Podcast "Mensch Mannheim"

Geht die Adventszeit in Mannheim im Kommerz unter, Frau Sobottke?

Glühwein vs. Glaube: Geht in der Adventszeit die Besinnlichkeit in Mannheim vor lauter Kommerz verloren? Darüber spricht in der aktuellen Folge des Talkpodcast "Mensch Mannheim" die bekannte Pfarrerin Ilka Sobottke

Von 
Florian Karlein
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Timo Schmidhuber (l.), Ilka Sobottke und Florian Karlein. © Florian Karlein

Mannheim. „Die Geringschätzung, mit der oft von Menschen in Armut gesprochen wird, die strapaziert mich sehr.“ Das sagt die evangelische Pfarrerin Ilka Sobottke im Podcast „Mensch Mannheim“. Die aktuelle Folge des Politik- und Gesellschaftstalks des „Mannheimer Morgen“ ist ein kleines Wechselbad der Gefühle. Denn es geht zum einen um wachsende Armut in der Stadt, aber auch um die Advents- und Weihnachtszeit. Im Gespräch der beiden „MM“-Lokalchefs Florian Karlein und Timo Schmidhuber mit Sobottke lösen immer wieder bedrückende und nachdenklich stimmende Sätze heitere und witzige Passagen ab. Die Pfarrerin spart nicht mit Kritik - an der Gesellschaft und der Politik.

Leben in Mannheim immer mehr Menschen in Armut?

Besonders deutlich wird sie beispielsweise auf die Frage, wie man Armut bekämpfen könnte. „Mindestlohn erhöhen“, antwortet Sobottke wie aus der Pistole geschossen. Auch der Bürgergeld-Satz müsse erhöht und gleichzeitig müssten Sanktionen - also Abzüge von den gezahlten Leistungen - für Bezieherinnen und Bezieher abgeschafft werden. Zum einen, weil Sanktionen in Familien gleich mehrere Menschen träfen, zum anderen helfe Druck Menschen in diesen Situationen nicht, erklärt sie.

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Sobottke selbst ist Mitorganisatorin der Vesperkirche, die sich seit dem Jahr 1998 um Bedürftige kümmert. Zum 28. Mal öffnet sie kommendes Jahr vom 12. Januar bis zum 9. Februar in der Citykirche Konkordien ihre Türen. Sie bietet unter anderem warmes Essen, Kuchen, medizinische Versorgung und Vesperbeutel für abends. Sobottke spricht bei „Mensch Mannheim“ von der „Absurdität“ solcher Aktionen: „Dass wir uns freuen, dass die Menschen gerne kommen und sich wohlfühlen. Dass wir auf der anderen Seite denken, wie viel schöner wäre es, wenn das nicht nötig wäre.“

Kamen am Anfang etwa 60 Menschen pro Tag, waren es im Jahr 2024 schon 600 pro Tag. Zwar liege das auch daran, dass immer mehr Menschen von der Vesperkirche erfahren. Aber man müsse davon ausgehen, dass auch immer mehr in Nöten seien: „Nach meinen Erfahrungen aus den letzten Jahren gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es weniger Bedürftige gibt in Mannheim“, sagt Sobottke, die drei Jahre lang in der ARD das „Wort zum Sonntag“ gesprochen hat und 2019 mit dem Bloomaulorden ausgezeichnet worden ist. Die Vesperkirche und auch die Kindervesperkirche auf dem Waldhof sieht sie als Anlässe, um Menschen mit mehr Respekt zu begegnen und ihnen ihre Würde zurückzugeben.

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Ehrenamtliche finden die Organisatoren genug für die vier Wochen. Aber weil die Vesperkirche mittlerweile jedes Jahr etwa 200 000 Euro kostet, sind Geldspenden willkommen, sagt Sobottke. Oder Sachspenden wie selbst gebackene Kuchen, die jeden Tag benötigt werden. Die müssen allerdings ohne Alkohol und ohne Sahne sein.

Über Armut geht es zum Teil auch im Gesprächsteil zur Adventszeit. 200 000 Lichter in der Mannheimer Innenstadt, drei Weihnachtsmärkte und unzählige Adventskalender von Bier über Bartpflegeprodukte bis Sexspielzeug - da kann die Besinnlichkeit im Kommerz schon mal untergehen, findet auch Ilka Sobottke. Die Pfarrerin empfindet die mit Autos vollgestopfte Innenstadt in der Vorweihnachtszeit als „anstrengend“, kritisiert den Kaufrausch teilweise als „absurd“ und mahnt dazu, auch nach den Menschen zu sehen, denen es nicht so gut geht. „Man verliert auch aus dem Blick, dass direkt nebendran die sitzen, die ja gar nichts anderes haben, außer die Tüten, die sie bei sich tragen“, sagt sie zum vorweihnachtlichen Shoppingverhalten mancher Menschen.

Für Mannheimer Pfarrerin gehören Geschenke zu Weihnachten

Trotzdem gehören Geschenke auch für Sobottke zur Weihnachtsgeschichte und zum Fest dazu. Zur Offenen Weihnacht in der Citykirche kommen an Heiligabend jedes Jahr etwa 500 Menschen - die Pfarrerin und ihr Team packen für alle kleine Geschenktüten. Für Menschen, die sonst nichts geschenkt bekommen. „Das Leuchten in deren Augen zu sehen, das ist für mich was Besonderes“, sagt sie.

Am Montag wurden die drei Mannheimer Weihnachtsmärkte eröffnet. Geht dort die Einstimmung auf das Fest im Kommerz unter? Darüber spricht Pfarrerin Ilka Sobottke im Podcast „Mensch Mannheim“. © Michael Ruffler

Voller Begeisterung spricht Sobottke im Podcast über den neuen Popup-Store der Evangelischen Kirche in Q 6/Q 7 und beantwortet die Frage, ob er dort möglicherweise auch auf Dauer bleibt. Außerdem verrät sie, welche Plätzchen sie nach eigenem Bekunden „saugut“ backen kann, auf welchem der drei Mannheimer Weihnachtsmärkte sie am liebsten ist und was man an ihrer Lieblingsbude kaufen kann.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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