Bildung - Betroffene an der Eugen-Neter-Schule klagen über massive Unterrichtsausfälle / Forderung nach Notbetreuung an zwei Tagen / Gespräche mit Kommunalpolitikern stehen an

Eltern der Mannheimer Neter-Schule klagen über massive Unterrichtsausfälle

Von 
Bertram Bähr
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Dass Eugen-Neter-Schüler für ihre Anliegen kämpfen, zeigen Aktionen für einen sicheren Rad- und Fußweg – hier bei der Übergabe einer Petition an OB Kurz. Jetzt gehen Eltern auf die Barrikaden – wegen massiver Unterrichtsausfälle. © Roland Schmellenkamp

Mannheim. Die Kinder, die die Eugen-Neter-Schule (ENS) auf der Blumenau besuchen, brauchen besondere Zuwendung. In ihrer geistigen Entwicklung sind sie nicht so weit wie die meisten anderen in ihrem Alter. Deshalb lernen sie in kleinen Gruppen, mit Sonderpädagogen, spezieller Betreuung – und ganztags. Eigentlich. Aber seit dem neuen Schuljahr ist der Ganztag zumindest teilweise auf der Strecke geblieben.

Nur noch an drei Tagen pro Woche dauert der Unterricht bis 14.30 Uhr – was streng genommen auch schon kein Ganztagsunterricht mehr ist. Denn der müsste sieben Zeitstunden umfassen und daher bis 15.30 Uhr gehen. Derzeit sind die Eltern gezwungen, ihre Kinder mittwochs um 12.30 Uhr, freitags sogar um 11.50 Uhr abholen. Mit diesem Zustand müssen die Betroffenen seit September 2021 klarkommen.

Klassenteiler um ein Drittel erhöht

„Ganz, ganz viele gehen am Krückstock, weil die zusätzliche Betreuung einfach fehlt“, berichtet Julia Wiegand. Sie ist Elternbeiratsvorsitzende der ENS und spricht mit ihrer Stellvertreterin Alexandra von Gropper und weiteren Leidensgefährten über die Situation – in einer virtuellen Runde, die vom Mannheimer SPD-Landtagsabgeordneten und Bildungsexperten Stefan Fulst-Blei moderiert wird.

Die derzeitige Situation lässt sich mit Zahlen so beschreiben: Statt im Normalfall 34 Wochenstunden werden im laufenden Schuljahr nur noch 30 Wochenstunden angeboten. Und auch diese können nur mit großer Mühe abgedeckt werden. „Die Lehrer, die wir bekommen haben, reichen an und für sich noch nicht mal für diese 30 Wochenstunden“, erklärt Alexandra von Gropper. Die Unterrichtsabdeckung gelinge nur deshalb, weil durch die Erhöhung des Klassenteilers „eine Stunde rausgequetscht wurde“.

Üblich wären in einem Förderzentrum für geistige Entwicklung sechs Kinder pro Klasse. Aber inzwischen, so von Gropper, gehe „der Teiler in Richtung acht, was natürlich auch zu einer enormen Belastung der Lehrer führt. Mehr ist nicht drin.“ Im Gegenteil. Es stehe „zu befürchten, dass die Situation sich sogar noch verschlechtert“, dass „weitere Kürzungen drohen. Das geht einfach gar nicht.“

Alexandra von Gropper zieht einen Vergleich: „An einem Gymnasium würde sich niemand trauen, so etwas zu machen.“ Dabei bräuchten gerade die Kinder der ENS „viel mehr Förderung und auch mehr Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb der Klasse. Sie können sich nicht selbstständig etwas erarbeiten. Es ist einfach ein Unding, dass da immer weiter gestrichen wird.“

Verglichen mit dem, was bereits weggefallen ist, halten sich die Forderungen der Eltern in Grenzen: An die bildungspolitischen Sprecher im Gemeinderat ging die Bitte, eine Betreuungslösung zumindest für die vier weggefallenen Stunden mittwochs und freitags zu unterstützen. Das müsse nicht für alle Kinder sein, sondern nur für Eltern mit dringendem Bedarf – zum Beispiel, weil beide berufstätig sind.

„Wir haben die Forderungen auf ein Mindestmaß reduziert“, betont Florian von Gropper. Zugleich hätten die Eltern „konstruktive Vorschläge gemacht, wie man diese Betreuungsstunden aufbringt. Es sind Schulbegleiter da, die sehr gerne Stunden zusätzlich machen wollen, es stehen Räume zur Verfügung, ein Caterer. Letztendlich wäre das auch kostenmäßig überschaubar.“

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Zwischenlösung durch die Stadt?

Den Eltern schwebt vor, dass die Stadt sozusagen in Vorlage für das Land tritt, solange aus Stuttgart keine Lösung präsentiert wird. Das Geld könne man sich dann wieder zurückholen. Aber bisher habe sich leider auf kommunalpolitischem Gebiet nichts getan. Im Februar steht ein weiteres Gespräch mit den Sprechern der Fraktionen an – die Eltern hoffen, dass sie dann Unterstützung erhalten.

Was das Land angeht: „Wir hören immer nur, Gelder sind vorhanden, aber das Personal nicht“, beklagt Julia Wiegand. Dabei gebe es durchaus Lehrkräfte, die sich gerne sonderpädagogisch weiterbilden würden. Aber das müssten sie parallel zu ihrer Haupttätigkeit machen – was wenig motivierend sei. Um die Attraktivität zu erhöhen, hat die Bildungsgewerkschaft GEW – bislang vergeblich – vorgeschlagen, Interessenten zu 25 Prozent für die Fortbildung freizustellen, wie Stefan Fulst-Blei berichtet. Eine weitere Möglichkeit, kurzfristig zu helfen, sei es, nicht besetzte Lehrerstellen in Geld umzuwandeln – das dann die Schulleitungen zum Einstellen von pädagogischen Hilfskräften verwenden könnten. Würden lediglich zehn Prozent (zwei von 20) der erforderlichen Stellen „monetarisiert“, stünden der Schule rund 110 000 Euro zur Verfügung.

Stattdessen setzt das Land bisher vor allem auf eine Erhöhung der sonderpädagogischen Ausbildungskapazitäten, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Susanne Aschhoff hervorgeht. Aber bis die Lehrer dann wirklich zur Verfügung stehen, vergehen rund sechs Jahre – den Eltern hilft das aktuell nichts.

Land: „Kontinuierliche Suche“

Was eine sofortige Besserung angeht, so Aschhoff, stehe das Land laut Kultusministerin mit der ENS selbst und dem Staatlichen Schulamt Mannheim „in engem Kontakt, um die Unterrichtsversorgung im Rahmen der vorhandenen Stellen und Mittel zu sichern“. Leider hätten aber „die für dieses Schuljahr fünf unbefristet ausgeschriebenen Stellen und auch die weiteren befristet ausgeschriebenen Stellen nur teilweise besetzt werden können“. Die Suche gehe „kontinuierlich“ weiter. Im Februar steht laut der Eltern ein weiteres Gespräch zum Thema an, bei dem sich Stadt, Schulamt und Schulleitung zusammensetzen.

Wobei nach Auffassung der Betroffenen fünf unbefristete Stellen ohnehin viel zu wenig sind. Um die 30 Stunden mit dem regulären Klassenteiler von sechs zu gewährleisten, brauche es eigentlich zehn, für die Sicherstellung der 34 Wochenstunden sogar 20 weitere Lehrkräfte.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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