einander.Aktionstage

DTI-Veranstaltung in Mannheim: Benötigt man zwei Staatsangehörigkeiten?

Debatte im Mannheimer Studio Werkhaus: Die Türken hierzulande können seit kurzem auch die deutsche als zweite Staatsangehörigkeit besitzen. Was bringt die Neuerung? Eine fachliche und humoristische Diskussion

Von 
Tanja Capuana
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Denken über Doppelstaatlichkeit nach: Gizem Weber (hinten v.l.), Mehmet Kiliç, Zahra Alibabanezhad Salem, Andrea Baroncioni, Sengül Engelhorn und Bahar Deniz sowie Muhsin Omurca (vorne v.l.), Hülya Ayaglar und Franz Egle. © Tanja Capuana

Mannheim. Benötigt man eigentlich zwei Staatsbürgerschaften? Während Einwanderer und Einwanderinnen aus der EU sowie einigen weiteren Ländern beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit den Pass ihres Heimatlandes behalten konnten, galt das nicht für alle Menschen. Für die rund 1,5 Millionen Türkinnen und Türken galt noch bis vor kurzem das Verbot der doppelten Staatsangehörigkeit. Mit dem neuen Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts wird nun auch die Mehrstaatlichkeit für sogenannte Drittstaatsangehörige möglich – eben auch für Menschen aus der Türkei.

Das Deutsch-Türkische Institut für Arbeit und Bildung (DTI) hat am Mittwochabend bei einer Veranstaltung im Rahmen der einander.Aktionstage eine Kooperation mit dem Nationaltheater auf die Beine gestellt. Im Studio Werkhaus haben Referentinnen und Referenten das Recht auf Staatsbürgerschaft mal auf sachliche, mal aber auch auf humoristische Art beleuchtet.

Gleiche Rechte – „denn die Pflichten haben auch alle“

Gizem Weber, Projektkoordinatorin beim DTI, führt durch den Abend. Ihrer Meinung nach genügt ein Pass nicht, betont sie. Sie möchte darstellen, welche Rechte und Pflichten ein Doppelpass bringt – und wie er sich im Alltag auswirkt. „Beeinflusst die doppelte Staatsbürgerschaft unsere Identität und Zugehörigkeit?“, stellt sie als Frage in den Raum.

„Dass wir heute ein Gesetz haben, in der Mehrstaatlichkeit für alle möglich ist, ist schon ein riesengroßer Schritt, den wir hier in Deutschland gegangen sind“, lobt Zahra Alibabanezhad Salem, Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats. Als sie sich selbst entschied, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, konnte sie aus ihrer nicht entlassen werden, erzählt sie: Sie hatte automatisch die doppelte Staatsangehörigkeit. Sie stellt sich die Frage, ob sie nun mehr oder ein besserer Teil dieser Gesellschaft sei. Für sie bedeutet der deutsche Pass, nun auch die gleichen Rechte wie alle anderen Deutschen zu haben. „Denn die Pflichten, von denen wir immer reden, haben auch alle anderen Menschen, die ohne Staatsangehörigkeit hier leben“, sagt Alibabanezhad Salem. „Das Hauptrecht, wenn wir über demokratische Teilhabe reden, ist das Wahlrecht.“ Für sie bedeute es, zur Gesellschaft dazu zugehören.

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Bei einer Diskussionsrunde, die von Bahar Deniz, Initiatorin der DTI-Aktion „Weckruf – Trommeln für mehr Demokratie zur Wahlbeteiligung“, moderiert wird, kommen neben dem Heidelberger Rechtsanwalt Mehmet Kiliç, auch die Übersetzerin und Dolmetscherin Hülya Ayaglar, CDU-Stadträtin Sengül Engelhorn sowie Andrea Baroncioni, Leiterin des Fachbereichs Bürgerdienste, zu Wort. Kiliç erklärt nicht nur, was die juristische Komponente des Gesetzes bedeutet, sondern auch, wie er als 23-Jähriger nach Deutschland kam.

Ayaglar begrüßt die Gesetzesänderung, findet aber, dass sie reichlich spät komme. „Wenn eine Community schon so lange, seit 60 Jahren in Deutschland lebt, dieselben Pflichten erfüllt wie ein Biodeutscher, der von der Abstammung her auch das Recht genießt, ein Deutscher zu sein, warum sollte ich nicht dasselbe haben, anstatt nur die Pflichten zu erfüllen?“ Engelhorn sieht das Gesetz als große Chance, den eigenen kulturellen Hintergrund nicht mehr verleugnen zu müssen. „Der deutsche Staat baut eine Brücke zu den Menschen, die schon sehr lange hier leben und dieses Land mit aufgebaut und geprägt haben.“ Der Doppelpass solle laut Engelhorn nicht am Anfang des Integrationsprozesses stehen, sondern am Ende. „Integration braucht Zeit, Integration braucht ganz viel Unterstützung.“

Baroncioni erklärt, welche Schritte man gehen muss, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen und welche Kosten auf Interessenten zukommen.

Kabarettist Omurca: Mit dem Doppelpass zur Doppellast

Der Kabarettist und Cartoonist Muhsin Omurca ist Schöpfer des Worts „biodeutsch“ und äußert sich ebenfalls zum Thema Doppelpass. Als „staatlich geprüfter Deutscher“, kam er in den 80er Jahren nach Deutschland.

In seinem kurzweiligen Programm, das er immer wieder mit eigenen, passenden Cartoons würzt, erzählt er seinen Werdegang, erklärt, warum er mit den Artikeln in der deutschen Sprache auf Kriegsfuß steht und was ihn von einem Biodeutschen unterscheidet. Bei einem Trip nach Brasilien muss er sich mit einem Taxifahrer auseinandersetzen, der den Hitlergruß machte. Als ehemaliger Typ Neudeutscher muss ich mich jetzt auch zu meiner deutschen Vergangenheit bekennen“, moniert er grinsend. „Als hätte mir meine türkische nicht gereicht. Ich wollte nur den Doppelpass. Jetzt habe ich die Doppellast.“

Dirk Grunert, Bürgermeister für Bildung, Jugend und Gesundheit, sieht das neue Gesetz als eine bedeutsame Änderung für viele Menschen. „Es ist nicht nur eine rechtliche Erleichterung, sondern es bietet natürlich viele Chancen, gerade auch hier bei uns in Mannheim“, wo es vor allem die türkischen Staatsangehörigen betreffe. „Sie haben die Möglichkeit zu wählen, sich aktiv politisch zu beteiligen und dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen deutschen Staatsangehörigen.“ Das stärke das Zugehörigkeitsgefühl und die Integration.

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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