Mannheim. Langsam rollt das weiße Auto durch die Pestalozzistraße. Auf dem Dach die Kamerabox, im Innenraum ein Tablet. Andreas Fleischmann lenkt den Toyota durch die Straße. Dann ein leises Signal aus dem Gerät: piep. „Da hat das System einen möglichen Verstoß erkannt“, erklärt der Geschäftsführer von DCX Innovations, die die Technik im Auto entwickelt hat. Wenige Meter weiter – inzwischen in der Riedfeldstraße – hört man das verräterische, kurze „Piep“ wieder. Und wieder. Und wieder.
Mannheim zählt zu den ersten Kommunen in Baden-Württemberg, die sogenannte Scan-Fahrzeuge erproben. Die Testfahrt am Mittwochnachmittag hat noch keine Konsequenzen für Parksünder. Trotzdem wird es für sie nun ernst: Denn seit Donnerstag testet die Stadt vier Wochen lang in der Neckarstadt, ob die digitale Kontrolle helfen kann, gefährliche Situationen zu verringern.
„Es geht nicht um Knöllchenjagd“, sagt der für Sicherheit und Ordnung zuständige Bürgermeister Volker Proffen. „Wir konzentrieren uns auf Verstöße, die die Sicherheit im Straßenraum beeinträchtigen – also etwa zugeparkte Kreuzungsbereiche oder Radwege.“ Aber Proffen, der auch Kämmerer ist, erwartet sich trotzdem vielleicht auch die eine oder andere Mehreinnahme für den Haushalt – noch dazu, weil die Kosten für das Pilotprojekt das Land übernimmt. Fragen und Antworten zum Projekt.
Was ist ein Scan-Auto und wie funktioniert es?
Das Fahrzeug ist mit Kameras und Sensoren ausgestattet und erfasst parkende Autos. Die Technik erkennt Kennzeichen und gleicht diese mit zuvor kartierten Bereichen ab. Bei einem Verstoß wird ein Foto gemacht und der Fall zur Prüfung ans Ordnungsamt übermittelt. Zwar freut sich Proffen mit hörbar ironischem Ton, dass „sich ein Kreis schließt“ und Mannheim – wo das Auto erfunden wurde – nun auch die erste Stadt sei, in der digitale Knöllchen verteilt werden.
Ganz so stimmt das aber nicht, ordnet die Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium, Elke Zimmer, ein. In der Pilotphase werde jedes Foto mit einem möglichen Verstoß von Angestellten des Ordnungsamts noch einmal geprüft, versichert sie.
Warum testet Mannheim das Scan-Auto und welche Ziele verfolgt die Stadt?
Die Stadt will in der Pilotphase vor allem die Verkehrssicherheit erhöhen: Falschparker an gefährlichen Stellen wie Kreuzungen, Feuerwehrzufahrten oder Radwegen sollen schneller erfasst werden. Das Landesmobilitätsgesetz ermögliche seit Kurzem den Einsatz dieser Fahrzeuge, erklärt Zimmer. Mannheim ist Teil eines landesweiten Modells, das vom Verkehrsministerium finanziert wird. Die Stadt trägt in der Pilotphase lediglich die Kosten für die Beschilderung.
Wie läuft der Testbetrieb ab und warum wurde die Neckarstadt ausgewählt?
Das Scan-Auto fährt für etwa vier Wochen durch die Neckarstadt. Die ist laut Proffen ganz bewusst ausgewählt worden, weil die vielen kurzen Straßen und Kreuzungen besonders anfällig für gefährliches Falschparken seien und es wenig Flächen mit Bewohnerparkausweisen gebe. Letztere werden beim Pilot in Mannheim nämlich nicht überprüft. Weil ein Fahrzeug theoretisch nur kurz halten und wenige Sekunden später weiterfahren kann – Fleischmann nennt als Beispiel Linksabbieger –, muss das Scan-Auto die Strecke zweimal abfahren. Steht das vermeintlich falsch geparkte Fahrzeug in der zweiten Runde immer noch da, wird es vom System erfasst.
In der Pilotphase werden die Fotos erst nach menschlicher Kontrolle durch das Ordnungsamt an die Bußgeldstelle weitergeleitet. Bewährt sich das System, könnten hier später nur noch Stichprobenkontrollen nötig sein, erklärt Fachbereichsleiterin Jessica Deutsch. Die Technik kann mit Infrarot-Kameras auch in der Dämmerung eingesetzt werden.
Was unterscheidet das Projekt in Mannheim von anderen Modellstädten?
Insgesamt wird das Scan-Auto in fünf Kommunen getestet. Während etwa in Heidelberg und Hohenheim Parkscheine oder Bewohnerparkausweise geprüft werden, konzentriert Mannheim sich auf sicherheitsrelevante Verstöße, wie zugeparkte Kreuzungen oder blockierte Feuerwehrzufahrten. Projekte mit anderen Schwerpunkten gibt es auch in Waldshut-Tiengen und in Freiburg, wo in der Pilotphase Erkenntnisse aller Modellstädte zusammengefasst werden sollen.
Welche Vorteile bietet das System gegenüber der herkömmlichen Kontrolle für die Verwaltung?
Das Auto kann deutlich mehr Fahrzeuge kontrollieren als der Ordnungsdienst zu Fuß. In anderen Städten wurde Zimmer zufolge so eine bis zu sechsfache „Effizienzsteigerung“ festgestellt. In dicht bebauten Gebieten können pro Stunde bis zu 1.000 Fahrzeuge überprüft werden.
Wie steht es um Datenschutz und Fehlerquellen?
Fotos von regelkonform geparkten Autos werden sofort gelöscht und verlassen das Fahrzeug nicht, versichern Zimmer und Fleischmann. Nur bei einem Verstoß wird ein Bild gespeichert und weiterverarbeitet. Jeder Fall wird von Menschen geprüft, um Fehler – etwa falsch erkannte Kennzeichen oder Sonderfälle wie Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz – auszuschließen. Die Software werde laufend weiterentwickelt.
Welche Herausforderungen und Kinderkrankheiten gibt es?
Im Testbetrieb in anderen Städten habe sich gezeigt, dass die Technik Kennzeichen und Verstöße „zuverlässig“ erkennt, erklären Zimmer und Fleischmann. Herausforderungen bestehen vor allem bei der exakten Kartierung der verbotenen Flächen und der Unterscheidung von Sonderfällen, etwa wenn ein Feuerwehrfahrzeug im Einsatz in einer Feuerwehrzufahrt steht. Auch Erfahrungen aus Mannheim sollen laut Zimmer helfen, die Technik zu optimieren und einen Leitfaden für andere Kommunen zu erstellen.
Was passiert nach dem Test und wie geht es weiter?
Nach Abschluss des vierwöchigen Tests werden die Ergebnisse ausgewertet. Die Stadt entscheidet dann, ob das System dauerhaft eingeführt wird. In diesem Fall wird laut Proffen auch geprüft, ob es wirtschaftlicher ist, ein eigenes Fahrzeug zu beschaffen oder einen Dienstleister zu beauftragen.
Die Scan-Autos sind kein Instrument, um größere Mengen an Geld für den kommunalen Haushalt zu generieren.
Wie hoch sind die Kosten für ein Scan-Auto?
Die Anschaffungskosten liegen laut Hersteller zwischen 100.000 und 140.000 Euro pro Fahrzeug. Hinzu kommen laufende Kosten. Im Pilotprojekt übernimmt das Land die Kosten, bei einer dauerhaften Einführung müsste die Stadt investieren. Die Kosten werden gegen erwartete Einsparungen durch effizientere Kontrollen und kalkulierte Einnahmen abgewogen.
Welche Auswirkungen hat das System auf das Parkverhalten und die Stadt?
„Die Scan-Autos sind kein Instrument, um größere Mengen an Geld für den kommunalen Haushalt zu generieren“, will Zimmer klarstellen. Sie verweist stattdessen auf eine höhere Verkehrssicherheit in anderen europäischen Städten, wie Amsterdam, wo Verstöße um bis zu 90 Prozent zurückgegangen sein sollen. Ziel des Projekts soll eine Verbesserung der Verkehrssicherheit für Rettungsdienste, Radfahrer und Fußgänger sein.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Scan-Technik in Mannheim muss transparent sein