Fleischindustrie - Unternehmen kann derzeit nicht kostendeckend arbeiten / Erneut heftige Kritik von Tierschützern wegen Umgang mit Schweinen

Gesucht: Perspektive für den Mannheimer Schlachthof

Von 
Timo Schmidhuber
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Bis 2017 in städtischer Hand, jetzt von privaten Unternehmern betrieben: der Mannheimer Schlachthof im Fahrlachgebiet. © Thomas Tröster

Mannheim. Die Zeit drängt: Bis Mitte Juli muss ein wirtschaftlich tragendes Konzept für den privat betriebenen Mannheimer Schlachthof vorliegen – sonst muss er endgültig Insolvenz anmelden. Ob die Sanierung klappt, ist „noch völlig offen“, wie der Mannheimer Rechtsanwalt Martin Wiedemann erklärt. „Wir sind aber immer grundsätzlich optimistisch.“

Zusammenschluss von Fleischhändlern

  • Die Regio Schlachthof GmbH ist ein Zusammenschluss privater Fleischgroßhändler aus der Region.
  • Sie haben 2017 den Betrieb auf dem Gelände im Fahrlachgebiet wieder aufgenommen, nachdem die Stadt Mannheim zuvor ihren kommunalen Schlachthof dort geschlossen hatte - weil er nicht mehr rentabel war. Das Gebäude hat die GmbH von der Stadt gemietet.
  • Man wolle den Bauern und Fleischerzeugern der Pfalz, Südhessens und Badens einen regionalen Schlachthof bieten und so die Versorgung der Region mit heimisch erzeugtem Schweinefleisch ermöglichen, heißt es auf der Internetseite des Betriebs.
  • Bauern aus der Region befürchten im Fall einer Schließung weitere Wege. Schlachthöfe sind etwa in Brensbach (75 Kilometer von Mannheim) und Schefflenz (90 Kilometer) im Odenwald, in Darmstadt (60 Kilometer) und Alzey (50 Kilometer) sowie in Zweibrücken (120 Kilometer) und Crailsheim (145 Kilometer).

Die Regio Schlachthof GmbH Mannheim mit Sitz im Fahrlachgebiet hatte Ende April eine sogenannte Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, weil sie nicht mehr kostendeckend arbeiten konnte. Bei dieser Art der Insolvenz hat das betroffene Unternehmen drei Monate Zeit, selbst ein Konzept für einen künftig wirtschaftlichen Betrieb zu erarbeiten. Wiedemann als eingesetzterer Generalbevollmächtigter sowie ein Vertreter des Amtsgerichts überwachen das Verfahren und helfen. Die Gehälter der 27 Schlachthof-Beschäftigten sind derzeit noch über das Insolvenzgeld gesichert.

Schwierige Branche

Der Markt für Schlachthöfe sei schwierig, betont Wiedemann. In Mannheim habe unter anderem auch der durch den Corona-Lockdown gesunkene Fleischverbrauch „in den Tourismusgebieten“ zu einem Rückgang der Schlachtzahlen geführt. Generell sei es bei dem Preiskampf in der Branche schwer, an Aufträge zu kommen. Gleichzeitig, so Wiedemann, habe man hohe Kosten, etwa für Energie oder die Fleischbeschau, deren Gebühren die Stadt festlegt. Die Corona-Pandemie allein will der Bevollmächtigte aber nicht für die Lage verantwortlich machen. „Das hat mehrere Faktoren.“ Das Konzept des Schlachthofes sei regional, „damit Schweine von hier nicht 300 Kilometer woanders hin zum Schlachten gefahren werden müssen“. Dennoch sei es schwierig, mit diesem Konzept auf die nötigen Zahlen zu kommen.

Die in Mannheim geschlachteten Schweine stammen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, wie Michael Hocker erklärt, einer der beiden Geschäftsführer. Die Kunden dagegen seien nicht nur regionale. Rund 60 Prozent kommen demnach aus einer Entfernung von maximal 150 Kilometern. Die übrigen Fleischabnehmer saßen in Österreich und Italien – und die habe man durch die Corona-Welle ab Februar verloren, so Hocker.

Wie viele Tiere in dem Betrieb zuletzt geschlachtet wurden, dazu will Wiedemann derzeit nichts sagen. Die Konkurrenz solle diese Interna nicht erfahren. Auf der Internet-Seite des Unternehmens ist von mehr als 5000 Tieren pro Woche – ausschließlich Schweinen – die Rede. Auch zur Frage, wie ein wirtschaftliches Konzept für die Zukunft aussehen könnte, äußert sich Wiedemann mit Blick auf die laufenden Verhandlungen nicht. Geschäftsführer Hocker sagt, man kämpfe darum, die Kunden aus dem Ausland zurückzugewinnen. Er hofft auch auf eine niedrigere städtische Gebühr für die Fleischbeschau – die müsste zwischen 3,01 Euro und 3,30 Euro pro Schwein liegen, damit man rentabel sein könne. 2018 hatte der Gemeinderat 3,43 Euro festgelegt.

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Unterdessen hat die Tierschutzorganisation Peta den Mannheimer Schlachthof erneut kritisiert. In einer Mitteilung wirft sie ihm „einen grausamen Umgang mit Tieren“ vor. Die Organisation hat Bilder und Videos veröffentlicht, die den Angaben zufolge von diesem April und Mai stammen. Sie zeigen unter anderem verletzte Schweine in einem Transporter vor dem Schlachthof. Zu sehen ist auch eine Person, die ein Tier am Schwanz ins Gebäude schiebt. „Die verletzten und leidenden Schweine zeigen erneut, dass den Transportunternehmen und dem Regio-Schlachthof das Wohl der Tiere völlig egal ist“, erklärt Peta-Vertreterin Lisa Kainz. Wegen einer Anzeige im Zusammenhang mit diesen Bildern ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft. Bereits im August hatte Peta dem Schlachthof ähnliche Verstöße vorgeworfen.

„Wir haben eine sehr engmaschige Kontrolle durch Veterinäre“, sagt Wiedemann zu den aktuellen Vorwürfen. „Die reicht von der Ankunft der Tiere bis zur Schlachtung. Da würde eine grausame Behandlung der Tiere auffallen.“ (mit dpa)

Info: Peta-Bilder unter bit.ly/3itKBbj und bit.ly/3w3SRCD

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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