Industriekultur - Führung durch die Gemäuer, die vielen Mannheimern während der Bombennächte im Zweiten Weltkrieg Schutz boten

Einblicke in verborgene Bunker-Welt

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Fluchtort in Kriegszeiten: Besucher erleben den Tiefbunker unterhalb eines Uni-Gebäudes am Parkring.

© Prosswitz

"Und hier drängelten sich vor mehr als sieben Jahrzehnten vor allem Frauen mit Kindern, aber auch alte Menschen , um Bombenangriffe zu überleben", geht einem in den Tiefbunkern durch den Sinn. Die "Tage der Industriekultur" bringen auch Fluchtorte während des Zweiten Weltkrieges näher. Mit und ohne Tageslicht gehen zwei Besuchergruppen auf Entdeckungstour. Und die erweist sich auch an dunklen Orten der Geschichte als erhellend.

Vergessene Orte

Georg Seiberlich und Gerda Kirschner haben sich als Unruheständler zur Aufgabe gemacht, verborgene und teilweise auch vergessene Orte in Mannheims Unterwelt wieder zugänglich zu machen. Am Treffpunkt nahe des A5-Bunkers mit breitem schneckenförmigen Zugang versorgen die beiden ehrenamtlichen Stadtführer erst einmal mit Informationen in Wort und mit historischen Bildern. Die Gruppe erfährt beispielsweise, dass Oberbaudirektor Josef Zizler innerhalb der Quadrate Bunker in die Tiefe verbannte, damit das Gepräge der barocken Altstadt erhalten bleibt.

Des Öfteren hat sie so ziemlich jeder in der Gruppe schon gesehen: die einst Großherzogliche Rheinbau-Inspektion am Parkring 39. Dass sich unter dem inzwischen von der Universität genutzten Anwesen mit den Verblendklinkern eine Bunkeranlage für ehemalige Mitarbeiter und deren Familien befindet, verblüfft gleichwohl. Die über mehrere Stufen erreichbaren Zugänge mit Schleusen für Druckausgleich, wenn draußen die abgeworfenen Bomben detonierten, sind noch erhalten - genauso wie die Wandhaken zum Einhängen von 25 Bettgestellen. "Befehlsraum", "Zentrale", "Melder", "Schreiber", "Belüfter", "Abort- und Waschraum", "Personal" und "Hausbewohner" - solcherart Beschriftungen künden davon, dass in Schutzräumen das (Über-)Leben strikt geregelt war.

Und wie ist bereits 1939 aus einem Hauskeller ein Bunker entstanden? Georg Seiberlich berichtet: Decken und Wände wurden um einen Meter und mehr verstärkt, Fenster zugemauert. Nach dem Krieg, als Mannheim weitgehend zerstört war, diente ein Teil dieser trutzigen Unterwelt als Tante Emma-Laden. Bevor es wieder nach oben geht, gibt es noch eine Überraschung der fluoreszierenden Art: Die Gangwände sind mit Phosphorfarbe ausgestattet - so dass es in Bombennächten auch ohne elektrisches Licht keineswegs stockdunkel war.

Ein Pfeil weist den Weg

Beim Fußmarsch zum E 6-Bunker gibt es gegenüber von E 7,2 einen kurzen Halt. Manche reiben sich verwundert die Augen - weil sie bislang achtlos an den "L" und "R", die mit einem nach unten zeigenden Pfeil in der Mitte an der Hausfassade prangen, vorbeigelaufen sind. Die heute kaum noch wahrgenommenen Buchstaben wiesen einst auf einen Luftschutz-Raum hin.

Um die Ecke bewacht der Friedensengel den unter einem Gitter liegenden Eingang zu der aus Beton gegossenen Kriegsunterwelt, die einst mit 267 Sitzen und Stehplätzen für insgesamt 800 Schutzsuchende ausgestattet war. Eine kleine Fotoausstellung informiert auch über andere Mannheimer Bunker. Manche sind mit Nazi-Parolen wie "Sieg um jeden Preis" ausgestattet. Es gab aber auch "Belustigungen" für aus dem Schlaf gerissene Kinder - beispielsweise Szenen aus der heiteren Welt von Wilhelm Busch.

„Tage der Industriekultur“

Tour durch Mannheims Bunker

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Die Führungen

Gestern endeten die zum zweiten Mal veranstalteten "Tage der Industriekultur". Der Verein "Rhein-Neckar-Industriekultur" hat Grund zur Freude: Alle 27 Exkursionen waren ausgebucht, bei einigen gab es mehr Interessenten als Plätze.

Die beiden Ausflüge in unterirdische Schutzräume wurden in Kooperation mit "Mannheim Tours" organisiert. (www.mannheimtours.de)

Georg Seiberling und Gerda Kirschner engagieren sich dafür, dass vor allem Tiefbunker wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zu ihren Visionen gehört ein Bunker-Museum. wam

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