Kommunalwahl 2024

Diese Stadträtin tritt bei der Kommunalwahl in Mannheim nicht mehr an - das ist der Grund

Am Wochenende nominieren CDU und Grüne ihre Listen für die Kommunalwahl. Nachdem mit Thomas Hornung und Katharina Funck bereits zwei CDU-Stadträte ihren Rückzug erklärt haben, tritt nun auch eine prominente Grüne nicht mehr an - aus den selben Gründen

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Sebastian Koch
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2024 wird in Mannheim ein neuer Gemeinderat gewählt. © Robert Michael

Mannheim. Wenn Mannheim am 9. Juni 2024 einen Gemeinderat wählt, endet eine der wohl ereignisreichsten Wahlperioden. „Seit Jahren folgen Krisen auf Krisen“, sagt Stefanie Heß. Die Pandemie, die zum einen mit sinkendem Vertrauen bis hin zu offenem Hass gegenüber politischen Institutionen und zum anderen mit einer tiefen Spaltung der Gesellschaft einherging. Der Ukraine-Krieg mit all den erschütternden Schicksalen auf der einen Seite und den wirtschaftlichen Folgen auf der anderen, der stärker spürbare Klimawandel in einer der heißesten Städte Deutschlands, dazu die Oberbürgermeisterwahl, die auch die Fraktionen gefordert hat, und der Überfall der Hamas auf Israel, dessen Folgen sich auch auf Mannheims Straßen zeigen. Zudem Haushaltsberatungen in Zeiten klammer Kassen und das Dauerthema Migration. „Seit ich im Gemeinderat bin, hat es eigentlich keine Verschnaufpausen gegeben“, sagt Heß.

Gründe nominieren Liste für Kommunalwahl: Stefanie Heß kandidiert nicht mehr

Stefanie Heß. © grüne/Tobias Koch

Am Samstag nominieren die Grünen ihre Liste für die Kommunalwahl. Der Name einer ihrer beiden Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktion wird auf dieser Liste fehlen: Stefanie Heß verzichtet auf eine Kandidatur, erklärt sie dieser Redaktion. Ihr fehle absehbar die Zeit, Beruf und Familie mit zwei Töchtern mit dem Mandat zu vereinbaren. Bislang war dies möglich, weil ihr Ehemann Elternzeit genommen hatte. Nun steige auch er wieder in den Beruf ein. „Das Ehrenamt im Gemeinderat hält sich an keine regulären Arbeitszeiten wie zum Beispiel ein Berufsparlament, in dem zumindest Sitzungszeiten planbar sind.“

Heß ist seit Sommer 2019 Stadträtin. Im darauffolgenden Oktober wählte sie die Fraktion als Nachfolgerin für Dirk Grunert an ihre Spitze - zunächst mit Melis Sekmen, seit April 2022 mit Nina Wellenreuther. „Ich werde die Wahlperiode natürlich engagiert zu Ende führen.“

Zur Wahrheit gehört auch, dass hinter ihr und der Fraktion auch intern komplizierte Jahre. Neben den schwierigen politischen Aufgaben musste die Fraktionsspitze sechs personelle Wechsel managen - so viele wie keine andere Fraktion. Die meisten Mitglieder der zeitweise 13 und nun elf Köpfe zählenden Fraktion legten ihre Mandate nieder, weil sie in Ämter gewählt worden waren oder die Stadt aus privaten Gründen verlassen hatten. Dennoch bedeutet jeder Wechsel viel Aufwand. „Ein Vorstand muss nach jedem Wechsel die Karten so mischen, dass der Laden weiterhin funktioniert“, hatte der damalige Fraktionsvize Gerhard Fontagnier im März dieser Redaktion erklärt. Im Sommer verließen mit Olaf Kremer und Markus Sprengler auch zwei Stadträte die Grünen im teils öffentlich ausgetragenen Streit. Zuletzt war zu hören, dass es in der Fraktion ruhiger geworden sei.

Kein endgültiger Abschied - Stefanie Heß kann sich Rückkehr vorstellen

Das alles seien aber Herausforderungen gewesen, die zum politischen Geschäft eben dazugehörten, sagt die Fraktionsvorsitzende. „Dass ich nicht mehr kandidiere, hat keine politischen Gründe“, stellt Heß auf Nachfrage klar und verweist auch auf Erfolge der Fraktion, etwa den Klimaschutzaktionsplan.

Thomas Hornung (CDU). © Tobias Koch

Als Fraktionsvorsitzende ist Heß die erste Stadträtin der laufenden Wahlperiode aus vorderster Reihe, die nicht mehr antritt. Zuletzt hatten bereits auch langjährige Mitglieder anderer Fraktionen ihren Verzicht erklärt - vergangene Woche etwa Katharina Funck und Thomas Hornung (beide CDU, kleine Bilder), die dies ebenfalls mit fehlender Zeit begründen. „Mein Fokus liegt auf der Familie. Das lässt sich auf Dauer nur schlecht unter einen Hut bringen mit einem Sitz im Gemeinderat, sofern man das Mandat ernst nimmt und über die verpflichtenden Sitzungen hinaus Einsatz bringt“, teilte Funck mit. Hornung erklärte, das Gemeinderatsmandat sei, „sofern man es ernst nimmt und über die verpflichtenden Sitzungen hinaus Einsatz bringt“, mit einer nicht selbstständigen Tätigkeit als Führungskraft „kaum vereinbar“.

Katharina Funck (CDU). © Tobias Koch

Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen beginnen am Nachmittag und dauern nicht selten bis in den Abend an. Zur Vorbereitung müssen Vorlagen studiert und Gespräche geführt werden. Auch an Wochenenden stehen laut mehreren Stadträtinnen und Stadträten nicht selten Termine an, die im Zuge des Mandats wahrgenommen werden.

Obwohl es ihre Situation derzeit nicht zulässt, will Heß ihren Rückzug keinesfalls als Beklagen verstanden wissen, schon gar nicht dadurch Interessierte, vor allem Frauen, abschrecken, Ämter zu übernehmen. „Ich habe mein Mandat gerne erfüllt.“ Auch deshalb soll ihr Verzicht kein Abschied sein. „Ich kann mir vorstellen, mich für die Grünen in ein paar Jahren wieder auf ein Amt oder ein Mandat zu bewerben.“

Mannheimer Stadtrat Thomas Hornung wünscht sich Professionalisierung

Die Tür scheint offen zu stehen. Man habe mit Heß „stets mit großer Wertschätzung“ zusammenarbeiten können und bedaure den Rückzug, erklären die Kreisvorsitzenden der Grünen, Tamara Beckh und Ines Joneleit. „Wir können ihre Entscheidung nachvollziehen und werden sicherlich in vielen anderen Bereichen der Partei noch viel zusammen bewegen können.“

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Und was muss bewegt werden, um Stadträtinnen und Stadträte zu entlasten? Ihre Fraktion schlage seit Jahren feste Sitzungszeiten mit festen Redezeiten und planbaren Enden vor, sagt Heß. „Es geht ja nicht nur um Menschen, die Kinder haben, sondern auch um viele andere, die in Care-Arbeit oder anderweitig berufstätig sind.“ Zudem müsse man darüber diskutieren, ob in Städten der Größe Mannheims das Ehrenamt in der Kommunalpolitik auf Dauer „machbar“ sei oder die Politik professionalisiert werden müsse.

Auch Hornung will im Gespräch nicht klagen. Dennoch wünscht auch er sich eine Professionalisierung. 15 bis 20 Stunden pro Woche investiere er durchschnittlich in sein Mandat, in stressigen Wochen bis zu 30 - für 1000 Euro im Monat. „Einigermaßen bescheiden“ rechnet er vor, dass es für einen Zwei-Tages-Job in der entsprechenden Besoldungsgruppe im öffentlichen Dienst etwa 2500 Euro gäbe. Hornung schlägt eine Erhöhung der Vergütung in einem ersten Schritt auf etwa 1500 Euro vor, um ein Angestelltenverhältnis „wenigstens um einen Tag“ reduzieren zu können.

„Es geht mir nicht ums Geld“, sagt er. „Es geht darum, in seinem Beruf auf Teilzeit reduzieren zu können, um der Verantwortung gerecht werden und sich den Aufgaben adäquat widmen zu können.“ Zudem müssten Geschäftsstellen personell aufgestockt werden. „Davon würde die inhaltliche Arbeit der Stadträte und letztlich die Stadtpolitik mit besseren Entscheidungen profitieren.“ Arbeitskreise oder sonstige Sondersitzungen müssten „auf ein absolutes Mindestmaß“ reduziert werden.

Am Dienstag tagte der Sicherheitsausschuss des Gemeinderats. Allein der öffentliche Teil, der um 16 Uhr begann, dauerte mehr als vier Stunden. Anschließend tagten die Mitglieder nicht-öffentlich.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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