Nachruf

Das Mannheimer Nachtleben trauert um Ikone Thomas Esselborn

Er war ein Vollblut-Geschäftsmann: Thomas Esselborn, der Gründer des legendären "Tiffany" in den Quadraten ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Ein Gespräch mit Tiffany-Geschäftsführer Maximilian Dierschke und Esselborns Sohn

Von 
Markus Mertens
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Tom Esselborn gemeinsam mit seiner Frau und großen Liebe Gi - zusammen machten sie das "Tiffany" groß. © Privat
Von strahlender Unbeirrbarkeit: Tom Esselborn war immer streitbar, aber seinen Überzeugungen treu, bis in die letzten Lebenstage hinein. © Privat

Mannheim. Wer das Vergnügen hatte, ihn näher kennen zu dürfen, der wusste: Wo Thomas Esselborn war, da wohnte das pralle Leben. Denn Tom, wie ihn seine Freunde nannten, machte keine halben Sachen. Er erwartete vom Leben und all jenen, die es an seiner Seite verbringen wollten, nicht weniger als Respekt und Würdigung – blieb all jenen, die es seiner Auffassung nach verdienten, jedoch auch keinen Funken Anerkennung schuldig. Mit der Gründung des Kult-Clubs „Tiffany“, das 2019 in all seinem mondänen Glanz das 50. Jubiläum feierte, machte er sich in Mannheims Nachtleben endgültig unsterblich – und musste diese Welt im Alter von 79 Jahren nun doch verlassen. Nach langem und mehrjährigem Kampf gegen den Krebs verließen Tom Esselborn am 12. Februar die Kräfte. Das bestätigten „Tiffany“-Geschäftsführer Maximilian Dierschke und Esselborns Sohn Milian dieser Zeitung im persönlichen Gespräch – und rekapitulieren gleichzeitig eine Biographie, die von der Sehnsucht nach Größe, Anmut und Erfolg geprägt war.

Ein stolzer Papa: Tom Esselborn gemeinsam mit seinem Sohn Milian. © Privat

Um das deutlich zu sagen: Wer Esselborns Lebenslinien folgt, wird dabei vieles finden, aber keinen Durchschnitt. Was sich allein aus den Dimensionen ergibt. Denn dieser Mann war ein Fels. Rein körperlich, aber auch als Charakter. Einen wie ihn übersah man nicht – und das hatte seine Gründe. Schon als junger Mann tritt der entschlossene Macher auf’s Gas, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auch, wenn es mit der ganz großen Karriere als Rennfahrer nichts wurde: Mit den Stars der Formel 1 umgibt sich der Mannheimer nicht nur, wenn der Rennzirkus zum Grand Prix in Hockenheim zu Gast ist. Von den legendären Partys auf Ibiza und in Saint-Tropez erzählt der Pionier zwar nur in vertrauter Atmosphäre und wenn, dann in Andeutungen – aber stets mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Auch, wenn Esselborn bereits in jungen Jahren ein Haudegen ist: Auf seine Diskretion blieb stets Verlass, da war er ganz der Gentleman.

Als Geschäftsmann dagegen ging er auf’s Ganze. Denn lange Zeit, bevor Diskotheken oder Clubs im deutschen Westen ihre große Zeit feierten, gründet der junge Entrepreneur mit nicht einmal 30 Jahren in Mannheim das Tanzlokal „Tiffany“ – und nimmt damit ein Risiko in Kauf, von dem damals noch niemand ahnen konnte, wie sehr es sich in den folgenden Jahren bezahlt macht. Zu Beginn ist der „Glitzerkeller“, wie er in der Quadratestadt in aller Munde ist, ein Ort alternativer Expressivität. Treue Gäste erinnerten sich zum großen Jubiläum 2019 in dieser Zeitung an ein Zentrum des Mannheimer Nachtlebens, in dem ausgefallene Kostüme mit dem Willen, den Augenblick zu zelebrieren, zu einer Atmosphäre des Außergewöhnlichen zusammenflossen. Gemeinsam mit seiner Frau Gi, die in Paris immer wieder Inspirationen für das exquisite Mobiliar, wertvolle Dekorationen, aber auch Gläser, Tische und Stühle sammelte, ließ er ein Etablissement Kontur annehmen, das nobel daherkam, ohne je abgehoben sein zu wollen. Als Paar etablierten sie das Konzept der „harten Tür“, das ausschließlich jenen Einlass gewährte, die dem Abend, aber auch allen anderen Feiernden durch eine angemessene Garderobe entsprechende Wertschätzung entgegenbrachten – ein Konzept, das bis heute europaweit von anderen Edel-Diskotheken übernommen wird.

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Streitbar war und blieb Tom Esselborn als überzeugungsstarker Charakterkopf von Anfang bis Ende. Zwischenfälle wie der verwehrte Einlass von Woodstock-Ikone Joan Baez und ihrer Crew, der zu seiner Zeit sogar weltweit für Schlagzeilen sorgte, bleiben hier ebenso in Erinnerung wie Esselborns steuerliche Eskapaden, denen er sich trotz aller Konsequenzen stellte. Nach einem vielbeachteten Prozess vor dem Mannheimer Landgericht wurde er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Rehabilitation seines Ansehens war ihm nach Episoden wie diesen ein zentrales Anliegen. Dennoch: Reue jedenfalls war für Esselborn nie eine Kategorie. Er stand im privaten Gespräch zu allem und duckte sich niemals weg, wenn es darum ging, Verantwortung zu übernehmen. Werte, die er mit einer Selbstverständlichkeit lebte, wie kaum ein Zweiter. Dass das Nachtleben und mit ihm auch seine Gestalter „schon immer zu Unrecht“ als „Anführer einer halbseidenen Welt zwischen Licht und Schatten“ wahrgenommen wird, beklagte Tom Esselborn in einem von zahlreichen Gesprächen, die ich als Journalist mit ihm führen durfte, mit augenzwinkerndem Understatement. Denn so sehr er bedauerte, dass sich manche auf den Reiz des „Tiffany“ nie einlassen konnten: Dass dieser magische Platz für tausende Party-Gänger – vom Studenten über die Adler Mannheim bis hin zur Weltprominenz – Erinnerungen schuf, die stellenweise noch Jahrzehnte später lebendig blieben, wurde spätestens immer dann spürbar, wenn sich zu Jubiläen Menschen versammelten, die sich sonst mitunter nie begegnet wären, hätten sie im „Tiffany“ nicht das Zuhause ihrer durchwachten Nächte gefunden. Ein Ruf, der bis heute nachhallt.

Als meinungsfesten Gestalter darf man Tom Esselborn bis in seine letzten Stunden hinein beschreiben – und das nicht nur, weil er selbst dann noch jedes Wochenende in seinem zweiten Wohnzimmer verbrachte, als seine geliebte Gi längst vorausgegangen war. Um nur eines von vielen denkbaren Beispielen zu nennen: Als mit der Pandemie auch die Lockdowns über Deutschland kamen, gehörte Esselborn zu einem der ersten Betreiber, die unmissverständlich Entlastungen durch die Politik forderten, gleichzeitig aber mit dem eigenen Vermögen für sein Personal einstanden. „Für Kompromisse bin ich nicht gemacht – entweder ganz oder gar nicht“ brachte er seine Lebensformel in einem unserer Gespräche einmal auf den Punkt. Mein Gedanke damals: So spricht ein Mann, der sich lieber unbeliebt macht, als sich für Andere zu verbiegen. Was ihm von Skeptikern immer wieder als Beratungsresistenz angekreidet wurde, feierten jene, die ihm nah waren, als Geradlinigkeit und Führungswillen eines Vordenkers, der mit seinen Ansichten zwar manchmal auch scheiterte – bei dem man jedoch stets wusste, woran man war. Fest steht: Mit Tom Esselborn stirbt eine Ikone seiner Zunft, deren Strahlkraft und Unbeirrbarkeit es zu betrauern gilt. Bis unmittelbar vor seinem Tod mit letzten Details für die kommenden Pläne seines „Tiffany“ befasst, dürfte ihm und jedem Anhänger seiner Visionen ein Trost sein, dass Milian Esselborn und Max Dierschke als Doppelspitze für die Fortsetzung seines Lebenswerks sorgen werden. „In seinem Sinne“, wie die beiden im Gespräch erklären und gleichzeitig klarstellen: Wie auch sonst…

Freier Autor

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