Mannheim. Ein Haus als grafisches Motiv ist eine ungewöhnliche Tätowierung. Paul Riedmüller trägt sie am Unterschenkel, er lebt und arbeitet in Wien als freischaffender Maler, Grafikdesigner, Illustrator und Graffiti-Künstler und ist in dieser Szene bekannt unter seinem Künstlernamen „Perkup“.
Das englische „Perk up“ heißt so viel wie „munter werden“ oder „wieder aufleben“. Riedmüller ist der erste Künstler, der im zehnten Jahr der Reihe STADT.WAND.KUNST unter Federführung der Alten Feuerwache eine Wand gestaltet. Sein Werk am Habichtplatz direkt an der vielbefahrenen Straße „Auf dem Sand“ (Verbindung Waldstraße und B38) entstand an drei Tagen und wurde jetzt offiziell eingeweiht.
Das Projekt STADT.WAND.KUNST
- Die Fotoausstellung "Best of STADT.WAND.KUNST" im Kulturhaus Käfertal ist bis zum 10. September jeweils sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Dort gibt es mit der "YOUNITY Gallery" eine Kunstgalerie für "Urban Art" und regionale Künstler.
- STADT.WAND.KUNST ist ein Projekt der Alten Feuerwache Mannheim, der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG und dem Sprühdosenhersteller Montana Cans in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Mannheim . Jeden Sommer werden Künstler eingeladen, um Wände zu gestalten und ein frei zugängliches Museum für Fassadenkunst zu erschaffen.
- Es begann mit einem Aufruf des Künstlerduos HERAKUT, das Wände für ein Bilderbuchprojekt auf der ganzen Welt suchte. Weil die Resonanz der Bürger sehr gut war, entschlossen sich die Kooperationspartner für eine Fortsetzung.
- Von 2013 bis 2023 sind im Rahmen von STADT.WAND.KUNST insgesamt 45 Murals entstanden. Da sechs der großen Wandbilder in der Zwischenzeit abgerissen werden mussten, existieren nun 39 in der Mannheimer Innenstadt, Neckarstadt, Wohlgelegen, der Vogelstang, auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne Benjamin Franklin Village und dem Spinelli-Gelände der BUGA 23.
- Eine Karte, wo die Murals in Mannheim zu finden sind, findet sich hier.
Die rund 100 Quadratmeter sind mit geraden Linien unterteilt, manche Elemente erscheinen „pixelig“, andere wie eine Grafik und zwei weitere haben eher weiche Übergänge und zeigen Landschaften.
Hilfe von Künstlicher Intelligenz
Diese Darstellungsweise ist zum einen persönlich: Der Künstler studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien Malerei und Animationsfilm. Zum anderen ist sie auch typisch für die Welt der unter 40-Jährigen, die mit Computern in allen Lebensbereichen aufgewachsen sind. Der 33-Jährige arbeitet beim Entwurf am Rechner: „Farben oder einen Verlauf zu ändern ist in Sekunden möglich.“
Sein Arbeitsstil sei „experimentell, ein spontaner Prozess, der relativ schnell gehen kann“. Die beiden Landschaftsbereiche des Bildes haben eine Besonderheit: Sie entstanden mithilfe von „Artificial Intelligence“, wurden von einem Computer-Programm gestaltet.
Dabei hat Riedmüller eine Beschreibung eingegeben wie „Bäume in Pastell“, die Software generiert dann ein Bild. Danach hat er noch Details verändert: „Ich arbeite sehr viel digital und bin davon geprägt.“ Das ist auch bei der teilweise „pixeligen“ Ästhetik zu sehen, die an alte Computerspiele erinnert.
Wohnungsfenster im Werk integriert
Die einzelnen Bereiche des neuen Wandbildes haben auch mit den persönlichen Interessen von „Perkup“ zu tun, „Landschaftsmalerei und Stilleben waren schon immer da“. Das entstandene Bild sei sozusagen eher „Paul Riedmüller“ als „Perkup“, sprich: Er hat viel von dem integriert, was er in seinen künstlerischen Arbeiten außerhalb von Graffiti gestaltet. Die geraden Linien im Bild würden, so der Künstler, eine „Spannung erzeugen, die ich mag“.
Das runde grafische Element unten rechts habe keine Bedeutung, ein spontaner Einfall. „Bisher gab es nur gutes Feedback“, betont er. Eine Frau, deren Wohnungsfenster im Bild integriert ist, hat ihm während der Arbeit oft Cola mit Eiswürfeln gereicht, sie sind auch ins Gespräch gekommen. „Die Wandmalerei und draußen zu arbeiten ist für mich wichtig, mitzubekommen, was die Leute über die Kunst denken. Das geht nur, wenn man in der Öffentlichkeit arbeitet.“
Schon als 16-Jähriger hat er an Autobahnbrücken Graffiti gesprüht: „Ich bin schon früh herausgegangen, um zu malen.“ Geprägt hat ihn der Besuch der Kunstschule von Graz und „Nychos“, eine Größe der Graffiti-Szene. In New York hatte er auch mal im Bereich „5Pointz“ gemalt, das in der Szene weltberühmte Lagerhaus-Areal wurde jedoch 2013 abgerissen.
Mit Sprühdose und Schablone
Auf die Frage, was das Motiv für ihn bedeutet, überlegt er lange und sagt dann: „Eine gute Frage! Das Abstrakte funktioniert gut, ich bin zufrieden.“ Er habe gewusst, dass die Wand nicht in der Innenstadt liegt und sich vor dem Entwurf Gebäude und Umgebung mit Google Maps angeschaut. Deshalb habe er Landschaftselemente integriert. Das Werk habe keinen Namen: „Ich tue mir bei der Arbeit mit Titeln schwer. Der ist für mich auch nicht notwendig, das Bild spricht für sich.“
Gestaltet hat er teilweise mit Sprühdose, teilweise mit Wandfarbe, die würfelförmigen Bereiche mit Schablone. Das Motiv hat er als Vorlage dabei, eine Skizze, die in Ein-Meter-Raster unterteilt ist. Zurück zur Tätowierung am Unterschenkel von Riedmüller: „Das Gebäude habe ich von einem anderen Künstler kopiert. Aber aus seiner Malerei habe ich eine Linienzeichnung gemacht, oft interpretiere ich Dinge neu. Wichtig ist für mich mit einer gewissen Vielfältigkeit zu arbeiten.“
Christian Handrich, der Leiter der Alten Feuerwache, bedankt sich derweil beim Projektteam und kündigt an: „Gerade zum zehnjährigen Jubiläum haben alle Beteiligten ein grandioses Programm vorbereitet - wir dürfen mehr als gespannt sein.“
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