Mit Quarantänezwingern

Freude im Mannheimer Tierheim über neues Hundehaus

Rund eine Million hat es gekostet, jetzt ist es fast fertig – wie der Mannheimer Tierschutzverein die Finanzierung seines neuen Hundehauses stemmen konnte.

Von 
Steffen Mack
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Wem da nicht das Herz aufgeht, der hat für Hunde keines: Ein Staffordshire-Mischling in einem der neuen Quarantäne-Zwinger. © Steffen Mack

Mannheim. Eine Kangal-Hündin in einem Außenzwinger begrüßt Thomas Gebhardt mit wütendem Bellen. „Ja, ja, ich weiß. Du magst mich nicht“, seufzt der Vorsitzende des Mannheimer Tierschutzvereins und somit Tierheim-Chef. Er erzählt, die Hündin sei an der Pfote verletzt gewesen. Da er sie dann behandelt hat verbinde sie mit ihm den damaligen Schmerz. Zu den anderen Beschäftigten sei sie deutlich freundlicher.

Kangals zählen zu den schwierigsten Fällen hier. Die Hirtenhunde, in der Türkei zur Abwehr von Wölfen und Bären gezüchtet, sind nur für erfahrene Halter mit sehr viel Platz geeignet. Doch aus welchen Gründen sie in einer Großstadt wie Mannheim eher angeschafft werden, zeigt die Geschichte vom Vorgänger der bellenden Hündin, der beim letzten „MM“-Besuch vor zweieinhalb Jahren in jenem Zwinger war. Er hieß Pascha, aber im Tierheim nannten sie ihn Kopi. Das stand für „Kein-Ohr-Pascha“, ein früherer Besitzer hatte ihm die Ohren abgeschnitten. Wohl damit der Hund im Kampf nicht daran gepackt werden konnte.

Diese Geschichte immerhin hat ein Happy End. 2022 nannte Gebhardt die Chance, Pascha alias Kopi zu vermitteln, gleich null. Doch nun berichtet er, wider Erwarten habe sich ein Spediteur mit großem eingezäunten Gelände gefunden. Dort lebe der Kangal nun friedlich zusammen mit einem anderen Hund, sogar ein Kind gebe es dort.

„Gassi-Geher“ und „Katzen-Streichler“ sind willkommen

Dann zeigt Gebhardt die neuen Quarantänezwinger, Anlass für diesen Besuch. Das neue Hundehaus ist so gut wie fertig, an diesem Samstag wird es offiziell eröffnet. Aus Kostengründen nur im Beisein geladener Gäste. Als Höchstrangige kommt Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell. Die Umweltdezernentin von den Grünen ist eine große Tierfreundin, wie etwa ihre Begeisterung beim Auswildern von Feldhamstern beweist.

Fast jeder Hund, der im Mannheimer Tierheim landet, kommt für medizinische Untersuchungen zunächst mal in Quarantäne. In der Regel nur für wenige Tage, bei Tieren aus dem Ausland mit möglicherweise ansteckenden Krankheiten kann das aber auch mal bis zu drei Monate dauern. © Steffen Mack

Die Baukosten wurden mit rund 840.000 Euro kalkuliert, jetzt liegen sie bei rund einer Million. Die Anteile von Stadt (112.500 Euro, im Oktober 2023 einstimmig vom Gemeinderat beschlossen) und Land (150.000 Euro) bleiben unverändert. Den großen Rest muss der Tierschutzverein aus Eigenmitteln stemmen. Er ist auf Spenden, Zuschüsse, Erbschaften und Sponsoren angewiesen. Und natürlich auf das Engagement seiner vielen Ehrenamtlichen, wie Gebhardt betont, wozu auch „Gassi-Geher“ und „Katzen-Streichler“ gehörten.

Momentan jedoch darf niemand zum Streicheln der Katzen kommen, ihr Haus ist gesperrt. 53 auf einen Schlag wurden in einer Mannheimer Zwei-Zimmer-Wohnung beschlagnahmt, großteils in verwahrlostem Zustand und mit ansteckenden Krankheiten.

Im Jahr 1927 wurden im Mannheimer Tierheim rund 2.000 Hunde erschossen

Kommen Hunde neu ins Tierheim, müssen sie für medizinische Untersuchungen erstmal in Quarantäne. Meist ist die laut Gebhardt nach wenigen Tagen beendet. Aber bei Vierbeinern aus dem Ausland könnten es aus Infektionsschutzgründen auch mal drei Monate sein.

In einem der neuen Zwinger hüpft ein Staffordshire-Mischling hoffnungsvoll hoch und sucht Blickkontakt. Mit fast 15 Jahren Hundehalter-Erfahrung und Kenntnis unzähliger Hunde ist der erste Gedanke: „Mit dem würde ich schon klarkommen.“ Nach dem, was Gebhardt dann erzählt, wahrscheinlich eine Fehleinschätzung. In der Zeitung soll das aber besser nicht stehen, das Vermitteln ist schon so schwierig genug.

Die neuen Zwinger haben höhenverstellbare Wassernäpfe, die sich automatisch auffüllen, wenn sie leer sind. © Steffen Mack

In einer Stadt wie Mannheim kämen nun mal in erster Linie Hunde mit problematischen Vorgeschichten ins Tierheim, sagt Gebhardt. Die wieder hinzubekommen, dauere Monate, manchmal Jahre. Zum Glück hätten sie einen sehr guten Honorar-Hundetrainer. „Lesen Sie mal auf Wikipedia nach, wie das früher hier war“, empfiehlt Gebhardt. Er habe das neulich getan. Dort stehe, dass 1927 rund 2.000 Hunde im Mannheimer Tierheim erschossen worden seien, an einzelnen Tagen bis zu 70. Zuvor hatte die Stadt demnach die Hundesteuer drastisch erhöht.

Neubau des Hundehauses im Mannheimer Tierheim „großer Fortschritt“

Als große Ausnahme habe er kürzlich entschieden, einen Hund einschläfern zu lassen, erzählt Gebhardt. Aber nur, weil der unter großen Schmerzen gelitten habe und ihm medizinisch nicht mehr zu helfen gewesen sei. Aus Tierschutzgründen komme heute nicht mal das Töten von Ratten und Mäusen infrage, wenn die – etwa zuvor als Schlangenfutter gehalten – mal hier landeten.

Zwischen 150 und 170 Tiere würden täglich auf der Friesenheimer Insel betreut. Weitere seien auf Stationen bei Privatleuten außerhalb ausgelagert. „Wir sind absolut voll“, betont Gebhardt. Von Privatleuten würden schon seit Corona keine Tiere mehr angenommen, nur bei der Stadt seien sie vertraglich zur Aufnahme verpflichtet.

Die Klappen hin zum Außenbereich lassen sich per Reißleine von außerhalb der Zwinger öffnen. Das dient der Sicherheit der Tierheim-Beschäftigten. © Steffen Mack

Dann führt der Tierheim-Chef durchs neue Hundehaus, ebenfalls Quarantäne-tauglich. Die zehn Zwinger haben jeweils zehn bis 16 Quadratmeter Innenfläche und einen großen Außenbereich, die Klappen lassen sich mit Reißleinen von außerhalb öffnen. Höhenverstellbare Wassernäpfe werden automatisch nachgefüllt. Der Neubau sei ein großer Fortschritt, betont Gebhardt. Aber es gebe auch noch allerhand anderes zu tun.

Hinter dem neuen Hundehaus ist noch ein großer Zwinger im Freien. Hier wartet ebenfalls ein Kangal, der Gebhardt – anders als seine Artgenossin am Anfang – begeistert begrüßt. Er hält ihm einen Spielzeug-Bären hin, drückt seinen dicken Kopf ans Gitter und lässt sich streicheln. Da freut sich sichtlich auch der Tierheim-Boss.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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