Geschichte - 1929 kommt in dem kleinen Krankenhaus in A 2 das erste Baby auf die Welt / Rückblick auf die Geschichte

Geburten in „St.-Hedwig“: Neun bewegte Jahrzehnte bald zu Ende

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die kleine Helga, Tochter eines Arbeiters der Waldhöfer „Zellstoff“, erblickt am 4. Januar 1929 das Licht des Kreißsaales: Sie ist das erste Kind, das in der St.-Hedwig-Klinik auf die Welt kommt. Mehrere tausend weitere Geburten folgen in dem kleinen Hospital gegenüber vom Schloss. Ab 1. Januar 2021 wird es im Quadrat A 2 allerdings keine ersten Baby-Schreie mehr geben – weil Mannheims christliche Krankenhäuser (wie berichtet) Geburtshilfe und Gynäkologie als Fachzentrum im „Diakonissen“ an der Speyererstraße im Niederfeld bündeln. Rückblick auf neun bewegte Jahrzehnte.

Es sind sieben Niederbronner Schwestern, ein „Frl. Doktor“ , eine Hebamme und eine Säuglingsschwester, die sich 1929 in der großbürgerlichen Doppelvilla der legendären Familie Lanz daran machen, die St.-Hedwig-Klinik für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten aufzubauen. Schon im ersten Jahr, so geht aus einer späteren Jubiläumsschrift hervor, kommen nach der kleinen Helga 333 weitere Kinder auf die Welt. Außerdem gibt es dort 541 Operationen. 1930 überträgt der gemeinnützige Trägerverein mit Prälat Josef Bauer an der Spitze die „klinische Anstalt“ an das Bühler Provinzmutterhaus.

In einer Chronik halten Ordensschwestern die turbulenten, aber glücklicherweise nicht todbringenden Ereignisse während des Krieges fest: Beispielsweise vergeht 1942 kaum eine Nacht, ohne dass Patienten ihre Betten verlassen müssen. Als 1944 eine Sprengbombe einschlägt, werden die Säuglinge im Keller untergebracht.

Modernisierung und bauliche Erweiterung prägen die Nachkriegsjahre: Die Geburtshilfe nimmt im klinischen Spektrum weiterhin einen herausragenden Platz ein. Groß ist die Freude, als 1959 in „St. Hedwig“ erstmals Drillinge auf die Welt kommen – drei gesunde Mädchen. Wie in allen medizinischen Disziplinen hält moderne Technik auch in der Geburtshilfe Einzug: Als der angesehene Chefarzt Dr. Schreck vor 50 Jahren von einer USA-Reise zurückkehrt, wird für das Entbindungszimmer ein Cardiotocograph zur Herztonwehenschreibung angeschafft. Die von einem Geldhaus gestiftete Einheit zum Wiederbeleben von Neugeborenen schafft es sogar in den „MM“. In den späten 1970ern führt die Wochenstation das heute übliche „Rooming in“ ein und kauft dafür sieben fahrbare Kinderbettchen: Fortan dürfen Babys rund um die Uhr bei der Mama bleiben und werden nicht nur zum Stillen aus dem Säuglingszimmer gebracht.

Das Jahr 1986 bringt neben einem Erweiterungsbau auch eine neue Klinikstruktur mit Belegarztsystem: Zehn niedergelassene Frauenärzte nutzen 65 Klinikbetten. Ein knappes Jahrzehnt später sorgt – ähnlich wie jetzt das Zusammenlegen der Geburtshilfe und Gynäkologie im „Diakonissen“ – eine Kooperation für Schlagzeilen: Die beiden katholischen Ordenskliniken „Theresien“ und „St. Hedwig“ vereinbaren eine gemeinsame Betriebsgesellschaft. Und so wird aus dem Belegkrankenhaus in A 2 im Jahr 1995 eine (ausgelagerte) Hauptabteilung des Theresienkrankenhauses für Geburtshilfe und Gynäkologie.

Der Zusammenschluss hat einen gesundheitspolitischen Hintergrund: Zwölf Jahre zuvor hatte das baden-württembergische Sozialministerium angesichts einer Überkapazität von gynäkologischen Betten in Mannheim gefordert, dass die Ordensklinik an der Bassermannstraße diesen Fachbereich samt Kreißsäle schließt. Das „Theresien“ lässt sich 1983 darauf ein, um nicht die zugesagten 40 Millionen Mark für den bevorstehenden Anbau zu gefährden. Die Lücke kann erst mit der „St. Hedwig“-Fusion geschlossen werden. Nun steht 2021 eine weitere Zäsur an, wenn die A 2-Klinik als Teil des Theresienkrankenhauses und das evangelische „Diakonissen“ – alle Drei inzwischen in Trägerschaft der Gruppe der Barmherzigen Brüder Trier (BBT) – Geburtshilfe und Gynäkologie vereinen.

Bleibt nachzutragen: Als Ende der 1960er „St. Hedwig“ aus allen Nähten zu platzen droht, kommt die Idee auf, im Niederfeld (wo das Diakonissenkrankenhaus sein Domizil hatte) neu zu bauen. Wie aus Chroniken hervorgeht, bietet die Stadt damals Gelände an. Die Ordensgemeinschaft in Bühl winkt jedoch ab. Und nun, fünf Jahrzehnte später, wird es doch einen Standortwechsel in den Mannheimer Süden geben.

Mannheim

Rückblick auf neun Jahrzehnte Geburten in "St.-Hedwig"

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