Vortrag

Ex-Fußballprofi Uli Borowka in Mannheim: Mit voller Pulle durchs Leben

388 Mal war Uli Borowka in der Fußball-Bundesliga am Ball. Bei einem Vortrag in Mannheim sprach er über sein Doppelleben als Fußballer und Alkoholiker. Und, warum der Umgang mit Alkoholikern in England anders ist

Von 
Bernhard Haas
Lesedauer: 
Ulrich Borowka fasziniert die Zuhörer mit seinen Erzählungen. © Bernhard Haas

Mannheim. Seit Oktober 2012 ist der ehemalige Fußballprofi Ulrich „Uli“ Borowka unterwegs, um an Schulen, in Jugendeinrichtungen oder sogar in Gefängnissen über Suchtprävention zu berichten. Im nächsten Jahr will der gelernte Maschinenschlosser die Prüfung als Suchtberater beenden. Sein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker konnte er vor Fans und Öffentlichkeit jahrelang verheimlichen. Erst zwei Jahre nach seinem Abschied aus der Bundesliga gelang ihm im Jahr 2000 nach viermonatiger, stationärer Therapie der Ausstieg aus seiner Alkoholsucht.

Von Alkohol und Feinden

Borowka berichtete nun im Kaufhaus Fairkauf auf dem Waldhof in seiner typisch direkten und kompromisslosen Art von Alkohol und Fußball, Freunden und Feinden, Enttäuschungen und Unterstützung. Dabei sparte er nichts aus. Er erzählte kompromisslos aus seinem Leben, wie er auch als Fußballer gespielt hatte, in Anlehnung an sein Buch „Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“.

Ehrlich, direkt und kompromisslosen: Ulrich Borowka liest aus seinem Buch "Volle Pulle". © has

Dabei zitierte er nur drei kurze Abschnitte aus dem Buch, das andere stammte aus seiner Lebensgeschichte, die spannender kaum hätte verlaufen können. Borowka war 16 Jahre Fußballprofi, 16 Jahre Alkoholiker. Dazu kamen 14 Jahre Abhängigkeit von Medikamenten, vor allem Schmerz- und Beruhigungsmittel, später noch vier Jahre Zocker in der Berliner Unterwelt.

Die Biografie des Uli Borowka liest sich nicht wie die eines Nationalspielers, Europapokalgewinners und fast 400-maligen Bundesligaspielers. „Es waren nur 388 Bundesligaspiele, keine 400“, so der Fußballprofi. Acht Mal trug er den Dress der deutschen Nationalmannschaft. Da kam eine Erinnerung an den gerade verstorbenen „Kaiser“ Franz Beckenbauer zum Vorschein: „Er war ein grandioser Mensch“, sagte Borowka. Dreimal habe er auch gegen einen überragenden argentinischen Nationalspieler Diego Maradona gespielt. „Die Axt“, wie Borowka genannt wurde, war dabei nie unfair. In seiner ganzen Laufbahn sei er nur einmal vom Platz gestellt worden, „und das war unberechtigt“, erzählte er schmunzelnd.

Mehr zum Thema

Wissenschaft

Warum immer mehr Frauen zu viel trinken - und mittlerweile die Männer überholt haben

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren
Gesundheit

Große Vielfalt bei Selbsthilfegruppen in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
Interview

„In der Abstinenz liegt ein Schatz, eine Riesenchance“

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Er war kein Treter, wie er selbst darstellte. „Die gab es vielleicht beim SV Waldhof“, meinte er lächelnd. Als er 1996 einen teuren Sportwagen betrunken gegen einen Baum setzte, stellte die Polizei einen Promillewert von 1,71 in seinem Blut fest. Der zweifache Familienvater war alkoholkrank, versuchte dies aber zu verbergen. Während er auf dem Platz fast immer als Sieger hervorging, lief es im Leben nicht allzu gut: Die Ehe zerbrach, Schulden im hohen sechsstelligen Bereich, Leben in einer 18-Quadratmeter-Bude, keine Perspektive. Er verlor völlig den Halt.

Nach gescheitertem Suizid in Entzugsklinik 

Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch hatte er es Gladbachs Sportdirektor Christian Hochstätter und Präsident Wilfried Jacobs - er war Vorsitzender des Vorstandes der AOK für Rheinland und Hamburg - hatte er es zu verdanken, dass er in eine Entzugsklinik eingewiesen wurde. „Sie haben mich an einem Punkt erwischt, an dem ich mir gedacht habe: Da hast du ein Dach über dem Kopf, kriegst was zu essen und nach drei Wochen kannst du wieder gehen und kontrolliert trinken“, stellte Borowka fest.

Nach vier Monaten wurde er entlassen und ist nun seit fast 24 Jahren „trocken“. Seither engagiert er sich in der Suchtberatung. „Verbote helfen da allein nicht weiter“, so sein Credo. Daher gehe er in Schulen, um Schülern Hilfe anzubieten. Auch die Freigabe von Cannabis sieht er sehr kritisch. Alkoholkonsum verursacht jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von knapp 40 Milliarden Euro, vermutet Borowka.

In Deutschland wirst du als trockener Alkoholiker wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt

„Viele Alkoholabhängige können ihren Tag nicht mehr strukturieren“, sagt er. Dann zieht er einen Vergleich mit England: „In England ziehen die Leute vor Männern wie Tony Adams, die offen über ihre Alkoholprobleme sprechen, den Hut. In Deutschland dagegen wirst du als trockener Alkoholiker wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt.“ Dagegen will er angehen. Er möchte die Gesellschaft sensibilisieren und wünscht sich, „dass wir uns in Zukunft ein bisschen mehr darauf fokussieren, wenn Menschen Probleme haben mit Süchten. Dann muss auch jemand da sein, der sie versteht.“

Borowka erzählt in Mannheim: „Wäre nie allein in Klinik“

Borowka gibt auch zu, dass er allein nie in eine Klinik gegangen wäre. Fehler sucht er daher nicht bei anderen. Es war einfach beeindruckend, wie frei und ohne Scham er sein Leben schilderte, das nicht gerade Vorzeigecharakter aufweist. „Ich war selbstherrlich, selbstverliebt und beratungsresistent.“ Mit der Dampfwalze sei er über die Gefühle anderer Menschen hinweggerollt. Mit der „Uli Borowka Suchtprävention und Suchthilfe“ bietet er nun Betroffenen vertrauliche Beratung und Unterstützung an.

Fairkauf-Gechäftsführerin Stefanie Paul stellte am Ende der unkonventionellen Lesung heraus: „Der Fairkauf ist ein Inklusionsbetrieb, der Menschen mit Behinderungen und Langzeitarbeitslose in die Arbeitswelt integriert.“ Da liege eine durch die Sepp-Herberger-Stiftung unterstützte Verbindung zu einem ehemaligen Alkoholiker sicher sehr nahe. Als Dankeschön überreichte sie Ulrich Borowka dann Schokolade - und garantiert ganz ohne jeglichen Alkohol.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke