Tag des Notrufs

Das passiert in der Leitstelle Mannheim nach einem Notruf

Zum Tag des Europäischen Notrufs 112 ein Besuch in der Integrierten Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst in Mannheim.

Von 
Peter W. Ragge
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Drei bis fünf Plätze sind immer besetzt, manchmal acht: Blick in die Integrierte Leitstelle für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz (ILS) in Mannheim in der Hauptfeuerwache in Neckarau. © Michael Ruffler

Mannheim. „Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst, wo genau ist der Notfallort?“ Über 92.000 mal haben die Disponenten diesen Satz im vergangenen Jahr gesagt - und parallel dazu schon gehandelt. So viele Anrufe sind über die Notrufnummer 112 in 2024 bei der Integrierten Leitstelle Mannheim, die für die Feuerwehr und den Rettungsdienst zuständig ist, eingegangen. Viel Zeit ist nicht, um solche Notrufe entgegenzunehmen. Wenn der Warnton ertönt und zugleich das rote Licht aufleuchtet, bleiben dem Disponenten gerade mal fünf Sekunden. Seit 1991 funktioniert die 112 europaweit als Notrufnummer, und seit 2009 wird der 11. Februar als der Europäische Tag des Notrufs begangen. Grund genug, mal zu schauen, was nach einem Notruf passiert.

Die Leitstelle befindet sich in der Hauptfeuerwache. Zuvor allein für die Feuerwehr zuständig, wird sie seit 2020 als Integrierte Leitstelle betrieben, gemeinsam getragen von Stadt und Rotem Kreuz. Der Jahresetat beträgt etwa 5,2 Millionen Euro. Finanziert wird er in erster Linie über die Krankenkassen, denn sie zahlen je Rettungseinsatz über die Hilfsorganisationen eine Vermittlungsgebühr. Den Kostenanteil für die Feuerwehr muss die Stadt finanzieren, denn Feuerwehr ist eine Gemeindeaufgabe.

43 Mitarbeiter hat die Leitstelle - einschließlich Geschäftsführung, Abrechnung, Systemadministratoren. 28 davon sind Disponenten oder Einsatzsachbearbeiter. Bei ihnen landen alle Notrufe – egal ob medizinischer Notfall, Brand oder Unfall. „Wir sind die zentrale Anlaufstelle für Notrufe in der Stadt Mannheim“, so Geschäftsführer Christoph Scherer. Durch die europaweite Harmonisierung gelangen Anrufer immer direkt zur nächstgelegenen Leitstelle. Rund um die Uhr sitzen, je nach Tageszeit, zwischen drei und fünf Disponenten in der Leitstelle, plus Führungsdienst. Im Notfall oder bei erwartungsgemäß großem Notrufaufkommen, etwa in der Silvesternacht, kann auf acht Plätze erhöht werden.

Per Telefon gibt es Tipps, bis der Rettungsdienst eintrifft

„Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst, wo genau ist der Notfallort?“ Schon während sich ein Disponent mit diesen Worten meldet, wird per Computer ein „Einsatz eröffnet“, wie die Mitarbeiter hier sagen - also eine Bildschirm-Maske, in die alles einzutragen ist. Der Disponent fragt den genauen Ort des Notfalls bis hin zum Stockwerk ab und klärt durch gezielte Nachfragen, wie dringlich ein Anruf ist. Zugleich wird ihm auf einem seiner fünf Bildschirme der Einsatzort angezeigt, auf einem anderen die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge und wo sie sich befinden.

„In lebensbedrohlichen Situationen erfolgt die Alarmierung der Einsatzkräfte bereits parallel während des Gesprächs“, erklärt Scherer. „Unsere Mitarbeiter sind speziell geschult, in Stresssituationen Ruhe zu bewahren und den Anrufern am Telefon schnelle Erste-Hilfe-Anweisungen zu geben“, so der Geschäftsführer. „Hilfe ist unterwegs“, heißt es dann beruhigend. „Sperren Sie Haustiere weg, legen Sie Medikamente bereit, damit der Notarzt sieht, was die Person regelmäßig einnimmt, öffnen Sie die Haustür“, können Anweisungen bei häuslichen Notfällen lauten. Bei Verkehrsunfällen heißt es „Ziehen Sie die Warnweste an“ oder „Betreten Sie nicht unnötig die Fahrbahn“.

Die Integrierte Leitstelle der Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz in Mannheim. © Michael Ruffler

„Damit dies reibungslos funktioniert, ist es wichtig, die 112 nur in echten Notfällen zu wählen“, hebt Scherer hervor. Für nicht akute gesundheitliche Beschwerden steht der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 zur Verfügung. Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen können bundesweit die Notruf-App „nora“ nutzen. Anrufe von einem normalen Mobiltelefon orten die Mitarbeiter innerhalb weniger Sekunden, wenn der Anrufer nicht weiß, wo er ist. Neben Notrufen oder Alarmen der mehr als 650 aufgeschalteten Brandmeldeanlagen erreichen die Leitstelle immer mehr automatisierte Notrufe, etwa automatisiert von Fahrzeugen nach Unfällen oder Uhren, deren Sturz- oder Crashsensoren einen Notruf auslösen

Doch nicht hinter allen der über 92.000 Notrufe steckt wirklich ein Notfall. Böswillige Fehlalarme seien aber selten. „Richtig krass - das sind weniger als 20 Fälle pro Jahr“, so Scherer. Einen Rückgang gebe es bei den sogenannten Taschenanrufen, wenn das Handy in der Hose steckt und automatisch 112 wählt - dennoch verzeichnete die Leitstelle 2024 immer noch mehr als 18.000 unbeabsichtigte Notrufe aufgrund von Fehlbedienungen von Mobiltelefonen.

Es gibt eine gestiegene Anspruchshaltung

Schwieriger sind die Fälle, die kein Notfall sind - aber Hilfe brauchen. Scherer spricht von „Dauerkunden“, die in schwierigen psychischen Situationen anrufen. „Es gibt auch eine verringerte Selbsthilfefähigkeit der Menschen und eine gestiegene Anspruchshaltung.“ Unter Mitarbeitern wird immer noch die Geschichte von dem Anrufer erzählt, der nach einem Stromausfall von der Feuerwehr wissen wollte, was er nun mit seiner Tiefkühltruhe machen solle - per Notruf, wohlgemerkt. Scherer fasst das alles in der Statistik als „Beratungsgespräche“ zusammen. 8400 der Anrufe in 2024 fielen in diese Kategorie. Doch die Beratung habe dazu geführt, dass kein Rettungswagen ausrücken musste.

Aber in immerhin über 47.000 Fällen kam es zu Einsätzen. Davon entfielen 97 Prozent auf den Rettungsdienst und zehn Prozent auf die Feuerwehr. „Häufig sind eben beide Institutionen gemeinsam im Einsatz“, so Scherer. Ein besonders einsatzintensiver Tag war der 15. April 2024, als während eines Unwetters innerhalb einer Stunde über 90 Notrufe eingingen. Der aufwendigste Einsatz des Jahres ereignete sich am 4. Juni 2024, als bei einem Kellerbrand im Stadtteil Casterfeld über 37 Einsatzmittel ausrückten und mehr als ein Dutzend Verletzte zu versorgen waren.

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Von der Leitstelle aus disponiert werden vier rund um die Uhr besetzte Notarzteinsatzfahrzeuge und, je nach Tageszeit, zwischen mindestens acht und 14 Rettungswagen in Mannheim. Insgesamt stehen über 210 verschiedene Einsatzmittel (überwiegend Feuerwehrfahrzeuge, aber auch das Löschboot zählt dazu) zur Verfügung. „Aber in Notfällen wird das nächste geeignete Rettungsmittel entsandt, auch wenn es zum Beispiel von einem Nachbarkreis ist“, so der Geschäftsführer - also etwa ein Rettungswagen der Bergstraße für einen Schlaganfall auf der Schönau. Das war über tausend Mal in 2024 der Fall. Auch die Rettungshubschrauber „Christoph 5“, der in Ludwigshafen steht, oder „Christoph 53“ in Neuostheim alarmiert die Leitstelle, im Vorjahr 3100 mal. Zudem werden Führungskräfte wie Leitender Notarzt und Einsatzleiter Rettungsdienst losgeschickt, Warnapps wie NINA und Katwarn oder die Sirenen von hier ausgelöst.

Redaktion Chefreporter

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