Vereinsmitglieder haben unter Denkmalschutz stehende alte Fahrzeughalle an der Autobahn für historische Einsatzfahrzeuge umgebaut

Feuerwehrmuseum entsteht in der Mannheimer Stem-Kaserne

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 

Mannheim. Einige Passanten winken, Radfahrer bleiben verwundert stehen, teils öffnen sich Fenster von Wohnungen oder Autofahrer reagieren sichtlich irritiert. Schließlich sieht man so eine Kolonne nicht alle Tage. Doch das auf einem Tieflader quer durch die Stadt von Käfertal nach Seckenheim transportierte Pullmann-Tanklöschfahrzeug von 1966 und weitere historische Einsatzfahrzeuge haben jetzt eine neue Heimat in der ehemaligen Stem-Kaserne in Seckenheim gefunden. Dort richtet der Kurpfälzer Verein für Feuerwehrgeschichte ein Feuerwehrmuseum ein.

Mannheim

Kolonne zum Feuerwehrmuseum

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
10
Mehr erfahren

Es ist komplizierte, anstrengende Millimeterarbeit. Mit Hilfe einer Abschleppstange schiebt der Rüstwagen – mit Baujahr 1987 auch ein Oldtimer, aber immer noch im Einsatz – den Pullmann auf den Tieflader. Er ist nur ein Gerippe aus Fahrgestell und Karosserie, der Rest fehlt noch. Aber mit ihm fing alles an.

Idealismus gegen Vandalismus

2016 erwarben die Vereinsmitglieder das alte Tanklöschfahrzeug von 1966, das die Stadt 1980 an die Werkfeuerwehr von PWA abgegeben hatte und das dann bei Privatsammlern landete. Seither haben sie es komplett zerlegt und begonnen, es zu restaurieren – bisher auf der Feuerwache Nord. Doch das soll nun in Seckenheim weitergehen. In der Wagenhalle der Stem-Kaserne hat der Verein eine Werkstatt eingerichtet, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zuvor völlig restauriert.

Seit 2019 „mehrere tausend Mannstunden“, so schätzt Jens Stiegel, steckten die Mitglieder in die Sanierung. Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, Abteilung Nord, ist einer der Motoren der Idee, historische Fahrzeuge vor der Verschrottung zu bewahren und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf etwa ein Dutzend schätzt er den, wie er sagt, „harten Kern“ an Aktiven, die mit viel Einsatz und Enthusiasmus erst viele Monate für die Restaurierung des alten Fahrzeugs aufbrachten, das aber dann für die Arbeiten an der Halle in Seckenheim unterbrachen.

Stem-Kaserne

  • Die Stem-Kaserne wurde 1938/39 nach den Plänen des Stuttgarter Architekten Paul Schmitthenner im „Heimatschutz-Stil“ beim Bau der Autobahn Mannheim-Heidelberg als Straßenmeisterei und Tankstelle aus Tonziegeln der Region errichtet. Sie war eine der ersten dieser Art.
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die US-Army das Areal für die Instandsetzung von Jeeps sowie Stützpunkt für die „Highway-Patrol“, also der US-Autobahnpolizei.
  • Später waren hier die für alle strafrechtlichen Ermittlungen zuständige Militärbehörde in Europa, die Hundestaffel der Militärpolizei, ein Theatergebäude („Roadside Theatre“), ein Kino speziell für weibliche Militärangehörige sowie eine Lagerhalle.
  • 1988 wurde die Autobahn-Kaserne zu Ehren von Brigadegeneral David H. Stem, der 1987 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, „Stem Kaserne“ genannt. 2011 haben die Amerikaner sie geräumt. 2016 kam es zu einem Brand. Von neun Gebäuden wurden vier abgebrochen. Zwei stehen unter Denkmalschutz.

Seit Mai hat der Verein den Mietvertrag von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, „rückwirkend zum Januar“, wie Stiegel sagt. Mit den Arbeiten dort durften sie schon viel länger beginnen. Als die Mitglieder die Anlage 2019 erstmals betreten durften, hätte sie „schlagartig ein Zustand zwischen Schock und Verwunderung“ erfasst – aber sie gaben nicht auf. Das lange verlassene Areal sei „in ziemlich schlechten Zustand“ gewesen, so Stiegel, „unter anderem waren die Zugangstüren aufgebrochen, im Inneren hatten Buntmetalldiebstahl und Vandalismus gnadenlos zugeschlagen“.

Dem Vandalismus setzten die Feuerwehrleute ihren Idealismus entgegen. Sie entsorgten, alles ehrenamtlich, größere Mengen illegaler Müllablagerungen und hoben einen Graben aus, um wieder Elektrokabel verlegen zu können – denn das Gelände war nach einem Brand von allen Versorgungsleitungen abgeklemmt worden. Schließlich installierten sie eine Brand- und Einbruchmeldeanlage, reparierten Dach und Gaube, reparierten Tore und Torscharniere sowie Regenfallrohre, griffen zu Putz, Farbe und Pinsel. „Der Vorteil ist, dass wir unter uns Handwerker aus vielen Bereichen haben und Jens Bauingenieur ist“, hebt Sascha Karitnigg hervor. Auch während der gesamten Corona-Pandemie gingen die Arbeiten weiter, „aber eben mit Abstand, nur zwei, drei Leute und jeder an einer anderen Stelle des großen Geländes“, berichtet Stiegel. Bei den Kosten für das Material habe Bauhaus sehr geholfen, sagt er dankbar. Doch den überwiegenden Teil des Aufwands habe man mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden gedeckt, teils von Firmen alte Werkstattausrüstung bekommen. „Wir wären noch dankbar für Spenden“, so Markus Appel, der Vorsitzende des Vereins. Bisher gibt es keine öffentlichen Zuschüsse, das Projekt wird nur durch die Begeisterung der Aktiven und ihren Arbeitseinsatz getragen.

„Aber es ist doch toll, absolut toll“, beschreibt Markus Richter das Gefühl, der den Tieflader mit dem historischen Tanklöschfahrzeug durch die Stadt gesteuert hat. Es wird nun in Seckenheim weiter restauriert. Zudem haben hier jetzt weitere Oldtimer eine Heimat gefunden: Der alte Mannheimer Feuerwehrkran von 1965, ein Trockenlöschfahrzeug von 1970 und ein weiteres Pullmann-Tanklöschfahrzeug, das zuletzt bei der Feuerwehr Penzberg im Einsatz war. Die Beladungsliste, datiert 1961, ist noch mit „Branddirektion Mannheim“ unterschrieben.

Wann das neue Museum für die Öffentlichkeit zugänglich ist, steht noch nicht fest. „Irgendwann nächstes Jahr“, hofft Stiegel. Man wisse schließlich nicht, welche Überraschungen bei der weiteren Sanierung auftauchen, ergänzt Appel.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen