Infrastruktur

Gegen digitales Bahn-Stellwerk in Mannheim-Friedrichsfeld regt sich Widerstand

Die DB Immobilien will ein digitales Stellwerk in Mannheim-Friedrichsfeld bauen. Aber etliche Kleingärten müssten weichen. Was das für die Pächter bedeutet und was Naturschützer fordern

Von 
Valerie Gerards
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Mannheim. Für einige Menschen in Mannheim-Friedrichsfeld ist der Schrebergarten ihr ganz persönliches Paradies: meterhohe Obstbäume, Holundersträucher, Gemüsebeete, eine kleine Laube, eine Blumenwiese oder ein Spielrasen für die Kinder. Doch damit ist bald Schluss: Die DB Immobilien der Deutschen Bahn AG, der das Gelände gehört, hat den Pächtern von acht Gärten zum September dieses Jahres gekündigt.

Die DB Immobilien will an dieser Stelle ein digitales Stellwerk (DSTW) bauen, um den Schienenverkehr zwischen Rotterdam und Genua mit dem europaweit standardisierten Zugbeeinflussungssystem ETCS (European Train Control System) auszustatten. Dieses ist ein wesentlicher Bestandteil des zukünftigen einheitlichen europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS (European Rail Traffic Management System).

Benötigte Fläche ist rund 7000 Quadratmeter groß

Was der Bau des Stellwerks bedeutet, verdeutlicht Michael Hitpass, Vorsitzender des Kleingartenvereins Mannheim-Friedrichsfeld, bei einem Spaziergang entlang der Gärten. Rund 200 Meter lang und 50 Meter breit ist das von Brombeerhecken umgebene Areal, das die Bahn benötigt: Rund 7 000 Quadratmeter geballtes Grün, summende Insekten, Vögel und eine deutlich spürbare Kühle, die von dem Ort ausgeht.

Dann die Einzelschicksale der Kleingärtner, die Hitpass alles andere als kalt lassen. „Eine Familie nutzt ihren Garten komplett zur Selbstversorgung. Eine Frau hat ihren Garten erst vergangenes Jahr für 10 000 Euro gekauft. Ein alter Mann bewirtschaftet seinen Garten seit 50 Jahren. Keine Ahnung, was die jetzt machen sollen“, sagt er.

Paul Hennze, Vorstandssprecher des der Mannheimer Gruppe des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), erklärt, was der Bau des Stellwerks für die Natur bedeutet. „Wir haben insgesamt Probleme, weil im Oberfeld schon viel verdichtet wurde und immer mehr abgeknapst wird. Was aus naturschutzsicht sehr wertvoll war, ist zum Teil schon plattgemacht.“

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Rebhühner seien vor zehn oder 15 Jahren zum bisher letzten Mal auf dem Gelände gesehen worden. Auch die Feldhamster seien verschwunden. Das Vorkommen von Falken, Bussarden und Gottesanbeterinnen sei jedoch ein Zeichen dafür, dass die Natur an dieser Stelle eine Chance habe, wenn man sie lässt. „Dort wäre auch eine Wiederansiedlung möglich, wenn man den verbliebenen Rest schützen würde“, erklärt der Naturschutzexperte.

Naturschützer fordert Ausgleich für die Versiegelung

Einen Bau des digitalen Stellwerks im gegenüberliegenden Gewerbegebiet wäre aus seiner Sicht wünschenswert, er habe jedoch die Befürchtung, dass die Gärten „dran glauben müssen“ - was eine Bahnsprecherin auf Anfrage des Mannheimer Morgens auch bestätigt. Wünschenswert wäre laut Hennze , den Kleingärtnern Alternativflächen anzubieten. Vor allem aber fordert er einen Ausgleich für die Versiegelung, die durch den Bau des Stellwerks entstehen wird. „Wenn ich irgendwo eine Fläche versiegele, muss ich anderswo Beton wegmachen. Das ist meine Grundeinstellung.“

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Die DB Immobilien zeigt Verständnis für den Unmut bei den Pächtern. Das ändert allerdings nichts an der Situation; sie habe weder Alternativflächen, die sie den gekündigten Pächtern zur Verfügung stellen kann, noch eine andere Option für das Bauvorhaben. „Seien Sie versichert: Die DB hat alle zur Verfügung stehenden Flächen eingehend geprüft. Nur die Fläche in Mannheim-Friedrichsfeld hat die erforderliche Größe und erfüllt alle Anforderungen, die an Standorte für Kritische Infrastruktur gestellt werden“, sagt eine Bahnsprecherin auf Nachfrage.

Bauvorbereitende Maßnahmen beginnen noch 2024

Alle für die Erneuerung und Digitalisierung der Infrastruktur auf DB-eigenen Flächen erforderlichen Genehmigungen seien bereits eingeholt worden. „Aktuell gehen wir davon aus, dass erste bauvorbereitende Maßnahmen ab Ende 2024 umgesetzt werden können.“ Die Bauplanung sei aber noch nicht im Detail mit den beteiligten Baufirmen abgestimmt. Außerdem sei es von den erforderlichen Umweltmaßnahmen abhängig, wann der Bau starten kann.

Wenn die DB für neue Bahnanlagen in die Natur eingreifen muss, schaffe sie auch neue Lebensräume. Das geschieht im Rahmen von sogenannten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Das Projekt für den Ausgleich der Fläche in Friedrichsfeld befinde sich aktuell in Abstimmung mit den zuständigen Behörden. Hennze appelliert derweil an die DB, die Überplanung so umweltverträglich wie nur möglich zu gestalten: „Lassen Sie die alte Bäume stehen. Bitte!“

Freie Autorin

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