Mannheim. Die erste Herausforderung stellt sich Radfahrern an Morgen wie diesen schon an der Garderobe. Eigentlich ist es noch spätsommerliches T-Shirt-Wetter. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt jedoch bei 90 Prozent. Und mit nasser Haut fühlen sich 16 Grad schnell kalt an.
Darauf angesprochen, zuckt Gabriele Fröhlich mit den Schultern. „Multifunktionsjacke“, sagt sie nur. Am Treffpunkt Wasserturm setzt die ehrenamtliche Fahrradbeauftragte der Stadt ihren Helm auf. „Der ist für mich so selbstverständlich wie im Auto der Gurt.“ Dazu habe sie ein schlimmer Zusammenstoß mit einem anderen Radfahrer bewogen.
Mit der vorgeschlagenen Strecke ist sie einverstanden. Am Rosengarten vorbei geht es in die Berliner Straße, eine Fahrradstraße. Gleichwohl haben in der Tullastraße Autos Vorfahrt, was viele Radfahrer ärgert. Fröhlich findet das ebenfalls lästig.
Dass die Stadt mehr und mehr Fahrradstraßen schafft, begrüßt die 68-Jährige sehr. Ebenso, dass über die dort geltenden Regeln etwa mit Informationstafeln eingehender informiert werden soll. Das Grundprinzip sei klar: „Autos sind hier nur zu Gast.“ Die Straße gehöre vielmehr den Radfahrern, die etwa beliebig nebeneineinander fahren dürften.
Radfahren in Mannheim: Gefährliche Stelle am Theresienkrankenhaus
Dann geht es auf die Friedrich-Ebert-Brücke zu. Hier sei die Kante zwischen Fahrradweg und Bürgersteig zu hoch, weiß Fröhlich. Wenn sich Radfahrer auf dem schmalen Streifen gegenseitig ausweichen müssten, könne es leicht zu Stürzen kommen. Die Verwaltung plane daher, dieses Stück neu zu machen.
Vor dem Theresienkrankenhaus zeigt die Ampel für Fußgänger Grün, aber für Radfahrer Rot. Auch ein Ärgernis für viele, zumal die Polizei hier gern kontrolliert. Fröhlich versteht den Unmut. Doch müsse die Ampelschaltung so sein, weil ein weiterer Radweg von links einmünde.
Deutlich weniger Verständnis hat die Fahrradbeauftragte für den folgenden kurvigen Engpass um eine kleine Verkehrsinsel herum. Die Stelle ist besonders bei entgegenkommenden Lastenrädern gefährlich. Fröhlich berichtet, die Stadt suche nach einer Lösung.
Schon im April hat sich der „MM“ mir ihr zur Tour verabredet. Doch erst wollte sie das Amt kennenlernen. Kaum habe sie die Mailadresse fahrradbeauftragte@mannheim.de erhalten, sei die erste Beschwerde eingegangen, erinnert sich Fröhlich. Da ging es um den Luisenring Richtung Jungbusch, wo eine neue Radspur vor der Moschee abrupt endet. Kritik daran kann die 68-Jährige ebenfalls nachvollziehen. Aber nicht zuletzt aus finanziellen Gründen könne das Radwegenetz leider nur nach und nach ausgebaut werden.
Vor dem Klinikum geht es rechts am Theodor-Kutzer-Ufer entlang. Nach der „Maruba“ wird der Radweg, vor zwei Jahren neu gemacht, zur Buckelpiste. Das liege an den Wurzeln der hohen Bäume, die nach oben drückten, sagt Fröhlich. Dagegen lasse sich nichts machen. Wieso hier Fußgänger- und Radweg im Vergleich zu sonstwo spiegelverkehrt angelegt sind, weiß die neue Radbeauftragte auch nicht. Sie vermutet aus Platzgründen.
Auf Höhe des Sportparks geht es am Neckarplatt rechtsherum zur Unterführung. Die enge Kurve im 180-Grad-Winkel haben Radaktivisten wiederholt beklagt. Das zuständige Regierungspräsidium habe indes nachgemessen, alles sei noch vorschriftsgemäß, weiß Fröhlich. Sie passiert die Stelle problemlos.
„Ich fahre immer und überall mit dem Rad hin“, schwärmt sie. Nicht nur in Mannheim, auch nach Heidelberg und zurück. Die Möglichkeit, das Rad etwa in der S-Bahn mitzunehmen, nutzten sie und ihr Mann nur bei weiten Ausflügen etwa tief in die Pfalz oder ins Neckartal. Und dann nur auf einer Strecke. Selbst im Urlaub in Abu Dhabi hätten sie sich Räder geliehen.
Radautobahn auf der Feudenheimer Au findet Fröhlich gelungen
Dann geht es durch die Feudenheimer Au auf der „Radautobahn“. Die findet Fröhlich sehr gelungen. Bei der Bundesgartenschau hat sie in der Seilbahn mitgehört, wie sich auch Besucher beeindruckt zeigten.
Die gebürtige Tauberbischofsheimerin zog nach der ersten Buga 1975 zum Studium nach Mannheim, seither lebt sie hier. Unter anderem war sie Vorsitzende des Frauenhaus-Vereins. Vor ihrem Ruhestand pendelte die Diplom-Soziologin zur Arbeit nach Karlsruhe. Dort nahm sie sich, klar, am Bahnhof ein Leihrad.
ADFC kritisiert Ausgestaltung des Amtes
Am 16. April wurde Gabriele Fröhlich vom Gemeinderat zur ehrenamtlichen Fahrradbeauftragten ernannt. Das neu geschaffene Amt ist konzipiert als Schnittschnelle zwischen Verwaltung und Radfahrern, für die Fröhlich die erste Ansprechpartnerin ist.
Der Sprecher des Mannheimer ADFC, Robert Hofmann, lobt Fröhlich als „sehr aufgeschlossen und verbindend“. Gleichwohl bemängelt er die Ausgestaltung ihres Amts. Eine nur einige Wochenstunden tätige Ehrenamtliche sei zu wenig, hier brauche es eine Vollzeitkraft. Die müsse im OB-Dezernat angesiedelt werden.
Fröhlich findet jedoch, sie sei bei der Stadtplanung im Verkehrsdezernat genau richtig. Dort sitze sie mit Radexperten im Großraumbüro. Den Wunsch nach einer Vollzeitkraft kann sie dagegen gut nachvollziehen. Immerhin sei ihr Ehrenamt ein erster Schritt.
Bei der Bewerbung für ihren neu geschaffenen Posten setzte sich Fröhlich - nach Angaben der Stadt - gegen mehrere Interessenten durch. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit sei auf sechs Stunden die Woche angelegt, sagt sie. „Das ist mir ganz Recht.“ Dann bleibe Zeit für ihre drei Enkelkinder, zwei davon lebten in Berlin.
Ihre sechs Stunden kann Fröhlich schlecht nur mit dem Beantworten von Beschwerdemails verbringen. Aber sie kümmere sich um jedes Anliegen und leite es an die zuständigen Stellen weiter, versichert sie. Ihr sei auch wichtig, den Kontakt mit allen Akteuren im Mannheimer Radnetz wie dem ADFC zu pflegen.
Durch Spinelli geht es nach Feudenheim. Von dort hat Fröhlich schon viele Klagen etwa über Schlaglöcher gehört. Das Problem sei die hohe Abnutzung der Straßen. Versäumnisse über Jahrzehnte ließen sich nicht überall gleich ausmerzen.
An der Maulbeerinsel geht es die Radrampe zur B 38a hoch. Hier war Fröhlich noch nie. Mittlerweile regnet es und ein kräftiger Wind weht. Doch das scheint sie nicht zu stören. Außer bei Schnee und Glatteis fahre sie bei jedem Wetter, erzählt sie.
Auch die unvermittelt an einer Leitplanke endende Fahrbahn irritiert die 68-Jährige nur kurz. Das Angebot, ihr das Rad seitlich an der Treppe herunterzuschieben, lehnt sie ab und schleppt es selbst. Ja, lästig sei das schon. Aber für einen Millionen teuren Umbau nutzten die Brücke wohl zu wenig Radfahrer. Dafür komme an der Feudenheimer Schleuse der Radschnellweg.
Zurück Richtung Innenstadt wählt Fröhlich immer die Fahrradstraße am Paul-Martin-Ufer. Den beengten Weg auf dem Neckardamm überlässt sie Fußgängern. Dann geht es am Carl-Benz-Stadion vorbei durch die Schubertstraße in die Augustaanlage. Hier werden gerade die Radspur-Lücken in Höhe Werderstraße geschlossen. Zwischendurch bemerkt Fröhlich: „Ihre Kette würde etwas Fett vertragen.“
Bedauern über den Abbruch des Verkehrsversuchs in der Mannheimer Innenstadt
Als Tourabschluss wünscht sich die Radbeauftragte eine Station. Über die Otto-Beck-Straße geht es links auf den schmalen Radweg in der Seckenheimer Straße. Fröhlich deutet auf die unterschiedlichen Temposchilder: „Hier 30, dort 50, ein Irrsinn.“ Wie zur Bestätigung hupt ein von hinten anrasender Autofahrer.
Dann biegt sie rechts ab in die Kleinfeldstraße. Die ist so eng, dass sich Rad- und Autofahrer wechselseitig den Vortritt lassen müssen. Das klappe hier immer hervorragend, schwärmt Fröhlich, die in der Oststadt wohnt. Andernorts sei die Bereitschaft zum konfliktfreien Miteinander leider weniger ausgeprägt.
Endpunkt nach knapp eineinhalb Stunden ist die Rampe am Neckarauer Übergang. Zeit für ein Fazit. In Schulnoten würde Fröhlich dem Mannheimer Radnetz eine Drei plus geben, Tendenz Zwei bis Drei. In den letzten Jahren habe sich schon viel getan. Bedauerlich findet sie, dass der Verkehrsversuch abgebrochen wurde. In der Innenstadt gebe es genügend Parkhäuser. Da müsse es möglich sein, Autos aus Fressgasse und Kunststraße herauszuhalten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Diese Fahrradbeauftragte ist ein Gewinn für Mannheim