Gymnasium

Eltern in Mannheim bei Unterschriftensammlung zu G9 erfolgreich

Abitur nach neun statt acht Jahren: das fordern viele Eltern seit langem. Jetzt sammeln sie Unterschriften für einen Volksantrag. Er soll den Landtag zwingen, über G9 zu beraten. Wie reagiert die Politik?

Von 
Bertram Bähr
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An G9 – beziehungsweise am Infostand dazu – kam niemand vorbei: Rund 100 Unterschriften für den Volksantrag sammelte Elternvertreterin Vivien Mütsch allein beim Weihnachtsmarkt des Liselotte-Gymnasiums. © Initiative G9 jetzt!

Mannheim. Thorsten Papendick ist ausgesprochen zufrieden. Von einem „sehr guten Start“ spricht der Vorsitzende des Mannheimer Gesamtelternbeirats (GEB), was eine Unterschriftensammlung zur Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9) in Baden-Württemberg angeht.

Allein beim Adventsmarkt an der Integrierten Gesamtschule (IGMH) hätten mehr als 100 Personen den Volksantrag unterzeichnet, den die „Initiative G9 jetzt!“ am 12. November 2022 gestartet hat. Weitere rund 100 Unterstützer habe man beim Weihnachtsmarkt des Liselotte-Gymnasiums gewinnen können, nennt er Beispiele.

Volksantrag zu G9

  • Mit einem Volksantrag möchten baden-württembergische Elternvertreter den Landtag dazu zwingen, sich mit der Wiedereinführung von G9 zu beschäftigen.
  • Dazu hat die „Initiative G9 jetzt!“ einen elfseitigen Gesetzentwurf vorgelegt. Wenn 0,5 Prozent der Wahlberechtigten – rund 39 000 Personen – den Antrag befürworten, muss der Landtag über den Gesetzentwurf abstimmen.
  • Die Unterschriften der Unterzeichnenden werden von den Gemeindeverwaltungen geprüft.
  • Bei einem Scheitern des Volksantrags im Landtag kann die Initiative ein Volksbegehren in die Wege leiten. 

Dabei sehe es an anderen Schulen ähnlich aus, freut sich Papendick: „Was ich vernehme, ist, dass das wirklich gut läuft.“ So und nicht anders hatte der GEB-Chef es aber auch erwartet, als er bei der Vollversammlung am 21. November 2022 für G9 die Werbetrommel rührte.

Binnen eines Jahres müssen 39 000 Unterschriften gesammelt werden. Dann ist der Landtag gezwungen, sich mit dem elfseitigen Gesetzentwurf der Eltern-Initiative zu befassen. Allein schon in Mannheim werde man dazu einen entscheidenden Beitrag leisten, versprach Papendick vor zwei Monaten. Er scheint sein Versprechen halten zu können. Inzwischen kämen auch viele Rückfragen von Grundschul-Elternvertretern, die sich an der Kampagne beteiligen wollten.

Dicke Packen trudeln ein

„Es läuft gut“, bestätigt die Heidelbergerin Anja Plesch-Krubner. Sie leitet gemeinsam mit Corinna Fellner aus Amtzell im Allgäu die Initiative – die beiden kämpfen seit rund fünf Jahren für die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg.

Die Unterschriftensammlung habe inzwischen „eine Eigendynamik entwickelt, die uns entlastet“, berichtet sie im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Viele Eltern organisierten sich regional selbst und kämpften mit kreativen Ideen und Aktionen um Unterstützer.

Noch kann Plesch-Krubner keine Zahlen liefern. Aber „so langsam trudeln dickere Packen mit bestätigten Unterschriften bei uns ein“, berichtet sie. Gezählt habe man noch nicht, eine erste Wasserstandsmeldung möchte die Elternvertreterin in vier bis sechs Wochen geben.

Wir rufen alle Eltern auf, aktiv und fleißig weiterzusammeln.
Anja Plesch-Krubner

Auch wenn für die Sammlung ein Jahr Zeit ist, zeigt sie sich nach dem bisherigen Verlauf sicher: „Wir werden viel früher fertig werden.“ Dennoch dürfe das Engagement nicht nachlassen: „Wir rufen alle Eltern auf, aktiv und fleißig weiterzusammeln.“ Bestätigte Unterschriften: Das bedeutet, dass die öffentlichen Verwaltungen die Formulare prüfen und garantieren, dass es sich bei den Unterzeichnenden um Wahlberechtigte handelt. In Mannheim, so Thorsten Papendick, laufe das „problemlos“: „Wir bringen die Formulare hin, und ein bis zwei Tage später können wir sie wieder abholen“. Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung laufe in diesem Punkt „supergut, ganz toll“, freut er sich.

Dass nach einer gescheiterten Petition und diversen vergeblichen Anträgen im Landtag jetzt etwas ins Rollen kommt, hat offenbar auch die Politik registriert. Dabei hatten sich die jeweiligen Regierungen bis dato als hartnäckige Gegner der Wiedereinführung von G9 positioniert.

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So warnte Ministerpräsident Winfried Kretschmann kurz nach dem Start des Volksantrags im November 2022 vor einem „Rückwärtsgang“ und bezeichnete sich als „klaren Befürworter von G8“. An diesem Dienstag sagte er erneut, er sei „entschiedener Gegner der Wiedereinführung von G9“. Allerdings werde er sich „keiner Debatte verweigern“.

Neue Töne bei den Grünen

Vorausgegangen waren weitere Äußerungen von Grünen-Politikern, die bisher ungewohnte Akzente setzten. Anfang Januar sagte Thomas Poreski, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, er könne sich eine „flexible Oberstufe“ mit unterschiedlich langen Wegen zum Abitur vorstellen. Und am vergangenen Freitag legte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz nach. Er zeigte Verständnis für den Wunsch einer Rückkehr zu G9. Man werde sich mit den Vorschlägen der Eltern beschäftigen und mit Wissenschaftlern beraten. Allerdings brauche es für die Wiedereinführung 1400 Lehrer-Deputate, die stünden nicht zur Verfügung.

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Postwendend weisen sowohl Anja Plesch-Krubner als auch der Philologenverband Baden-Württemberg dieses Argument zurück. Zusätzliche Lehrerstellen müssten erst ab dem dritten Schuljahr nach G9-Einführung nach und nach geschaffen werden. „Beides sollte das Land weder von der Finanzierung noch von der Personalseite her vor unlösbare Probleme stellen“, so der Philologenverband.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, wirft Schwarz vor, „herumzueiern“. Er nicke gegenüber den Eltern eifrig mit dem Kopf, „macht aber gleich klar, dass sich gar nichts ändern wird“. Der Mannheimer Abgeordnete fordert vom Land, die „Blockadehaltung aufzugeben“ und zuvorderst in Mannheim wieder ein G9-Gymnasium zuzulassen.

Bisher, so Plesch-Krubner, habe es in der Landesregierung faktisch ein „Diskussionsverbot“ gegeben. Deshalb sieht sie in den Zwischentönen ein „positives Signal“ und führt das vor allem auf die erfolgreiche Kampagne der Eltern zurück.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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