinen Raum für kontroverse Debatten.

Humorvoller Beginn mit Kritik an Kapitalismus und Kolonalismus

Jamal gehört Zaytouna an. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 hatte sie auf Sozialen Medien mit den Worten gerechtfertigt: „Dekolonialisierung ist schmutzig. Dekolonialisierung ist hässlich. Dekolonialisierung ist nicht hübsch anzusehen. Sie ist furchterregend, aber sie ist absolut notwendig.“ Auf dem Marktplatz erklärt sie nun in der Sache nachvollziehbar, dass für Klimagerechtigkeit zu kämpfen auch bedeute, für die Freiheit aller Menschen zu kämpfen.

Auch Özbay gilt als umstritten, nachdem er Flugblätter einer Künstlerinitiative gegen Antisemitismus verbrannt haben soll und in Posts den Überfall auf Israel verharmlost hat. Auch er wird an diesem Abend mehrfach Antisemitismus-Vorwürfe zurückweisen.

Und Thunberg? Die ist in Mannheim nicht zum ersten Mal auf einer propalästinensischen Veranstaltung. In Deutschland etwa nahm sie am 7. Oktober 2024, dem Jahrestag des Hamas-Überfalls, in Berlin an einer solchen Demonstration teil.

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So sind die Grenzen der Veranstaltung lange vor ihrem eigentlichen Beginn bereits abgesteckt. Vor der Diskussion hört man die juristisch umstrittene Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“. Sie soll unter anderem „gleiche Rechte und Pflichten für Christen, Juden und Muslime“ und allen Menschen im historischen Palästina und ein friedliches Zusammenleben fordern und nicht die Auslöschung jüdischen Lebens, erläutert einer der Organisatoren dem Publikum.

Dann betritt Thunberg die Bühne. Natürlich sei sie mit einem Privatjet hierher geflogen, scherzt sie zu Beginn ironisch. Sie lacht darüber, genauso wie viele Menschen vor ihr auf dem Marktplatz lachen. Tags zuvor war die Schwedin am Hauptbahnhof gesichtet worden.

Thunberg: "Kapitalistisches und kolonialistisches System Schuld an Klimakrise“

Um sie nun auf dem Marktplatz zu sehen, sind viele Hundert Menschen gekommen. Journalisten und Journalistinnen schätzen die Zahl zwischenzeitlich auf bis zu Tausend, die Polizei spricht später offiziell von in der Spitze bis zu 750 Personen.

Die hören zu Beginn eine freundlich offene Diskussion. Jamal fragt ihre Gäste, wie die zum Klima-Aktivismus gekommen sind, worüber beide Auskunft geben. Wenig später erklärt Thunberg, dass es nicht „wir“ seien, die die Klimakrise zu verantworten hätten. „Es ist ein kapitalistisches und kolonialistisches System.“ Ein System, das Kriege, Apartheid und den Klimawandel auslöst. Wo Menschenrechte verletzt werden, müsse man gegen dieses Unrecht kämpfen, sagt sie und erntet dafür - mit Recht - viel Applaus und Zuspruch. Die Ausbeutung afrikanischer Staaten befördere die Klimakrise genauso wie die Ausbeutung Palästinas. „Wenn man über die Klimakrise spricht, muss man über alle anderen Krisen auch sprechen.“ Die thematische Brücke ist gebaut.

Friedlicher Verlauf auf dem Platz, rauer Ton auf der Bühne

Vor der Bühne stehen unter den vielen Hundert Menschen auch vereinzelt welche, die gegen Thunbergs und Özbays Besuch protestieren. Sie halten etwa Plakate hoch, die Bilder von Geiseln der Hamas zeigen. Das macht auch Volker Beisel. Der Stadtrat der FDP, der sich pro-israelisch engagiert, wurde unter der Woche angefeindet, nachdem eine Nutzerin unter einem seiner Facebook-Posts private Informationen einer prominenten propalästinensischen Aktivistin öffentlich gemacht hatte. Auf Sozialen Medien wird Beisel nun als Nazi, Faschist oder Genozid-Unterstützer bezeichnet. Die Veranstaltung aber, sagt er dieser Redaktion, verlaufe ihm gegenüber friedlich.

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Auch die Polizei und Sicherheitsdezernent Volker Proffen (CDU), der die Diskussion vor Ort verfolgt, ziehen am Abend vorläufig ein positives Fazit, was die Sicherheit betrifft. Über den Abend hinweg sind auf dem Marktplatz zahlreiche Einsatzkräfte der Polizei sichtbar präsent.

Auf der Bühne ist der Ton mittlerweile indes rauer als zu Beginn des Gesprächs. Thunberg weist Antisemitismus-Vorwürfe zurück. Sie sei nicht gegen Juden, keine Antisemitin, beteuert sie. Ihre Kritik richte sie gegen die Regierung. Ähnlich argumentiert Özbay, der gar von einer Kampagne gegen ihn spricht. Neben der deutschen Politik machen sich für das Podium überhaupt auch deutsche Medien, namentlich „Tagesschau“ und „ZDF heute“, durch einseitige Berichterstattung der Unterstützung eines Genozids durch Israel schuldig.

Greta Thunberg ruft "Fuck Germany" ins Mannheimer Publikum

Einseitig verläuft auch der Abend. Das große Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung, das Sterben im Gazastreifen ist nachvollziehbarerweise auf dem Platz allgegenwärtig. Über die Hamas aber wird nicht gesprochen. Das von ihr verübte Massaker vom 7. Oktober 2023, das den aktuellen Krieg ausgelöst hat, wird nicht erwähnt. „Der Oktober wird für Palästina nie mehr derselbe sein“, sagt Jamal stattdessen, ohne Bezug auf den Angriff zu nehmen. Auch bleiben die Attacken der libanesischen Hisbollah auf den Norden Israels an diesem Abend außen vor.

Kritische Nachfragen gibt es kaum. Das war auch nicht zu erwarten. Es gibt auch keinen Widerspruch. Im Gegenteil. Als sie nach der Haltung der Grünen in der Nahost-Politik befragt wird, nimmt Thunberg diese Vorlage gerne auf. Dass die Grünen wie die deutsche Politik zu Israel stünden, mache sie sprachlos. Sie könne darüber nicht ohne Schimpfwörter sprechen. Die benutzt sie dann auch. „Fuck Germany. And fuck Israel“, ruft Thunberg ins Publikum, das die Entgleisung mit tosendem Beifall quittiert.

Indes schmückt ein Transparent schmückt über die gesamte Veranstaltung die Bühne: „Weltoffenes Mannheim“ ist darauf zu lesen.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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