Sexuelle Gesundheit

Fast Track City: Wie Mannheim sich auf den Weg macht, HIV zu besiegen

HIV, Hepatitis B und C, Syphilis: Die Inzidenzen sexuell übertragbarer Krankheiten liegen in Mannheim höher als in fast allen deutschen Großstädten. Jetzt arbeitet die Stadt an einem neuartigen Konzept, um ihre Bürger zu schützen

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Lea Seethaler
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Max Appenroth (v.l.), Thomas Hornung (CDU), Dennis Ulas (LI.PAR.Tie), Heidrun Kämper (SPD) und Regina Jutz (Grüne) bei der Diskussion. © Stadt Mannheim/Diversity Factory

Mannheim. HIV, Hepatitis B und C, Syphilis: Nach dem die Stadt kürzlich bekanntgab, dass die Inzidenzen sexuell übertragbarer Krankheiten in Mannheim höher liegen als in fast allen deutschen Großstädten (wir berichteten), fand nun die Konferenz „Mannheim als Fast-Track City“ im Technischen Rathaus statt.

Beim Konzept Fast Track City (FTC) wollen sich besonders von HIV betroffene Städte verbünden. „Fast Track“ bedeutet „schnell aufspüren“. Ziel dahinter, das auch dank neuer Medikamente erreichbar scheint: In einer Stadt sollen 95 Prozent HIV-Betroffener unter Therapie sein. Von dieser Anzahl soll wiederum bei 95 Prozent der Menschen kein Virus mehr im Blut nachweisbar sein. Außerdem sollen 95 Prozent der Infektionen erkannt sein.

Nur ein Netzwerk für sexuelle Gesundheit fehlt in Mannheim noch

Ziel der Veranstaltung war das Einbinden zentraler zivilgesellschaftlicher Akteure beim Entwickeln eines lokalen Handlungskonzepts zur Bekämpfung von sexuell übertragbaren Krankheiten. Zudem soll die sexuelle Selbstbestimmung in Mannheim gestärkt werden.

Die Ergebnisse der Workshops und des Gesamtevents wurden mit sogenannten „Graphic Recordings“ bildhaft festgehalten. © Stadt Mannheim/Diversity Factory

Fast 50 Personen folgten der gemeinsamen Einladung des Gesundheitsamts und der LSBTI-Beauftragung der Stadt, wie diese mitteilte. Durch den Tag führte Max Appenroth, Gesundheitswissenschaftler und Transaktivist aus Köln.

Gesundheitsbürgermeister Dirk Grunert hob das bereits vorhandene breite Engagement zahlreicher Initiativen und Vereine in Mannheim hervor: „Was Mannheim aber noch nicht hat, ist ein stadtweites, integratives Netzwerk zu sexuell übertragbaren Krankheiten und gesundheitlicher Chancengleichheit, das die verschiedenen Aktivitäten übergreifend koordiniert und auch Intersektionalität, also die Wirkung einer möglichen Mehrfachbetroffenheit von Menschen, berücksichtigt.“

Eine aidsfreie Welt in einem Jahrzehnt: Was ist eine Fast Track City?

Der globale Verbund aus mittlerweile rund 300 Städten des Fast-Track-Cities-Netzwerk arbeitet daran, noch in diesem Jahrzehnt die Welt von Aids zu befreien. Motto: Eindämmen, bevor es sich weiter ausbreitet.

Bisher sind in Deutschland nur drei Städte FTC: Berlin, Bochum und Frankfurt. Darüber hinaus verpflichten sich FTC auch zum Kampf gegen HIV-assoziierte Gesundheitsprobleme wie Tuberkulose, virale Hepatitis, andere sexuell übertragbare Infektionen, psychische Erkrankungen und Suchterkrankungen sowie deren soziale Ursachen.

FTC sollen darauf hinwirken, dass Stigmatisierung und Diskriminierung von HIV und damit assoziierten Gesundheitsproblemen beendet werden, diese Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. see

Genau dieses könnte durch den Beitritt Mannheims zur Fast-Track-Cities-Initiative geschaffen werden. „Das würde auch auf die strategischen Ziele unseres Leitbilds Mannheim 2030 einzahlen“, so Bürgermeister Grunert.

In vier Workshops zu den Themen „Prävention“, „Testung“, „medizinische Versorgung“ und „Null-Prozent Diskriminierung“ wurden weitere Ideen für ein Konzept der FTC in Mannheim gesammelt.

Prävention ist ein weiteres Modul

Neben den eng an die offiziellen Ziele von FTC angelehnten Modulen „Testen“, „medizinische Versorgung“ und „Null Prozent Diskriminierung“ ist für das Mannheimer FTC-Konzept ein zusätzliches Modul zur Prävention vorgesehen, das sich vor allem mit Sex-Krankheiten-Aufklärung bei Jugendlichen und Risikogruppen beschäftigen soll.

„Schon bei der Anmeldung zu den Workshops wurde deutlich, dass gerade zum Thema HIV-Prävention das Interesse besonders groß ist. Ich freue ich mich über so viel Interesse an Aufklärung und Prävention für Jugendliche“, sagte Peter Schäfer, Leiter des Jugendamts und des Gesundheitsamts. Als Risikogruppen gelten in Mannheim zum Beispiel auch Prostituierte oder von intravenösem Drogenkonsum abhängige oder hiervon bedrohte Menschen.

Testbedarf in Mannheim sehr hoch

Den Abschluss bildete ein Ausblick auf die nächsten vorgesehenen Schritte. Die Verwaltung will nun die Ideen aus der Veranstaltung aufgreifen und im Rahmen der realisierbaren Möglichkeiten das FTC-Konzept finalisieren, wie sie betont. Im Anschluss daran wird die Stadtverwaltung eine Beschlussvorlage zum Beitritt Mannheims zur FTC-Initiative gemeinsam mit dem erarbeiteten Konzept in den Gemeinderat einbringen.

Die Inzidenz - also die Zahl der Fälle pro 100 000 Einwohner - an HIV-Erstdiagnosen lag 2022 in Mannheim bei 10,9 im Vergleich zur bundesweiten Inzidenz von 3,9. Zur Einordnung: Frankfurt hat in diesem Zeitraum eine Inzidenz von 5,4, Karlsruhe von 6,5. Außerdem stieg die HIV-Inzidenz in Mannheim zuletzt stetig an.

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Die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland ist indes in den letzten 15 Jahren zurückgegangen. Darauf weist die Aidshilfe hin. 2022 haben sich rund 1900 Menschen infiziert. „1000 HIV-Neuinfektionen (53 Prozent) betreffen demnach Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Der seit 2007 beobachtete Rückgang geht vor allem auf diese Gruppe zurück“, heißt es. „In den letzten drei Jahren blieb die Zahl der Neuinfektionen bei MSM stabil“, so die Aidshilfe.

HIV-Anstieg bei Heterosexuellen

Rund 520 Menschen (27 Prozent) hätten sich indes bei heterosexuellen Kontakten infiziert, davon 310 Frauen (16 Prozent) und 210 Männer (elf Prozent). Zudem heißt es, dass bei rund 370 Menschen (19 Prozent) HIV durch intravenösen Drogenkonsum übertragen wurde. In beiden letztgenannten Gruppen meldet das Robert Koch-Institut seit einigen Jahren einen leichten Anstieg.

Der Testbedarf in Mannheim sei weiterhin hoch - egal bei welcher Personengruppe, betonte zuletzt Marc Fischer, Leiter von KOSI.MA, dem Zentrum für Sexuelle Gesundheit in Mannheim. Für alle, aber besonders für die queeren Menschen und ihre Bedürfnisse, will KOSI.MA Ansprechpartner sein. Infos zu Tests auf sexuell übertragbare Infektionen gibt es auch im Internet (www.kosima-mannheim.de/testung) oder beim Gesundheitsamt (www.mannheim.de/de/service-bieten/gesundheit/sti-hiv-beratung).

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Die FTC Initiative richtet sich neben HIV auch gegen Krankheiten, die häufig mit HIV-Infektionen assoziiert sind, wie etwa. andere sexuell übertragbare Krankheiten wie Hepatitis B und C, Syphilis und Gonorrhoe (Tripper) und ähnliche Krankheiten. Auch Tuberkulose und psychische Krankheiten, insbesondere Suchterkrankungen, treten häufig zusammen mit HIV auf.

Infos zu Sexueller Gesundheit: www.liebesleben.de

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Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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