Mannheim. So viel los war lange nicht im Haniel-Park, der Grünanlage in E7: Lecker Gegrilltes und Livemusik der „Blues and Soul Factory“ sorgten für Wohlbefinden und gute Laune. Gefeiert wurde die Wiedereröffnung des Café Anker, das in unmittelbarer Nähe in der Akademiestraße 1 liegt. Der Containerbau war nach Brandstiftung seit Februar geschlossen. Die Träger, Caritasverband und Drogenverein Mannheim, hatten Besucher, Freunde, Interessierte und die Anwohner kostenfrei zu Essen und alkoholfreien Getränken eingeladen.
Alkoholakzeptierender Ort
Das Café Anker ist ein sogenannter alkoholakzeptierender Aufenthaltsort, in dem der Konsum von Bier und Wein erlaubt sind, nicht aber Hochprozentiges und illegale Drogen. Die Besucher sind Menschen mit einer starken Abhängigkeit, die hier einen Zufluchtsort und Ruhepol finden, vor allem, wenn sie obdachlos sind. Häufig sind sie mehrfach abhängig: von Opioiden, Schmerzmitteln und Alkohol. Einige machen eine Substitutionstherapie, die Heroin durch entsprechende Medikamente ersetzt. So sollen der Gesundheitszustand und die soziale Situation der Betroffenen verbessert werden und Beschaffungskriminalität verhindert werden. Zwei Drittel der Besucher sind Männer, ein Drittel Frauen.
Die Gründe der Sucht sind multifaktoriell. So erzählt Chris, einer der jüngeren Besucher: „Ich habe nach meiner Ausbildung sechs Jahre lang gearbeitet, dann bekam ich einen Bandscheibenvorfall. Gegen die Schmerzen nahm ich starke Medikamente. Es wurde nicht besser, dann habe ich Alkohol getrunken, um mich zu beruhigen. Ich wurde arbeitslos, bald gab es Geldprobleme und die Freundin ist weggewesen. Gegen den Stress hat mir ein Kumpel Heroin empfohlen. Die Dosis wurde immer höher und nach einem halben Jahr habe ich mich dann angemeldet zur Substitution. Jetzt gehe ich jeden Morgen zum Arzt für die Medikamente und dann endlich wieder ins Café Anker. Das ist mein Ruhepol. Hier ist es warm, es gibt etwas zu essen und man kann mit den Mitarbeitern reden. Als das Café zu war, das war die Katastrophe. Daheim ist man so allein.“
Bernd Bung vom Drogenverein und Manuela Morsch von der Caritas, die Leiter des Cafés, berichten von der Schließungszeit: „Wir waren im Frühjahr und Sommer mit dem Bollerwagen auf der Straße unterwegs, um unsere Leute in den Szenetreffs draußen mit Getränken und Essen zu versorgen und ein Ohr für sie zu haben.“
Froh über die Wiederöffnung ist auch Marion, die nach dem Selbstmord ihres Bruders vor rund 25 Jahren eine Depression entwickelte und so zum Heroin kam. Auch sie sucht morgens einen Arzt für die Substitutionsmedikamente auf und macht dann einen Abstecher ins Café Anker, bevor sie am Mittag nach Hause fährt. Sie sagt: „Das ist mein Zufluchtsort, die Mitarbeiter hören zu und helfen, auch bei Fragen zu den Ämtern, und wenn man mal etwas faxen muss“.
Kein Zuhause hat Milena, die lange Jahre für eine polnische Firma in Deutschland in der Altenpflege tätig war. Sie hat hier keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen und lebt auf der Straße. In ein Frauenhaus möchte sie nicht, da ihr Freund dort nicht bleiben darf. Sie meint: „Das Café ist mein liebster Ort, ich bin jeden Tag dort, das Personal ist soo nett.“ Das Café besteht aus acht verbundenen Containern und bietet einen großen Aufenthaltsraum sowie zwei kleinere Besprechungszimmer. Mit der Spende von Human Aktiv, dem Hilfswerk der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland, plant man die Einrichtung einer Dusche und einer Möglichkeit zum Wäschewaschen. Derzeit sind fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt, ein weiterer soll im November beginnen.
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„Viel Dankbarkeit“
Manuela Morsch freut sich ebenso wie die Besucher über das sanierte Café: „Mein Beruf gibt einem so viel Dankbarkeit und er ist sehr vielseitig, aber die Arbeit auf der Straße war schon extrem anstrengend.“ Bernd Bung, seit nun 32 Jahren als Sozialarbeiter engagiert, erläutert seine Arbeit mit Suchterkrankten: „Das ist eine Welt, die nicht immer nachzuvollziehen ist, aber ich akzeptiere das.“
Die wenigsten wissen, dass die Grünanlage in E7, angrenzend zum Arbeitsgericht gelegen, Haniel-Park heißt. Die Stadt Mannheim hat nun das Bürgerfest zur Wiedereröffnung finanziell unterstützt. Über den Fonds „Urbane Interventionen in ausgewählten öffentlichen Räumen“ will man vernachlässigte Räume neu gestalten und bespielen. Dazu gehören Plätze im Jungbusch, in der Neckarstadt-West, auf der Rheinau und in der Unterstadt, die wieder in die Stadtgesellschaft integriert und genutzt werden sollen.
Förderanträge für entsprechende Orte können von Bürgern an die Stadt über das Quartiersmanagement eingereicht werden.
Das Café Anker ist derzeit von Montag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Ab Oktober gelten die folgenden Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10 bis 19 Uhr, mittwochs von 11 bis 19 Uhr. An Samstagen werden Besucher von 10 bis 15 Uhr empfangen.
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