Verkehr - „Private Autos nicht privilegieren“

Diskussion um Mobilität der Zukunft bei Mannheimer "Innomake"

Von 
Roland Schmellenkamp
Lesedauer: 
Diskutiert haben unter anderem (v.l.): Matthias Wirtz, Felix Rothagen, Miriam Caroli sowie Moderator Marc Kuhn. © Roland Schmellenkamp

Mannheim. Sieben Gäste und ein Moderator, die zu „Wie kann die Verkehrswende gelingen? Müssen wir zukünftig alle auf unseren privaten Auto verzichten? Kann der ÖPNV die Basis für nachhaltige Mobilität sein?“ reden. Der Programmpunkt bei „Innomake“ konnte nur oberflächlich werden: zu viele Redner und Themen sprach Moderator Marc Kuhn, Professor an der Duale Hochschule Stuttgart, in der Online-Gesprächsrunde an. Entsprechend war die Zuschauerresonanz beim Livestream: Von Anfangs ein Dutzend schrumpfte sie auf einen - den Journalisten des MM.

Dass man durchaus aufs Auto verzichten kann, wurde bei der Eingangsfrage klar: Nur einer war nicht mit öffentlichem Nahverkehr oder Fahrrad zur Dualen Hochschule Mannheim gekommen. Sogar fast autofrei lebt Marco Schmidt mit seiner Familie: Seit 2017 haben sie den eigenen Wagen abgeschafft. In manchen Situationen würde es allerdings fehlen: Zum Beispiel wenn es regnet, eine Veranstaltung der Kinder kurzfristig verlegt wird und bei der Heimfahrt von Familienbesuchen. Allerdings leihen sich die Schmidts auch manchmal ein Auto.

Innomake

Das Innovationsfestival Mannheim mit dem Namen „innomake!“ dauert noch bis zum 29. Oktober.

Über die zahlreichen Veranstaltungen wird auf www.innovationsfestival-mannheim.de informiert.

Die Veranstalter haben ein großes Spektrum und reichen von Cybersecuity über Nachhaltigkeit, Energiechecks für Unternehmen und fairen Handel bis hin zu Coworking, Wasserstoff und Automatisierung.

Die Stadtmarketing Mannheim GmbH hat „innomake!“ gemeinsam mit NEXT MANNHEIM organisiert, es soll die Teilnehmer vor allem inspirieren. 

Lange Verfahren

Autoverleih betreibt auch Stadtmobil, dessen Vertreterin Miriam Caroli betont: „Wenn eine Mobilitätswende gelingen soll, darf der private Pkw nicht mehr privilegiert werden.“ Zwar gebe es aus Studien die Erkenntnis, dass ein Carsharing-Auto rund 20 private Pkw ersetzt, aber der Bestand sei in Deutschland insgesamt gestiegen. Sie rechnet damit, dass er in den nächsten zehn Jahren nicht relevant sinken werde, für eine Verkehrswende benötige man einen „langen Atem und einen Kulturwandel“. Es stelle sich die Frage, welches Maß an Mobilität man benötigt. Früher habe es das Ziel gegeben, dass jeder Bürger innerhalb von zehn Minuten auf der Autobahn sein kann. Man müsse sich jedoch von der Vorstellung verabschieden, dass alles möglich sei, sprich: Gleichzeitig in Ruhe ländlich wohnen und in zehn Minuten in der Stadt im Theater zu sitzen.

Für solche Strecken ist auch der RNV zuständig. Thomas Czech erklärte, dass die Schiene das größte Potential für eine Stadt wie Mannheim habe. Jedoch dauert es bei neuen Strecken vom Planfeststellungsverfahren bis zur Fertigstellung über zehn Jahre, deshalb stellt er den Plan des Landes bis zum Jahr 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV zu haben in Frage: „Heute können wir eine Verdichtung in erster Linie mit Busverkehr machen.“ Er fordert deshalb von der Politik, die Verfahren zu beschleunigen. Begeistern können man die Menschen für den ÖPNV mit einem guten Angebot, sprich Komfort, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Der Preis spiele eine untergeordnete Rolle, wobei schon heute der Nahverkehr in Bezug zum Auto konkurrenzfähig sei - viele Autofahrer würden sich bei der Kalkulation ein wenig selbst belügen. Weiter sei es wichtig, die Angebote näher an die Kunden zu bringen, zum Beispiel über Handy-Apps.

Mehr zum Thema

Stadt der Zukunft

Mitmachen, mitreden, mitdenken beim Innomake Festival in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Stefanie Ball
Mehr erfahren
Diskussion um „Masterplan Mobilität 2035“

Grüne Welle für Radfahrer in Mannheim?

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren

Kosten von Parkplätzen

Stichwort Digitalisierung: Robert Thomann von der sMArt City Mannheim GmbH möchte Impulse geben, damit die Leute auch mal ungewohntes ausprobieren - zum Beispiel mit einer App die über einen kostenlosen Fahrtag im ÖPNV informiert. Auch er sieht beim Fahrrad Potential: „In Kopenhagen und Amsterdam ist es ein Vergnügen mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.“ Dort werde in diesem Bereich auch viel mehr investiert als in Deutschland. Caroline Golly von der Klimaschutzagentur Mannheim wünscht sich in der Stadt viele Verbesserungen: So sei der parkende Verkehr eine Gefahrenquelle, „ich habe beim Fahrradfahren in einigen Straßen immer Angst, dass plötzlich eine Autotür aufgeht“. Weniger Parkplätze würde mehr Freiflächen bedeuten, die für Begrünung genutzt werden könne, was eine bessere Luftqualität und etwas geringere Temperaturen im Sommer möglich macht. Was sie besonders ärgert ist die Poserszene: „Autos werden spazieren gefahren und präsentiert.“ Andererseits solle man beim Thema Auto nicht dogmatisch sein: „Auf dem Land wo nur einmal am Tag ein Bus fährt funktioniert autofrei nicht.“ Golly spricht sich für mehr Kostentransparenz aus: „Aktuell muss jemand der ein großes Auto fährt so viel für den Parkplatz bezahlen wie für ein kleines.“

Stichwort Kosten: Matthias Wirtz von der Ortsgruppe Rhein-Neckar des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) möchte externe Kosten den Verkehrsmitteln zuordnen, zum Beispiel das genannte Parken. Die öffentlichen Stellplätze werden von allen Bürgern bezahlt, die Beträge fürs Anwohnerparken seien nicht kostendeckend. Aber andererseits ist er kein genereller Autogegner: „Verschiedene Verkehrsmittel haben verschiedene Stärken und Schwächen. Man muss schauen zu welchen Wegen welches am besten passt.“ Was er vermisst, ist ein Umdenken bei der Planung, so werde in Ludwigshafen für die Hochstraße Süd ein Ersatzbauwerk geschaffen. Er habe sich jedoch erhofft, dass es eine Diskussion darüber gibt „ob es auch anders geht, also die Stadt grundlegend zu verändern“. Für eine Innovation im Bereich Fahrrad steht Felix Rothagen: Der Student hat mit anderen den Biketree entwickelt, ein sicheres Abstellsystem. Nächstes Jahr soll das erste Exemplar gebaut werden.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen