Mannheim. Fürs Foto müssen sie nicht lange laufen. Praktischerweise hängen auf dem Alten Meßplatz, wo sich die ersten Drei von der Klimaliste mit dem „Mannheimer Morgen“ verabredet haben, gleich zwei Plakate von ihnen. Allerdings im Unterschied zu allen anderen Parteien ganz ohne Namen, darauf stehen auch keine Listenplatz-Nummern. „Wir sind ein Kollektiv“, betonen sie.
Als Wahlziel am 9. Juni nennt Spitzenkandidat Joachim Lyschik zwei Mandate. Das ist für eine bislang noch nicht im Mannheimer Gemeinderat vertretene Partei sehr sportlich. Denn das komplizierte Verteilungsverfahren bewirkt zwar, dass für einen Sitz rund ein Prozent der Stimmen reichen kann. Für einen zweiten sind allerdings erfahrungsgemäß drei bis vier Prozent erforderlich.
Im Unterschied zu den Wählerinitiativen „Die Mannheimer“ und „Schützt die Autos“, die ebenfalls erstmals bei einer Kommunwahl antreten (zu beiden später mehr), mischt die Klimaliste jedoch schon seit längerem hier in der Lokalpolitik mit. Daher hofft sie nun auf ein entsprechend gutes Ergebnis.
Dass ihr Name Programm ist, versteht sich von selbst. Gerade eine Stadt wie Mannheim, die zu den heißesten in Deutschland zähle, müsse dringend mehr gegen den den Klimawandel tun, sagt die Listenzweite Jessica Martin. „Wenn wir nicht gegensteuern, ist bald alles vorbei.“
Wird die LI.PAR.Tie mit der Klimaliste zur „Lipartiekl“?
Martin engagiert sich seit rund vier Jahren für die junge Partei, sie war zuvor in keiner anderen. Lyschnik und Lukas Krasnogor, der Dritte im Bunde, sind zuvor bei den Grünen ausgetreten. Die machen ihnen mittlerweile zu viele Kompromisse. Als früherer „Fundi“ stört sich Lyschik neben der Umweltpolitik etwa auch an ihren Haltungen zu Militäreinsätzen und zur Gentechnik. Krasnogor gibt indes zu bedenken: „Wir werden nicht die Welt retten, wenn wir jetzt auch noch auf die Grünen eintreten.“ Das machten andere Parteien schon mehr als genug.
Als wichtigste Anliegen neben dem Kampf gegen die Erderwärmung nennen die Spitzenkandidaten soziale Gerechtigkeit und bezahlbaren Wohnraum. Wobei sie der Klimapolitik schon nahezu alles unterordnen. So lehnen sie einen Neubau der Stadtbibliothek in N 2 ab. Die ist ihnen zwar wichtig, soll aber in einem bereits bestehenden Gebäude untergebracht werden. Und dass die Kommune Cannabis-Clubs bei der Entstehung keine Steine in den Weg legen solle, begründet Krasnogor mit einem interessanten Argument: Beim Anbau der Pflanzen handele es sich doch auch um eine Form von „Urban Gardening“.
Grundsätzlich tickt die Klimaliste, wie die Drei bestätigen, in allen politischen Fragen eher links. Erwartet wird entsprechend, dass sie sich im Gemeinderat mit der Linken zusammentun. Bei der Oberbürgermeisterwahl haben sie bereits deren Kandidatin Isabell Belser unterstützt. Noch sei eine gemeinsame Fraktion zwar nicht fest ausgemacht, aber Gespräche liefen bereits, berichtet Lyschik. Sollten auch die satirische Partei und die Tierschutzpartei wieder dabei sein, könnte aus der LI.PAR.Tie die „LI.PAR.Tie.KL“ werden. Lässt man die Punkte weg, spricht es sich recht flüssig. Die Drei zumindest finden diesen „MM“-Namensvorschlag ganz lustig.
Julien Ferrat sorgte einst als Einzelstadtrat für viel Aufsehen
Vorsitzender und Spitzenkandidat von „Die Mannheimer“ ist ein Junger, aber auch „alter Bekannter“: Julien Ferrat. Er wurde 2014 für die Linken gewählt, obwohl er sich mit ihnen vor der Wahl zerstritten hatte. Als Einzelstadtrat stellte er mal bei Etatberatungen mehr als 200 Änderungsanträge. Mit seinen Videos handelte er sich eine Rüge des Gemeinderats und eine Strafanzeige des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Peter Kurz ein. 2019 bekam die von ihm gegründete „Mannheimer Volkspartei“ nur 0,5 Prozent.
„Die Mannheimer“ seien der 100-prozentige Rechtsnachfolger, sagt Ferrat. Den neuen Namen finde er bürgernäher. Ob er im Falle seiner Wahl ähnlich wie früher agieren würde, hänge auch davon ab, ob er wieder Einzelstadtrat werde - und das wegen „der Aufmerksamkeitsökonomie“ geboten sei. „Langweilig wird es jedenfalls nicht“, kündigt der 32-Jährige an. Im Wahlkampf verzichtet er diesmal auf Aktionen wie ein Bürgergespräch am FKK-Strand.
In ihrem Zehn-Punkte-Programm kritisieren Ferrat und seine Mitstreiter die immense „Steuergeldverschwendung“ fürs Nationaltheater. Sie fordern unter anderem statt verbindlicher Ganztagsschulen flexible Nachmittagsangebote auch in Vereinen, verbesserten und billigeren Öffentlichen Nahverkehr, mehr bezahlbaren Wohnraum sowie stärkere Bürgerbeteiligung.
„Schützt die Autos“ will morgens Fahrrad-Verbot in der City
Die Wählerinitiative „Schützt die Autos!“ besteht aus vier Studierenden. Gegründet hat sie Ayhan Sabah mit seinem Kumpel Cem Ali und dessen Schwestern Gül Melek und Canan Caglayan. Sie wollten junge Menschen für die Wahl gewinnen, die sich sonst nicht für Lokalpolitik interessierten, sagt Sabah. Denen seien drei Anliegen besonders wichtig: mehr Platz für Autos (sowie keine Tempo-30-Zonen mehr) und weniger für Fahrräder (die sollen etwa zwischen 7 und 11 Uhr in den Quadraten verboten sein), polizeiliche Videoüberwachung an Kitas und Schulen sowie kostenlose Busse und Bahnen zwischen 7 und 20 Uhr.
Im Wahlkampf beschränkt sich die Initiative auf Instagram, wo sie 330 Follower hat. Ihr Ziel am 9. Juni seien 4000 Stimmen, sagt Sabah. Selbst die würden nicht reichen. 2019 benötigte die Tierschutzpartei (sie hatte mit 1,1 Prozent von allen Gewählten das niedrigste Ergebnis) mehr als 55 000 Stimmen.
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