Mannheim. Die Erwartungshaltung ist so stark, dass sie sich in dem proppenvollen Kinosaal fast greifen lässt. „Es ist echt großartig, was er und seine Freunde getan haben. Jetzt will ich ihn einfach mal live erleben“, sagt Anna. Die 17-Jährige ist eine der 456 Zuschauer im restlos ausverkaufen Cineplex, die eines gemeinsam haben: Sie wollen die Doku-Serie „Tierbrücke“ sehen. Und natürlich Malte Zierden, der zusammen mit weiteren Tierschützern seit über zwei Jahren ein gewaltiges Projekt vorantreibt: den Bau eines Heims für Kriegstiere in der Ukraine.
Von urkomischen Laienhandwerker-Pannen bis zu berührenden Begegnungen mit Menschen – die in einem Kriegsland bleiben, um für Tiere da zu sein – nehmen die Tierschützer ihr Publikum mit auf eine Achterbahn der Gefühle zwischen Glücksgefühlen und tiefer Trauer.
Und auf eine Reise, die Malte Zierden, Phia Quantius, Broder Böll und Hubertus Zeck zwar mit jeder Menge Herzblut, aber mit wohl noch viel mehr Naivität in ein Kriegsgebiet führt. Gemeinsam mit der international tätigen Tierschutzorganisation „Notpfote Animal Rescue e.V.“ hatte Malte Zierden vor über zwei Jahren eine Reise nach Berehowe im Westen der Ukraine unternommen und dort ein kleines lokales Tierheim besichtigt, das aufgrund des Krieges völlig überfüllt war. Durch den darauffolgenden Spendenaufruf kamen aus seiner Community über 100.000 Euro zusammen – genug, um ein neues Tierheim für die Region zu finanzieren.
Die Doku erzählt, wie die Tierschützer um Malte Zierden mit der Realität konfrontiert werden
„Ich bin schon sehr gespannt auf den Abend“, gesteht Lea Eichler, die vor dem Cineplex geduldig auf den Einlass wartet. Allerdings nicht allein. „Assistenzhund in Ausbildung“ steht auf dem Geschirr des eineinhalb Jahre alten schwarzen Labradors, der zusammen mit seiner Besitzerin aus Frankfurt zu dem Kinoevent angereist ist. „Ich folge Malte schon jahrelang auf Instagram. Er ist ein großartiger Mensch“, versichert die 25-Jährige. Was ihr besonders an dem gebürtigen Ostfriesen gefällt, sei seine Authentizität und Ehrlichkeit.
Malte Zierden und die „Tierbrücke“
- Malte Zierden wurde am 6. Dezember 1988 in Leer in Ostfriesland geboren. Er begann auf seinem Instagram-Account 2018 seinen Alltag mit seinen Followern zu teilen. „Malte mit der Gaumenspalte“ und sein Zusammenleben mit der Taube „Oßkar“ machten ihn bekannt. Seit 2022 nutzt er seine Reichweite auch für den Tierschutz.
- Er lebt mit seiner Freundin Phia Quantius und den Hündinnen „Ma“ und „1307“, die sie aus der Ukraine gerettet haben, in Hamburg .
- Die fünfteilige Doku-Serie „Tierbrücke“ ist noch bis zum 21. September online zu sehen. Was die Tierschützer besonders dringend suchen, sind Pflegefamilien.
- Weitere Infos unter stream.tierbrücke.commai
So wundert es auch keinen Fan im Publikum, dass Malte Zierden noch vor Filmstart auf die Bühne tritt und neben „Hallo Mannheim“ verkündet, dass er erst mal seine Zahnschiene ablegen müsse: „Sonst lispele ich noch mehr als sonst schon.“ Das Publikum erwidert den Spruch mit Applaus. „Der ist halt locker“, sagt Joschka, der sich zusammen mit Freundin Leonie über den Tierschützer amüsiert, der nun für die kommenden eineinhalb Stunden eine unterhaltsame und nicht gar zu traurige Doku-Geschichte ankündigt. Gewidmet sei sie nicht nur den Tierseelen in Not, sondern auch den mutigen und aufopfernden Helfern vor Ort, „diesen Helden, die dazu beigetragen haben, dass wir dieses Mammutprojekt stemmen konnten“.
Der Content Creator, die Autorin, der Tätowierer, der Musiker, kurzum Menschen mit zwei linken Händen, die wohl mehr Empathie in sich tragen als handwerkliches Geschick: „Tierbrücke – jede Seele braucht ein Zuhause“ erzählt mit viel Herzenswärme und Humor, wie die Träumerinnen und Träumer aus ihrem behüteten Leben in Deutschland mit der Realität samt aller Widrigkeiten des Alltags konfrontiert werden.
Der Film beschäftigt die Zuschauerinnen und Zuschauer emotional
Stützpfosten, die in keinen Bodenpfeiler passen wollen, Sprachbarrieren, Evakuierungen von Tieren an der Front, die Gefahr, dass Handwerker in die Armee eingezogen werden, und Welpen, die das Team aus Trümmern ausgräbt und im Tierheim versorgt: Filmemacherin Annika Munkler ist immer nah dran, wenn es bei den Helfern was zum Lachen oder auch mal zum Weinen gibt. Unterstützt wird sie dabei von Hofhündin Motzi, die mit einer Webcam am Halsband für besonders authentisches Bildmaterial sorgt.
Wie es den Zuschauern gefallen hat? Annika ringt noch um Fassung und sucht nach passenden Worten. „Es ist so berührend, Tierschutz endlich die Leinwand geben zu können, die es so dringend braucht“, sagt die 32-Jährige: „Ich bin gerade so überwältigt, dass ich noch gar nicht mehr sagen kann.“ Ganz ähnlich geht es der 37-jährigen Sina und ihrer Frau Kathrin, die ihr Zuhause mit vier Tierschutzkatzen teilen. Sie haben während der Dokumentation viel, aber nicht nur gelacht: „Es war wunderschön, aber ein Taschentuch hätte man schon brauchen können.“ Auch sie sind noch sehr beschäftigt mit dem, was sie gerade gesehen haben.
Dafür wird’s in der Fragerunde mit Malte und seinen Freunden gleich umso lebhafter. Eine Tierschützerin stellt in der Doku klar, dass viele Besitzer von Hunden und Katzen gar nicht mehr leben oder bei der Flucht ihre Lieblinge zurücklassen mussten: „Das macht sich sicher niemand leicht, solch einen Entschluss zu fassen. Das wünsche ich niemandem, dass er zu so etwas einmal gezwungen ist.“
Doku von Malte Zierden, eine junge Frau will wissen: „Wie haltet ihr das nur aus?“
Dennoch treibt eine Zuschauerin eine Frage besonders um: „Wenn ihr in ein Kampfgebiet kommt und Dutzende von herrenlosen Tieren findet, wie wählt ihr aus, welches mitkommen darf?“ Malte erklärt, dass die verletzten Patienten, die sich nicht aus eigener Kraft helfen können und sonst keine Chance hätten zu überleben, Vorrang haben: „Dann müssen wir solche Vierbeiner auswählen, die aufgrund der Vorlieben der Menschen leicht vermittelbar sind.“
„Danke für eure tolle Arbeit“, sagt eine junge Frau. In Anspielung auf die traurigen Schattenseiten des Tierschutzes will sie wissen: „Wie haltet ihr das nur aus?“ Die Antwort von Phia, der Freundin des Content Creators, kommt prompt: „Malte und ich gehen in Therapie.“ Und ergänzt, begleitet vom Applaus des Publikums: „Ja, das ist auch für unsere Herzen manchmal zu viel.“
Zudem hätten sie ein liebevolles Team, wo man sich gegenseitig auffange. Und sie hätten von „Notpfoten“-Gründerin Babette Terveer und ihrem Mann Tom und deren international tätiger Organisation gelernt, sich auf jede Seele zu konzentrieren, die sie gerettet hätten. „Egal ob es die einer Ente ist, einer Ratte oder die von einem Fundhund“, resümiert Malte, der sich ebenfalls sehr offen dazu bekennt, dass er sich therapeutische Unterstützung holt. Schließlich sei Tierschutz, „das Schlimmste und zugleich das Schönste, das ich jemals gemacht habe.“
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