Mannheim. Vor dem Sozialgericht geführte Prozesse berühren nicht nur viele Rechtsgebiete, sondern auch unterschiedliche Lebensbereiche. Vizepräsident Jens Senger hat für diese Redaktion eine Auswahl von Entscheidungen aus 2024 und seit Jahresbeginn zusammengestellt – inzwischen alle rechtskräftig.
Kurioser Fall vor dem Mannheimer Sozialgericht: Bäckerbesuch mit Folgen
Wer den direkten Weg zur Arbeitsstelle und auch wieder zurück für einen kurzen Abstecher zum Bäcker oder zu sonst einem Laden nutzt, hat bei einem Wegeunfall juristisch schlechte Karten. Folgender Streit mit einer gesetzlichen Versicherung landete vor dem Sozialgericht: Eine Frau war nach der Arbeit mit Straßenbahn und S-Bahn zum Bahnhof ihrer Heimatgemeinde gefahren, wo ihr Pkw stand.
Die restliche Fahrt nach Hause mit Auto unterbrach sie für einen Einkauf. Unglücklicherweise stürzte die Frau nach dem Besuch einer Bäckerei auf der kurzen Strecke zum Pkw und brach sich dabei den rechten Unterarm. Die zuständige Berufsgenossenschaft sah keinen Arbeitsunfall. Die 12. Kammer des Sozialgerichts urteilte ebenfalls, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung der Schutz durch das Erledigen privater Verrichtungen unterbrochen werde. Selbst wenn sich die Klägerin ein Brötchen geholt hätte, um ihre Fahrtüchtigkeit zu erhalten, sei der Einkauf selbst und der Weg zur beziehungsweise von der Bäckerei nicht versichert gewesen (S 12 U 776/24).
Sozialgericht Mannheim entscheidet: Frau hat keinen Anspruch auf „Abnehmspritze“
Eine Frau mit Adipositas Grad III bekam von der behandelnden Ärztin ein Medikament verordnet, das ihr Sättigungsgefühl steigern und dadurch Abnehmen fördern soll. Um das Präparat mit dem Wirkstoff Semaglutid sollte sich in sozialen Medien ein wahrer Hype entwickeln.
Allerdings wird es von gesetzlichen Krankenversicherungen als teures Lifestyle-Medikament eingestuft und gehört nicht zum Leistungskatalog. Dementsprechend wollte die Kasse nicht zahlen – zu Recht, wie das Sozialgericht mit Hinweis auf einschlägige Richtlinien befand. (Aktenzeichen S 13 KR 20/25).
Spezialwickeltisch wird vom Sozialgericht Mannheim anerkannt
Der Medizinische Dienst hatte in einem Gutachten für einen gesundheitlich stark beeinträchtigten sechsjährigen Jungen, der zu Hause lebt und gepflegt wird, einen elektrisch in der Höhe verstellbaren Wickeltisch mit großer Auflage und Außenumrandung empfohlen. Die Pflegekasse lehnte den Antrag ab – auch mit der Begründung, dass es sich um einen handelsüblichen Gebrauchsgegenstand ohne Verträge mit Leistungserbringern handle.
Das sah die 16. Kammer des Sozialgerichts anders und führte aus: Der Spezialwickeltisch stelle eben keinen gängigen Alltagsgegenstand dar, sondern sei gezielt für kranke wie behinderte Menschen und deren Pflege, beispielsweise durch Angehörige, konzipiert worden. (S 16 P 151/ 24)
Fall vor dem Sozialgericht Mannheim zeigt: Miet-Übernahme vorab klären
Junge Bürgergeldempfänger sollten rechtzeitig beim Jobcenter nachfragen, ob Unterkunftskosten finanziert werden. Ein 20-Jähriger hatte das Elternhaus verlassen und war in eine eigene Wohnung gezogen. Zwar gewährte das Jobcenter den Regelsatz des Bürgergeldes, lehnte aber die Übernahme der Miete ab.
Mit seiner Klage scheiterte der junge Mann, weil das Gesetz vorsieht, dass Personen unter 25 Jahren vor Umzug und Abschluss eines Wohnungsvertrages beim Jobcenter klären müssen, ob die Miete überhaupt bezahlt wird. Der junge Mann hatte versäumt, eine solche Zustimmung einzuholen. (S11 AS 392/25)
Klimaanlage laut Urteil des Mannheimer Sozialgerichtes nicht förderungsfähig
Eine schwerbehinderte Pflegeheimbewohnerin wollte erreichen, dass ihr Zimmer mit Klimaanlage ausgestattet wird. Der Sozialhilfeträger lehnte ab: Zwar gebe es einen Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten – eine Klimaanlage sei jedoch weder Einrichtungsgegenstand noch Haushaltsgerät. Diesen Standpunkt bestätigte die 8. Kammer des Sozialgerichts und befand, dass es sich um keinen „wohnraumbezogenen Gegenstand“ handelt, der eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermögliche.
Zudem bestehe lediglich Anspruch auf Leistungen fürs Heizen. In der Klage war argumentiert worden: Übernommene Unterkunftskosten würden ja auch Ausgaben für die Heizung beinhalten – weshalb naheliegend wäre, ebenfalls eine Klimaanlage zu fördern. Dieser Sichtweise mochte sich das Gericht nicht anschließen. (S8 SO 2182/223)
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