Porträts

Der Mannheimer Maimarkt hat viele Gesichter

Von der Stewardess über die Glücksbringerin bis zum Pferdezüchter oder dem Kontrolleur am Eingang – wir haben mit acht zufällig ausgewählten Menschen gesprochen, was für sie der Maimarkt bedeutet.

Von 
Christine Maisch-Bischof und Peter W. Ragge
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Besuchermassen auf dem Maimarkt: Um sie zu informieren und zu versorgen, müssen viele Leute arbeiten. © Michael Ruffler

Mannheim. Damit zwischen 250.000 und 300.000 Maimarkt-Besucher ihren Spaß haben, sich informieren, essen und trinken können, dafür müssen sie arbeiten: Aussteller und ihr Standpersonal, Sicherheitsdienst, Dienstleister, Zulieferer, Reinigungskräfte - etwa 9000 Menschen arbeiten täglich auf dem Gelände. Einige sind uns besonders aufgefallen.

Die Erdbeer-Managerin

„Eine Herzensangelegenheit“ ist der Maimarkt für sie, sagt Schewit Haile. Die 31-Jährige sorgt dafür, dass die Maimarkt-Besucher das bekommen, was für viele von ihnen Kult ist: den Maimarktbecher. Die auf der Schönau aufgewachsene Mannheimerin hat schon als Zehntklässlerin am Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium angefangen, in der Filiale der damaligen Konditorei Zorn auf der Vogelstang zu arbeiten. Als Studentin kam der Maimarkt dazu. Längst hat sie den Bachelor-Abschluss in Internationalem Management in Deutschland und in den USA gemacht, strebt derzeit den Master und dann eine Management-Position an. Aber selbst wenn sie mal in einem Konzern Verantwortung tragen werde, wolle sie weiter beim Maimarkt dabei sein. „Es ist so schön, so familiär, zum Wohlfühlen“, sagt sie. Managerin ist sie hier auch schon längst. Ihre Chefin Katrin Zorn machte sie erst zur Leiterin eines Stands. Dann hatte Schewit Haile die Idee, wo noch ein weiterer Stand auf dem Maimarkt gut wäre - und übernahm den gleich mit. Inzwischen leitet sie alle vier Stände von Katrin Zorn, macht Personalplanung, Bestellungen, Einkäufe. Schon ab 7 Uhr morgens legt das 15-köpfige „Erdbeerteam“ los, die Maimarktbecher zu produzieren. Bald darauf kommen die bis zu 40 Verkäuferinnen. Ob eine oder zwei Tonnen pro Tag Erdbeeren zu bestellen sind – das verantwortet Schewit Haile, basierend auf ihrer langen Erfahrung, dem Wetterbericht und dem Wochentag.

Leitet die Maimarktbecher-Produktion: Schewit Haile. © Christoph Blüthner

Stewardess schenkt ein

Sie war gerade in Barbados, fliegt dann nach Seattle - aber dazwischen ist sie jetzt auf dem Maimarkt: Jennifer Greß. Seit zehn Jahren arbeitet sie bei Odenwald Quelle. Sonst Stewardess bei Condor, nimmt die 39-Jährige jedes Jahr Urlaub, um auf dem Maimarkt Mineralwasser, Fruchtschorle oder Limonade zu verkaufen. Dabei gehe Mineralwasser dieses Jahr besonders gut, aber auch ISO-Getränke, erzählt sie. Geworben hat sie ihre Kollegin Celine Lutz, die noch viel länger bei Odenwald Quelle arbeitet. In Frankenthal geboren und jetzt in Schwetzingen wohnhaft, ist sie gerne auf der ganzen Welt unterwegs, fliegt mal Kurz-, mal Langstrecke. Höchstens zehn Tage in Monat ist sie zu Hause, trifft sich dann gerne mit Familie und Freunden. Aber auf den Maimarkt freut sie sich immer, dafür nimmt sie sich lange vorher frei. „Es macht Spaß, man sieht viele nette Menschen, es ist was los, wir haben einen tollen Zusammenhalt“, schwärmt sie. Zudem würde das Verkaufsteam „von den Chefs gut versorgt“, erzählt sie, dass Odenwald Quelle-Inhaber Andreas Schmidt und seine Frau nicht nur Freigetränke spendieren, sondern auch stets für Essen sorgen. Zum Maimarkt habe sie schon deshalb ein enges Verhältnis, weil sie bereits mit der Schule oft hier gewesen sei.

Aus dem Flugzeug zur Odenwald-Quelle: Jennifer Greß. © Christoph Blüthner

Sie erfüllt Träume

Sie erfüllt Träume, nämlich „Schneeballenträume“, und das bei sommerlichen Temperaturen: Stefanie Diller. Im Schlemmerland kommen zu der 38-jährigen Mutter von drei Kindern immer wieder viele Stammkunden. Eigentlich hat sie Modenäherin gelernt, wechselte dann ins Hotelfach. Aber seit 2011 setzt sie die Familientradition fort, führt Läden in Füssen und Wernigerode, ist zudem auf vielen Weihnachtsmärkten präsent - und auf dem Maimarkt. „Da habe ich mir das anstrengendste Geschäft rausgesucht“, scherzt sie, denn sie sei oft unterwegs. „Aber der Maimarkt ist etwas Besonders, macht viel Spaß, ist familiär und auch für Kinder ist einiges los“, meint sie mit Blick auf ihre zwei Jungs, drei und fünf Jahre alt. Auch ihre zwei Schwestern verkaufen Schneeballen, ihr Bruder macht die Produktion. Bei den Original Rothenburger Schneeballen handelt es sich um ein über 300 Jahre altes fränkisch-hohenlohisches Mürbegebäck. „Früher in Schmalz, heute in Pflanzenfett gebacken“, erklärt sie. Im Original mit Puderzucker bestäubt, bietet sie inzwischen 23 Sorten mit verschiedenen Füllungen zwischen den Teigstreifen. Dabei seien Nougat und das Original mit Puderzucker am beliebtesten. Schneeballen galten lange als Festgebäck zu Hochzeiten und Kirchweihen oder wurden vom Hochadel bei einer Mühlenbesichtigung verzehrt.

Verkauft süße Schneeballen: Stefanie Diller. © Christoph Blüthner

Die Glücksbringerin

Manchmal wollen Besucher ihre Kleidung berühren - denn das soll ja Glück bringen: Larissa Nicolosi ist Schornsteinfeger-Auszubildende. Die 20-jährige Schönauerin ist im dritten Lehrjahr bei Bezirksschornsteinfegermeister Thorsten Badent und hat danach gute Chancen, übernommen zu werden. Nach dem Hauptschulabschluss wusste sie zunächst gar nicht, was sie machen soll. Sie absolvierte ein soziales Jahr, arbeitete in einer Bäckerei. Dorthin gingen Badent und seine Kollegen oft zur Pause. Sie kamen ins Gespräch, da bot er ihr ein Praktikum und dann eine Lehrstelle an. „Man kommt viel rum, hat viel mit Leuten zu tun, sieht viel“, zählt sie die Vorteile ihres Berufs auf. „Und wenn Du auf dem Dach stehst - diese Aussicht, toll, das kann Dir keiner nehmen“, so die 20-Jährige, die früher Leistungsturnen beim TV Waldhof gemacht hat. Auf dem Maimarkt informiert sie in der Halle des Handwerks bei der Schornsteinfegerinnung über ihren Beruf. Mit Gleichaltrigen zu sprechen, „das ist cool, das macht Spaß“. Als Glücksbringerin ist sie aber bei Besuchern aller Generationen gefragt.

Schornsteinfegerin als Glücksbringerin: Larissa Nicolosi. © Christoph Blüthner

Züchter mit weichem Herz

Es ist ein ganz besonderer Moment für jeden Züchter, wenn sein Tier auf dem Maimarkt prämiert wird. Und es ist das Haflingergespann von Kurt Antes, auf dessen Kutschbock er seit 50 Jahren die Zügel in der Hand hat. Schließlich fährt der 71-Jährige in der schmucken Trachtenjacke seit fünf Jahrzehnten die Maimarkt- und Stadtprominenz zur Siegerehrung. Und organisiert die Tierschauen des Pferdezuchtverbands Baden-Württemberg. Dafür ist es ein absolutes Muss, dass er mit seinem Team Tag und Nacht auf dem Mühlfeld präsent ist. Das heißt, alle Helfer müssen sich zehn Tage frei nehmen. Geschlafen wird in Feldbetten in den Tierschauhallen. Stets nur einen Hufschlag von den Lieblingen entfernt, die Kurt Antes Familienmitglieder nennt. Wenn er eine Stute oder einen Hengst verkauft, dann sei das schon manchmal hart. Deshalb sind auch seine Frau Beate und sein Sohn Timo, die ihn jetzt zuhause vertreten, für ihre Pferde stets um einen guten Platz bemüht. Denn so süß sie auch sind: „Der Abschied fällt mir bei den Fohlen am leichtesten. Die sind ja noch nicht so lange bei uns.“ Klar, ein Zuchtbetrieb sei kein Museum. Aber wenn ihn mit einem Tier bereits eine lange Geschichte verbindet oder es gar stirbt, dann fließen schon mal Tränen? Der Pferdeflüsterer nickt: „Jedes Mal, wenn eines geht.“

Er organisiert die Pferde-Schauen: Kurt Antes. © Christine Maisch-Bischof

Maimarkt-Hüter vom Benz

Mit dem Maimarkt verbindet den ehemaligen Qualitätskontrolleur aus der Gießerei „beim Benz auf dem Waldhof“ eine bereits 45-Jahre währende Geschichte. Doch angefangen hat alles ausgerechnet im Finanzamt. Denn dort hat ein Bekannter von Ralf Knaub gearbeitet. Was ihn gewundert habe war, „warum der so braungebrannt ist“. Im Büro könne das ja wohl nicht erfolgt sein. Des Rätsels Lösung: „Der hat in seiner Freizeit nebenher bei einer Security-Firma auf dem Maimarkt gearbeitet.“ Für sage und schreibe acht Mark die Stunde, wie der Mannheimer kopfschüttelnd berichtet. „Mach doch auch mit“, schlug der Bekannte vor: „Da bist du den ganzen Tag an der frischen Luft.“ Heute kann der 68-Jährige so manche witzige Geschichte erzählen. Von den beiden Jungs, die versucht haben, an ihm ein geklautes Surfbrett vorbeizutragen. Oder von dem Kollegen, der den damaligen Messe-Chef Kurt Langer nicht ohne Ticket reinlassen wollte. Was ihm der Maimarkt bedeutet? „Meine Frau sagt immer, du kannst ja nicht ohne leben.“ Wegen der frischen Luft? Da lacht der ehemalige Scharhöfer: „Wegen der Leute von überall her.“

Einer von der Maimarkt-Security: Ralf Knaub. © Christine Maisch-Bischof

Der Spezialitäten-Koch

Ganz und gar undenkbar ist ein Jahr ohne Maimarkt auch für Franz Goetjes, der in seinem kleinen Lokal Schwarzwälder Spezialitäten anbietet. Als denkwürdig ist dem Gastronomen aus Lauterbach noch sein zweiter Maimarkt im Jahre 1978 in Erinnerung: „Am 5. Mai kam mein Sohn zur Welt, und überall lag Schnee. Die Gäste kamen im Pelzmantel, und wir hatten es an den Spätzle- und Wurstpfannen warm.“ Aber er und sein Team hätten auch schon elf Messetage mit 30 Grad Hitze erlebt. Übrigens: Etliche Mitarbeiter kämen auch bereits seit 40 Jahren mit aufs Mühlfeld: „Die waren schon als 16-jährige Schulmädels im Service und sind heute noch dabei.“ Schupfnudeln mit Kraut, Käsespätzle, Schäufele oder Wurstsalat mit Brägele, der badischen Bratkartoffelvariante, Bibeleskäs: Vor allem den traditionellen Gerichten hält der Wirt die Treue. Dennoch: „An Curry-Wurst und Pommes kommen sie heute gerade bei den Jungen nicht mehr vorbei.“ Längst ist der Maimarkt nicht nur ein Fixpunkt im Terminplan des 72-Jährigen: „Ich mache es jedes Jahr wieder mit Freude. Es ist ein ganz fester Bestandteil meines Lebens.“

Franz Goetjes bietet auf dem Maimarkt Schwarzwälder Spezialitäten an. © Christine Maisch-Bischof

Der Olivenflüsterer

Dass Francesco Cipressos Herz nicht nur für seine sizilianische Heimat und deren sonnengereifte Produkte schlägt, insbesondere für die Früchte des Olivenbaums, kann der Wahl-Kurpfälzer aus Ludwigshafen nur schwerlich verbergen. Dennoch ist auch ihm der Maimarkt längst ans Herz gewachsen. Auch wegen der Besucher: „Viele davon sind Stammkunden und machen das Gros meiner Umsätze aus.“ Nach seinem Studium als Agraringenieur in Catania widmete sich der heute 49-Jährige verstärkt den Olivenbäumen des elterlichen Betriebs am Fuße des Ätna. Damals war es mit 60 Bäumen noch eine recht überschaubare Menge. Doch als er 1997 in Sizilien seine Frau Daniela kennenlernte, fing das Paar an, sich intensiv mit der Produktion von Ölen in höchster Qualität aus rein biologischem Anbau zu beschäftigen. Über seine Lieblingsfrucht kann man von dem Fachmann am Stand 12 der Italien-Halle 36 so manches lernen - und beim Probieren von der Sonne Siziliens träumen.

Ein Experte rund um das Thema Oliven: Francesco Cipresso. © Christine Maisch-Bischof

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