Mannheim. Einer älteren Dame war es zu viel. Sie verließ schnaubend den Saal mit den Worten: „Das hat doch mit Demokratie nichts zu tun.“ Vielen anderen im überfüllten Saal der Abendakademie gefielen die Äußerungen dagegen sehr, was der Beifall bekundete. Was war denn da passiert?
Es war mitten im Höhepunkt des Programms bei der Langen Nacht der Demokratie. Die feierte am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit ihre Premiere. Stargast war am Mittwoch Kabarettist und Satiriker Florian Schroeder mit Ausschnitten aus seinem Programm „Neustart“. Mit seinem bekannt messerscharfen Blick auf die Politik entlarvte er viele Handelnde ganz ungeschminkt. Und zuerst nahm er die AfD aufs Korn. Die Wähler von Björn Höcke und seiner Mitstreiter überführte Schroeder satirisch als Nazis. Vergleiche mit den Erfolgen der rechtsradikalen FPÖ in Österreich wurden gezogen - und die eingans erwähnte Frau verließ den Saal.
Viele Kooperationspartner erwecken die Nacht zum Leben
„Klare Kante zeigen gegen Hass, gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, gegen jede Art von Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit“ - das hatte die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras in ihrem Grußwort zur Langen Nacht der Demokratie gefordert. Dieser Herausforderung stellte sich die Mannheimer Abendakademie zusammen mit ihren Kooperationspartnern in insgesamt elf Veranstaltungen.
Ziel war, mit Menschen über Demokratie ins Gespräch zu kommen, die man sonst nicht erreicht, und Demokratie sichtbar zu machen, formulierte es der baden-württembergische Volkshochschulverband. Ganz unterschiedliche Kooperationen hatten sich in Mannheim im Vorfeld entwickelt. So arbeiteten an dieser Veranstaltung mit Bermuda.Funk, Caritasverband, Deutsch-Türkischem Institut für Arbeit und Bildung (DTI), Friedrich-List-Schule, Abendakademie, Institut für Integration und interreligiöse Arbeit, Marchivum, Marie-Curie-Realschule, Medien und Bildung Rheinland-Pfalz, Nationaltheater, Ökumenischen Bildungszentrum Sanctclara, Popakademie und Stadtbibliothek ganz verschiedene Akteure mit bunten Aktionen mit.
„Wo sollte diese Veranstaltung sonst stattfinden, als an einem Ort, an dem Bildung für alle vermittelt wird?“, fragte die Leiterin für Kommunikation an der Abendakademie, Frauke Kühnl. Jung und Alt trafen sich an diesem zentralen Ort inmitten der Quadratestadt, um sich miteinander auf Augenhöhe auszutauschen und sich mit der Demokratie auseinanderzusetzen.
Und Höhepunkt des Abends war zweifellos der Auftritt von Schroeder. Bundeskanzler Olaf Scholz, Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, Umweltminister Robert Habeck oder Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger parodierte er, was zu Gelächter im Publikum führte. Schroeder outete sich als Grünen-Wähler, folge aber erst einmal seinen eigenen Vorstellungen von einer besseren Welt - und die beginnt für ihn beim Tempolimit von 130 Stundenkilometern, das er vehement einforderte. Das sollte allerdings nur tagsüber gelten, nicht aber nachts, wenn er nach einer Vorstellung irgendwo im schwäbischen Hinterland wieder nach Hause wolle. Da müsse er doch mit 250 Stundenkilometern über die Straßen brettern, sonst käme er ja nie heim.
Der Vorplatz wird innerhalb einer halben Stunde richtig bunt
Kein schlechtes Gewissen, so Schröder, müsse haben, wer lieber drei Mal im Jahr nach Mallorca fliegt, weil es an der Ost- und Nordseeküste zu kalt sei. Seine Lieblingssendung im Fernsehen sei Markus Lanz. Dauergast Karl Lauterbach wolle eben nur Krankenhäuser schließen, in denen es mehr Tote als Kranke gebe, gab Schroeder zum Besten. Soziale Medien wie Facebook, X oder TikTok geißelte er als Untergang des Abendlandes. Im Gespräch mit Frauke Kühnl bekannte er allerdings ernsthaft, jeder müsse für die Werte einstehen, für die er selbst stehe, damit die Demokratie nicht von rechten Kräften unterwandert werde. Auch wenn es manchmal deftig war, wurde Schroeder mit „Mannemer Dreck“ herzlich und mit viel Beifall verabschiedet.
Auf dem Vorplatz informierte der Fachbereich Demokratie der Stadt über bürgerschaftliches Engagement. Stephan Rixecker von der km 42 Kunstgesellschaft lud alle ein zu der Sprayaktion: „Fußspuren der Demokratie - Du hast ne Meinung? Dann mach sie sichtbar“. Alle durften ihre Vorstellungen von Demokratie auf den Platz sprühen. „Das lief besser, als wir es erwartet hatten“, so der Initiator. Nach einer halben Stunde war der Platz nämlich schon ziemlich schön bunt.
Was gab’s noch? Zum Beispiel ein Vortrag über die Wiege der Demokratie. Zwischen dem 7. und 4. Jahrhundert vor Christus hatte die Demokratie ihren Ursprung in Griechenland genommen. Später verlor die Art des Herrschens wieder an Bedeutung. Im Mittelalter gab es hauptsächlich Stände- und Feudalgesellschaften, die von sozialer Ungleichheit geprägt waren.
Ein Film über Ausgrenzung regt zum Nachdenken an
In einem anderen Workshop wurde anhand des Lebenslaufes von Zilli Schmidt (1924-2022) über Rassismus gegenüber Sinti und Roma aufgeklärt. Nach einer glücklichen Kindheit wurde sie 1943 schließlich in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht, das sie überlebte. Immer wieder hatte sie um Wiedergutmachung gekämpft. Als Zeitzeugin berichtete sie viele Jahre über die Ausgrenzung von Sinti und Roma während der NS-Zeit.
Einen etwas anderen Ansatz wählte der Workshop zu antimuslimischem Rassismus, in dem es um alltägliches Ausgrenzen von Minderheiten und Andersdenkenden ging. In einem Film wurde aufgezeigt, wie ein syrischer Junge immer wieder gehänselt und geärgert wird, weil er „anders war“. Schließlich wird er als Streetdancer erfolgreich und kommt auch persönlich in Deutschland an. Er träumte aber weiter davon, in seine Heimatstadt Damaskus zurückzukehren. Anhand dieses Beispiels wurde über Rassismus diskutiert.
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