Sicherheit - Stadträte diskutieren Konsequenzen aus dem Gutachten über den Rettungsdienst und erfahren die Grenzen des Einflusses der Kommune

„Es geht da um Menschenleben“

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Peter W. Ragge
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Derzeit „sehr, sehr stark ausgelastet“: Rettungsdienst und Notarzt im Einsatz in der Innenstadt. © Markus Prosswitz

Ungeduldig und unzufrieden – so haben die Stadträte am Dienstag im Sicherheitsausschuss auf die jüngsten Probleme im Rettungsdienst reagiert. Holger Schmid (ML) forderte die Stadt auf, Konsequenzen aus dem „vernichtenden Gutachten“ zu ziehen. „Wir wollen parteiübergreifend eine vernünftige Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung“, forderte Chris Rihm (Grüne), dass die „Defizite behoben“ werden.

Firma Forplan, seit 36 Jahren spezialisiert auf Rettungsdienst, hatte den Rettungsdienstplan für Mannheim mehrfach als „nicht plausibel und nicht nachvollziehbar“ bezeichnet. Das bedeute, dass er „nicht genehmigungsfähig ist, weil er nicht den Erfordernissen entspricht“, fasste Andreas Pitz zusammen, Koordinator Rettungsdienst der Stadt.

„Intransparentes Gremium“

Die Stadt muss den Plan allerdings nur genehmigen – aufgestellt wird er von Krankenkassen und Hilfsorganisationen, die dazu ein gemeinsames Gremium bilden: den Bereichsausschuss. Der habe nun, so machte Pitz deutlich, zu entscheiden, wie es weitergehe. Die Entscheidung liege allein bei ihm, weil der Rettungsdienst in Baden-Württemberg als Selbstverwaltung organisiert sei, weshalb „die Stadt nicht zwingend beteiligt werden muss“. Nur die Genehmigung liege letztlich bei ihr.

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Schmid fand, „dieses völlig intransparente Gremium“ sei „nicht in Ordnung“. Das Gutachten entspreche der Schulnote „setzen, sechs“ und zeige „gewaltigen Handlungsbedarf“ auf: „Es geht da um Menschenleben“. Da könne es nicht sein, dass die Stadt jetzt abwarten müsse. Dabei richte sich die Kritik, so betonte der ML-Stadtrat ausdrücklich, nicht gegen das Personal, gegen Sanitäter und Notärzte, „die einen hervorragenden Job machen“. Aber bei der Organisation müsse sich die Stadt „irgend etwas anderes überlegen“.

Dem schloss sich Chris Rihm an. Er wertete das Gutachten als „schallende Ohrfeige“, das Konsequenzen haben müsse. Daher dürfe sich die Stadt nicht „hinstellen und auf besseres Wetter warten“, das sei „schwer zu verdauen“ und „schwer zu ertragen“, so Rihm. Er erwarte, dass die Stadt „alle Register zieht und der Selbstverwaltung die Grenzen aufzeigt“.

Dagegen plädierte Bernhard Boll (SPD) dafür, man müsse statt einer öffentlichen Diskussion „irgendeine Brücke bauen“, damit Stadt, Krankenkassen und Hilfsorganisationen sich einigen. Zuvor sei es erforderlich, sich über die verwendeten Daten, die sich derzeit offenbar unterscheiden, zu einigen.

„Wir versuchen, die Diskussion nicht öffentlich zu führen“, versprach Pitz: „Wir haben noch Hoffnung, dass wir vorankommen“. Das setze aber voraus, dass auch die andere Seite nicht auf ihren Positionen beharre. „Unser Ziel ist eine gemeinsame Lösung“, erklärte ebenso Erster Bürgermeister Christian Specht. Die Stadt achte aber darauf, dass die Interessen der Sicherheit der Bürger gewahrt blieben, „dieser Pflicht kommen wir nach“, betonte der Sicherheitsdezernent.

Einladung besteht

Über den ML-Antrag, Vertreter des Bereichsausschusses für den Rettungsdienst in den Sicherheitsausschuss einzuladen, wurde nicht abgestimmt. Die Einladung bestehe ohnehin schon lange, erklärten Specht und Pitz. „Aber sie muss auch angenommen werden“, sagte Pitz. Der Vorsitzende des Bereichsausschusses lasse sich „nicht vorladen“, stellte Specht klar. Er wolle aber erst kommen, wenn das Gremium wieder getagt und über Konsequenzen aus dem Gutachten beraten habe.

Das von der ML geforderte „gemeinsames Konzept“ von Stadt und Bereichsausschuss habe indes Grenzen. Rechtsrahmen in Baden-Württemberg sei für den Rettungsdienst nun einmal die Selbstverwaltung und die Einflussmöglichkeit der Stadt daher begrenzt, unterstrich Specht. Ziel sei, schnell und einvernehmlich zu einem neuen Plan für den Rettungsdienst zu kommen, „damit das Chaos, eine Rettungsorganisatione verschiebt einfach ein Fahrzeug, ohne eine Grundlage dafür zu haben, nicht mehr stattfindet“, kritisierte er – gemeint war der Arbeiter-Samariter-Bund, der eine neue Rettungswache in Sandhofen einrichtete und dort ein Fahrzeug der Wache Käfertal stationierte.

Wie zuvor Holger Schmid betonte auch Andreas Pitz, dass sich die Kritik der Stadt nie auf die Mitarbeiter beziehe, sondern nur auf die Organisation. Man wolle nicht nur einen Rettungsdienst, durch den die Bürger gut versorgt seien, sondern „auch so, dass es von der Arbeitsbelastung her leistbar ist“, und derzeit sei der Rettungsdienst „sehr, sehr stark ausgelastet“, worunter auch das Personal leide.

Redaktion Chefreporter

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