Interview

„Germany’s Ugliest City Tours“ kommt nach Mannheim

„Nebenan isses auch nicht besser“: Im Interview spricht der Ludwigshafener Künstler und Inititator Helmut van der Buchholz über Schreckenstourismus und das Schöne im Hässlichen

Von 
Valerie Gerards
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Unter anderem zum alten Eisstadion im Friedrichspark soll die Tour von Helmut van der Buchholz in Mannheim führen. © Timo Schmidhuber/Uwe Anspach/dpa

Mannheim. Von der NDR-Satiresendung „Extra3“ zur hässlichsten Stadt des Landes gekürt, wurde Ludwigshafen 2018 deutschlandweit bekannt; und mit ihr die „Germany’s Ugliest City Tours“– ein rund zweistündiger Spaziergang zu den vermeintlich schrecklichsten Orten –, die sich der Ludwigshafener Architekt und Künstler Helmut van der Buchholz (Bild) ausgedacht hat. Unter dem Titel „Nebenan isses auch nicht besser“ will er diese Tour nun auch auf der anderen Rheinseite, in der Nachbarstadt Mannheim, anbieten. Im Interview spricht er über Schreckenstourismus und das Schöne im Hässlichen.

Herr van der Buchholz, einen Titel als hässlichste Stadt Deutschlands wie Ludwigshafen trägt Mannheim nicht. Hätten Sie da eine Idee?

Van der Buchholz: Als damals der Titel der hässlichsten Stadt Deutschlands vergeben wurde, wurde in der Sendung ein großes Bild mit Blick auf Mannheim gezeigt. Ich weiß nicht, ob das ein Versehen war oder nicht ... Ansonsten muss Mannheim sich bemühen, einen eigenen Titel zu bekommen.

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Wir könnten es mit „dreckigste Stadt“ versuchen. Dreckige Gehwege, Hundehaufen liegen lassen und wilde Sperrmüllkippen mitten in der Stadt. Das kann Mannheim wirklich gut.

Van der Buchholz: Es gibt viele Städte, die sich um diesen Titel bewerben könnten. Das liegt vermutlich an der prekären Haushaltslage, und aus Sicht vieler politischer Entscheider gibt es offensichtlich reizvollere Möglichkeiten, als das Geld für die Sauberkeit ihrer Stadt auszugeben.

Sie haben bereits bei Ihren Touren durch Ludwigshafen darauf hingewiesen, dass sich das Prinzip der „Germany´s Ugliest City Tours“ auf nahezu jede Großstadt anwenden lässt. Warum?

Van der Buchholz: Man kann Hässlichkeit an vielen Stellen jenseits der Prachtstraßen entdecken. Da muss man nur drei Ecken weitergehen, und dann hat man sie. Oder an der Schokinag in Mannheim vorbei. Die Großstadt, die keine Schmuddelecken hat, macht etwas anderes falsch.

Diese Schmuddelecken üben aber wohl auch eine große Faszination aus – auf Sie und auch auf die Teilnehmer Ihrer Touren.

Van der Buchholz: Das ist ganz bestimmt so. Wenn man nur darauf achtet, dass man bloß keine Schmuddelecken hat, ist man totlangweilig als Stadt. Weil man solche Touren für jede Großstadt hinbekommt, habe ich im vergangenen Jahr beschlossen, eine solche Tour auf der anderen Rheinseite in Mannheim zu versuchen.

Über die Tour

 

  • Start der Tour ist am 11. Juli um 18 Uhr auf dem Berliner Platz in Ludwigshafen.
  • Die Tour dauert rund zwei Stunden und findet mit dem Fahrrad statt.
  • Die Teilnahme ist kostenfrei und findet bei (fast) jeder Witterung statt.
  • Eine anschließende Einkehr mit Raum für Diskussionen ist möglich.
  • Eine Anmeldung zu den Touren ist nicht erforderlich, aber über helmut@helmutvan.de möglich. vg

Was gibt es in Mannheim denn Schreckliches zu entdecken?

Van der Buchholz: Zum Beispiel das alte Eisstadion hinter der Adenauerbrücke, das dem Verfall preisgegeben ist. Dann taucht man in Quadrate ein und neben dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) ist ein prächtiger Waschbetonbau – da fällt mir Einiges ein.

Schlechter Geschmack kennt eben keine Landesgrenzen.

Van der Buchholz: Die gibt es absolut nicht: Im Zuge meiner Touren haben Besucher mir sogar von „Ugly City Touren“ in Chicago, Wien und Stuttgart berichtet, an denen sie selbst teilgenommen haben. Mal sehen, wie es in Mannheim läuft. Vielleicht ist mancher nach der Tour ganz froh, wieder in Ludwigshafen zu sein ...

Die Tour interessiert bestimmt auch so manchen Mannheimer. Müssten die nach Ludwigshafen kommen, oder können die auch erst auf der baden-württembergischen Seite des Rheins dazustoßen?

Van der Buchholz: Start der Tour ist am 11. Juli um 18 Uhr auf dem Berliner Platz in Ludwigshafen. Wenn die Mannheimer irgendwann nach dem Start, gegen 18.20 Uhr, zufälligerweise am alten Eisstadion sind: Dort kommen wir relativ früh vorbei, und ich führe keine Kontrollen durch. Es passiert immer wieder, dass manche Leute einfach mitlaufen, weil sie entweder von der Tour gehört haben oder es einfach interessant finden.

Helmut van der Buchholz, Stadtführer der «Germany·s Ugliest City Tours». © dpa

Indem Sie die hässlichen Seiten einer Stadt zeigen, tun Sie das Gegenteil dessen, was man landläufig bei Städtetouren zu sehen bekommt. Welche Impulse wollen Sie damit geben?

Van der Buchholz: Schön und hässlich entsteht bei uns im Kopf. Es ist spannend zu überlegen, woher diese Vorstellungen kommen, und zu hinterfragen, ob jeder die gleichen Vorstellungen hat. Vielleicht kann ich den Leuten auch beibringen, etwas genauer hinzuschauen.

Damit sie Missstände verbessern und Einfluss nehmen können?

Van der Buchholz: Ich halte mich damit zurück. Aber natürlich ist es gut, wenn die Leute sich Gedanken machen und aktiv werden, wo in der Stadt dringend etwas getan werden sollte. Im besten Fall entwickeln die Teilnehmer der Touren eigene Ideen und Gedanken über die Stadt und bringen diese aktiv in die öffentliche Diskussion ein. Denn eine andere Stadt ist möglich. Aber dazu muss man sie zumindest auch wollen.

Geht es Ihnen um die Möglichkeit der Veränderung? Oder sehen Sie als Künstler auch das Schöne im Hässlichen?

Van der Buchholz: Es ist sicherlich sinnvoll, seinen Begriff von Schönheit zu überdenken. Ich meine, dass man mit einem anderen Blick auf die Sache ganz neue Ansichten gewinnen kann. Aber ich bin ja kein Sozialpädagoge, sondern Kulturarbeiter. Ich will nicht erziehen, sondern dazu ermuntern, sich eigene Gedanken zu machen. Einfach mal ins Denken kommen!

Freie Autorin

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