Mannheim. Andreas P. hat einen Feldzug begonnen. Sein Gegner ist der Rewe-Konzern. Der bezichtigte Ps (beide wollen nicht namentlich genannt werden) des Ladendiebstahls und hat ihr lebenslang Hausverbot in all seinen Märkten erteilt. Die Eheleute aus der Gartenstadt wiederum haben zwei Mitarbeiterinnen wegen Nötigung, Verleumdung, falscher Verdächtigung und Beleidigung angezeigt.
Unstrittig ist: Die schwangere Frau kaufte mit ihrem zweijährigen Sohn in einer Mannheimer Rewe-Filiale ein. Dabei scannte sie Produkte und legte sie in ihren Wagen. Bevor die Kundin an der Kasse den Bezahlvorgang startete, wurde sie überprüft. Dabei fanden sich auch mehrere nicht-gescannte Waren. P spricht von fünf bis sieben, der Supermarkt von neun. In der Diebstahl-Anzeige sind alle aufgelistet, von Schinkenwürfeln über Stracciatella-Weichkäse bis zu Bio-Himbeeren. Gesamtwert: 23,76 Euro.
Laut P hatte sich seine Frau schon gedacht, dass ihr beim Einkauf mit dem Kleinkind etwas durchgerutscht sein könnte. Daher habe sie alles vor dem Bezahlen nochmal überprüfen wollen. Diese Möglichkeit sei in den Geschäftsbedingungen ausdrücklich vorgesehen.
Doch das habe sie wegen der Kontrolle nicht mehr tun können. Sie sei bis zum Eintreffen der Polizei in einen separaten Raum gebracht und unverschämt behandelt worden („Ist doch klar, dass die geklaut hat“). Ihr privates Eigentum – einen Korb mit Bargeld, Auto- und Hausschüsseln – habe sie an der Kasse lassen müssen, dort sei es ohne ihre Zustimmung durchsucht worden.
Dagegen wetterte P auf der Internet-Plattform Linkedin. Andere User unterstützten ihn, die Reichweite stieg beträchtlich. Auch von Schadenersatz war die Rede. Nachdem eine Beschwerde beim Rewe-Kundenservice erfolglos blieb, kam vor einer Woche eine Mail. Die Anwälte des Konzerns forderten von P bis zum nächsten Tag eine Unterlassungserklärung, die wichtigsten Vorwürfe nicht mehr öffentlich zu wiederholen. Zudem soll er für Rufschädigung einen Rechtskostenausgleich von 3.200 Euro zahlen.
Ehemann fordert Entschuldigung von Rewe, Hausverbot aufheben und Geld
P weigert sich zu unterzeichnen. Er droht nun seinerseits den Rewe-Anwälten mit rechtlichen Schritten. Unter anderem listet er in einem Schreiben an sie missbräuchliche Fristsetzung, falsche Darstellungen und Datenschutzverstöße auf. Zudem verlangt er, sich bei seiner Frau öffentlich zu entschuldigen, ihr Hausverbot in allen Rewe-Märkten aufzuheben und ihr mindestens 5.000 Euro Schadensersatz zu zahlen, wegen der erlittenen Persönlichkeitsverletzungen.
Offensichtlich möchte der Konzern jetzt kein weiteres Öl ins Feuer gießen. Auf Anfrage antwortet Sprecherin Annika Kurth lediglich, die Faktenlage aus dem Markt zeige eine andere Perspektive. „Wir sind mit den Betroffenen direkt in Kontakt.“ Daher bitte man um Verständnis, auch in deren Sinne nicht über Social Media oder die Presse kommunizieren zu wollen.
„Rewe steht keineswegs mit uns in Kontakt“, widerspricht P, als er davon hört. Das Einzige, was sie bisher erhalten hätten, sei die Abmahnung. Darin äußern sich die Konzern-Anwälte aber auch ausführlich zu den inhaltlichen Vorwürfen des Mannheimers. Und stellen einiges ganz anders dar.
Auch ihr Mann kam dann noch in den Supermarkt
So sei die Kundin in dem Markt schon länger bekannt. Sie habe zuvor mehrfach Waren aus dem Fleischsortiment mitgenommen, ohne sie zu scannen. Diesmal sei sie einer Mitarbeiterin früh aufgefallen und über die Überwachungskameras beobachtet worden. Nicht-eingescannte Artikel habe sie in Tüten verpackt unten in den Einkaufswagen gelegt, andere gezielt obendrauf. Das sei erkennbar Absicht gewesen, schreiben die Rewe-Anwälte.
Nachdem die Frau Hausverbot erhalten und zusammen mit der Polizei das Geschäft verlassen habe, sei wenig später ihr Mann gekommen. Er habe sich lautstark über die Behandlung seiner Gattin beschwert. Eine Mitarbeiterin sei von ihm als „Stück Scheiße“ beschimpft worden.
„Eine solche Aussage ist mir vollkommen fremd“, erklärt P. Er bestreitet sie ebenso vehement wie, dass seine Frau in jenem Supermarkt schon vorher mit Diebstählen aufgefallen sei. Dafür gebe es auch keinerlei Nachweise. Videoaufnahmen lägen offenbar ebenso wenig vor. Alles spreche vielmehr dafür, dass es sich im konkreten Fall um keine gezielte, sondern nur um eine stichprobenartige Kontrolle handele.
Staatsanwaltschaft hat Verfahren gegen die Frau eingestellt
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen die Frau jedenfalls eingestellt. Unter Verweis auf Paragraf 153 der Strafprozessordnung, das ist bei geringer Schuld oder keinem öffentlichen Interesse an einer Verfolgung möglich. „Ausnahmsweise“, steht im Schreiben der Ermittlungsbehörde, vor weiteren Verstößen wird gewarnt. Die Kundin sollte auch die 100 Euro Vertragsstrafe zahlen, die Rewe bei Diebstählen verlangt. Sie weigerte sich. Mittlerweile ist laut ihrem Mann ein Anwaltsschreiben mit einer entsprechenden Forderung eingegangen.
Die meisten anderen Supermärkte kontrollieren an Selbstbedienkassen erst stichprobenartig, sobald man den Bezahlvorgang einleitet. Somit kann niemand behaupten, er habe zunächst nochmal alles selbst überprüfen wollen. Ein Fall wie dieser wäre dann also ausgeschlossen. Allerdings ist bei Rewe erlaubt, Einkäufe direkt nach dem Scannen in privaten Taschen zu verstauen. Einen Wagen braucht man gar nicht.
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