Stadtgeschichte (mit Video)

Bordellgasse Lupinenstraße in Mannheim - bereits 1960 scheiterten Umzugspläne

Es begann in der Gutemannstraße, ehe sie 1961 den Namen Lupinenstraße erhielt. Mit der Bordellgasse in Mannheim ist viel Historie verbunden. Nicht nur Moralvorstellungen, auch die hier konsumierten Drogen änderten sich

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Die Lupinenstraße in Mannheim ist immer wieder Diskussionsthema. Wer in der Historie zurückblickt, findet einzigartige Spuren deutscher Geschichte, die es so nur in Mannheim gibt. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Für Furore sorgte, als vor einigen Wochen öffentlich wurde, dass ein Mannheimer Immobilienunternehmen in der Lupinenstraße Grundstücke aufgekauft und mit der Stadt Mannheim Gespräche über eine Verlegung dortiger Bordelle zugunsten von Wohnungen geführt hat. Auch wenn das Projekt auf Eis liegt, nimmt es der „Mannheimer Morgen“ zum Anlass, einen Blick in die Historie der Rotlichtgasse zu werfen.

Und die begann als Gutemannstraße, ehe sie 1961 den Namen Lupinenstraße bekam. Obwohl die Straße am Rand der Neckarstadt-West seit eineinhalb Jahrhunderten für eine wechselvolle Geschichte und unzählige Frauenschicksale steht, ist sie stadtgeschichtlich nur wenig aufgearbeitet worden, wie Marchivum-Chef Ulrich Nieß kommentiert. Er begrüßt, dass die junge Historikerin Louisa van der Does dazu eine Doktorarbeit plant.

Die ersten Umsiedlungspläne der Bordellgasse scheitern

Wie sich manchmal Pläne gleichen: Bereits in den 1960ern stand zur Debatte, Prostitution aus dem schon damals dicht besiedelten Wohngebiet herauszubringen. Das Umsiedlungsprojekt bekam Schub, weil Miet-Pensionen zum Zweck gewerbsmäßiger Unzucht, wie es damals hieß, wegen etlicher Prozesse mit der Stadt schließen mussten.

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Lupinenstraße - die Geschichte der Mannheimer Bordellgasse wird erforscht

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Wie Louisa van der Does berichtet, erwarb ein Privatinvestor, der mehrere Immobilien in der Lupinenstraße besaß, zusätzlich ein Haus in Neckarau für Dirnenunterkünfte. Allerdings sollten dagegen Nachbarn ebenso vehement protestieren wie später Jungbusch-Bewohner, als der Feudenheimer Geschäftsmann ein eindeutig-zweideutiges Appartement in der Werftstraße einrichtete. Und ähnlich wie unlängst das Immobilienunternehmen im Rathaus wegen Ausweichstandorten für Bordelle verhandelte, standen vor sechs Jahrzehnten Agrarflächen in Friedrichsfeld wie auf der Friesenheimer Insel zur Diskussion - begleitet von öffentlich ausgetragener Missbilligung, mal von Bürgern, dann wieder von Landwirten. Und mit einem Eros-Center nahe des Bonadieshafens mochte sich die Stadt nicht anfreunden.

Und so scheiterten die Umsiedlungspläne mit dem Ergebnis, dass die Lupinenstraße 1968 wieder als Bordellgasse eröffnet wurde, um die sich ausbreitendende Prostitution hinter Sichtblenden zu verbannen.

"Das Puffleben" treibt "grelle Blüten“

Im Rückblick mutet kurios an, dass davor in der Lupinenstraße Gastarbeiter des Landmaschinenherstellers „Heinrich Lanz“ (heute John Deere) wohnten. Grund: In die zwischen 1961 und 1968 geräumten Dirnen-Pensionen mochten trotz Wohnungsnot keine Bürger einziehen. Gleichwohl haben dort direkt nach dem Krieg Familien gelebt.

So sah die Lupinenstraße 1964 aus. Damals wurden die Mietpensionen für Dirnen bis 1968 geräumt. © B&N/Marchivum

Beispielsweise ist die Mutter der kleinen Erna, später Joy Fleming, in eines der nicht zerbombten Häuser der Gutemannstraße eingewiesen worden. Obwohl das US-Militär offiziell Prostitution untersagte, trieb „das Puffleben grelle Blüten“, nämlich in angrenzenden Ruinen, wie die Bluesröhre in ihren Erinnerungen „Über alle Brücken“ schreibt.

In ihrem berühmten Neckarbrückenblues ist auch unausgesprochen klar: „De Karl“ geht „iwwa die Brick“ ins Rotlicht-Viertel.

Die wechselvolle Geschichte der Lupinenstraße ist Spiegel sich verändernder Moralvorstellungen. Als 1961 nach jahrelangen kommunalpolitischen Diskussionen das Räumen der Dirnen-Pensionen beschlossen wurde, galt noch der (1969 abgeschaffte) Kuppelei-Paragraph mit satten Strafen, gar Zuchthaus. Der Vorwurf, Unzucht zu fördern, konnte Hotelbetreiber und Witwen, die möblierte Zimmer vermieteten, in Schwierigkeiten bringen, wenn einem verliebten, aber unverheirateten Paar Obdach, besser gesagt eine Schlafstätte gewährt wurde.

Der Straßenname

  • Die Lupinenstraße ist nach der gleichnamigen Zierpflanze benannt und spielt auf „lupa“, Dirne im antiken Rom, an. Bis 1961 galt die Bezeichnung Gutemannstraße, abgeleitet vom einstigen Gewann „Im Guten Mann“. Außerdem heißt die 19. und letzte Querung der Mittelstraße im Volksmund „die Neunzehnte“.
  • Die Doktorarbeit von Louisa van der Does, Universität Mannheim, trägt den Arbeitstitel: „Die Neunzehnte. Eine Straße im Rotlicht. Mannheims Bordellgasse im 20. Jahrhundert“. Ausgeleuchtet werden soll die Zeit von 1903 bis etwa 1985.
  • Die Historikerin bittet um Infos – behördlich, politisch, sozial-karitativ, familiär oder nachbarschaftlich – an Mail lokal@mamo.de oder Telefon 0621/ 392-1318.

Drogen als Konstante in der Lupinenstraße

Zeitsprung: In den Laufhäusern der heutigen Lupinenstraße hat sich viel gewandelt - vor allem die Herkunft von Prostituierten, häufig aus südosteuropäischen Armutsregionen. Dazu kommt, dass Frauen zunehmend mit Sexarbeit ihren Drogenkonsum finanzieren. Gleichwohl ist Suchtproblematik „eine Konstante“ in der Prostitution, so Historikerin van der Does: „Allerdings haben sich die Substanzen geändert.“

Während in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vor allem Kokain und Morphium genommen wurden, „waren ab den 1950ern Medikamente mit aufputschender Wirkung wie die Diätpille Preludin gebräuchlich - auch, um die langen Nachtschichten durchzuhalten.“ Der aufmöbelnde Appetitzügler kursierte nicht nur im Rotlichtmilieu. Auch Künstler, beispielsweise Beatle John Lennon, sollen sich das Weckamin eingeworfen haben.

Bei einem historischen Blick in die Bordellgasse darf nicht fehlen, dass am Anfang der Lupinenstraße zwei Stolpersteine an das Schicksal von Rosa Eckel und Margarethe Stögbauer erinnern. Die „Bordellhalterin und die Dirne“, so der damalige Sprachgebrauch, wohnten im Haus Nr. 14 der Gutemannstraße, wo sie den Lebensunterhalt für sich und ihre kleinen Söhne verdienten.

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Nach dem Luftangriff Mitte April 1943 nahmen sie in dem vom Einsturz bedrohten Keller des zerstörten Nachbarhauses, ebenfalls Bordell, einige Flaschen Wein, Lebensmittel, etwas Holz und zwei Großpackungen Präservative an sich - wovon die Staatsanwaltschaft später durch einen Denunziationsbrief erfuhr. Ein Sondergericht verurteilte die beiden nicht vorbestraften Frauen wegen Plünderung zum Tode.

Gedenken an Frauen, die im Dritten Reich in der Prostitution arbeiteten

Zwei Tage vor Weihnachten erfolgte die Hinrichtung. Die Stolpersteine in der Lupinenstraße - initiiert vom Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim - sind übrigens deutschlandweit die einzigen, die Frauen gedenken, die während des Dritten Reichs in der Prostitution arbeiteten und als „liederliche Frauenspersonen“ diskriminiert wurden.

Und das, obwohl auch Nazis zu den „Freiern“ gehörten und obendrein das NS-Regime seinerseits Bordelle einrichtete, so beispielsweise an der Front.

Freie Autorin

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