Mannheim. Als das Mannheimer „Tiffany“ im April 1969 ein erstes Mal seine Tore öffnet, schreibt diese Zeitung von „einer Diskothek, die anders ist als alle anderen“ – 50 Jahre später feiert genau dieses Urgestein der Clubszene in den Quadraten sein großes Jubiläum. Und ist dabei nicht nur jener berüchtigte Ort geblieben, der dem Nachtleben der Stadt ein mondänes Forum der feiernden Elite schenkte, sondern ein zeitloser Erlebnisraum, in dem Generationen die Nächte zum Tag machen.
Doch von vorn. Wer Tom Esselborn trifft, der dem „Tiffany“ vor fünf Jahrzehnten gemeinsam mit Rolf Homeyer in der Horten-Passage Leben einhauchte, trifft einen Mann von Überzeugung. „Ich hatte eigentlich nie vor, einen Club zu eröffnen“, macht der studierte Jurist klar. „Und genau deswegen hat mich diese Aufgabe gereizt.“ Ein Mann fürs Leichte scheint der hoch gewachsene Mann nie gewesen zu sein. Dafür ein ambitionierter Sportler. Ein Kämpfer. Ein Macher. Als sich sein Kompagnon Homeyer erst verspekuliert und später außer Landes flieht, schmeißt Esselborn keineswegs hin.
Kultstatus durch harte Hand
Gemeinsam mit seiner Frau Gisela, die die Kenner „Gi“ nennen, verschaffte er seinem „Tiff“ Mal um Mal ein neues, exklusives Gesicht. Zwischen grünem Samt und weißem Marmor, funkelnden Glastischen und den längst legendären Hornlautsprechern zog Esselborn dabei bewusst die feine Gesellschaft an.
Die „harte Tür“, die Gi über Jahrzehnte verantwortete, durchschritten nur volljährige Gäste, die Sitte, Moral und Mode verkörpern. Nicht nur lokale Ikonen wie Boxer Charly Graf bekommen diese klare Club-Politik zu spüren – auch als Sängerin Joan Baez, nach Esselborns Angaben „mit vier komplett zugekoksten randalierenden Roadies“, nach einem Konzert im Rosengarten noch im „Tiffany“ feiern will, wird selbst der internationale Star abgewiesen. Ein Eklat, über dem Esselborn auch heute noch steht. „Wer im ‚Tiffany’ randalieren wollte, ist sofort rausgeflogen“, wie Esselborn klarstellte und damit eine Kultur des Einklangs schuf, die sich manifestierte. Selbst ein Sprecher der Mannheimer Polizei bescheinigt dem Club „eine tadellose Bilanz“, die sich aus der Auslese am Einlass ergeben habe.
Was auch wieder für den Kult spricht, der all jene erwartete, die es einmal in den glamourösen Glitzerkeller hinein geschafft hatten. Und von den „Yardbirds“ bis zu „Velvet Underground“ einen Sound erlebten, der in Deutschland als wegweisend galt. Durch seine hervorragenden Kontakte nach London, Paris und Amsterdam unterhielt Esselborn die Menge über ein Jahrzehnt selbst als Discjockey. Er schuf aber auch Raum für Größen wie Joy Fleming, die mit 24 Jahren gleich zur Eröffnung sang. Oder Bernd Clüver, der hinter den Plattentellern die Wände erbeben ließ.
Selbstironie und Weitblick
Einer von Tausenden, die die „Magie dieser legendären Zeit“ wie einen Lebensquell in sich aufsaugten, ist Thomas Fath. Heute renommierter Fotograf, damals ein 16-jähriger Junge aus Weinheim, fiel Fath in einen „Kosmos der Extravaganz“, der den jungen Mann tief faszinierte und nicht mehr losließ. Und das nicht allein, weil das „Tiffany“ neben dem Hard Rock-Club und dem „Le Bateau“ für ihn und zahllose Andere zum Alleinstellungsmerkmal des Mannheimer Nachtlebens wurde: Von Rotlicht-Größen bis hin zum eitlen Barkeeper Robert aus Nizza erlebte Fath „eine einzigartige Zusammenkunft von echten Persönlichkeiten, die ich später so nirgends mehr angetroffen habe“.
Es sind Worte, die sich für Esselborn gut anfühlen – doch am Ende sind es nicht die Anekdoten zwischen Supertramp und Falco, die überwiegen. Sondern die Gedanken an ein Lebenswerk, das ihn zuerst berühmt machte, dann in den Knast brachte und mit neuen Visionen wiederauferstehen ließ. Wer dem großen Mann bei der Revival-Party vor wenigen Tagen in die Augen blickt, sieht darin Selbstironie und Weitblick gleichermaßen.
Das große Jubiläum des Lebenswerks der Esselborns kann Ehefrau Gi nicht mehr miterleben. Im Februar 2017 verstarb die 73-Jährige nach kurzer schwerer Krankheit. Ob Tom sein „Tiffany“ dieses Leben wert war? „Darauf können Sie sich verlassen.“
Party auf den Kapuzinerplanken
- Das „Tiffany“, im April 1969 von Rolf Homeyer und Tom Esselborn gegründet, gilt als ältestes Mannheimer Etablissement zwischen Diskothek und Nachtclub.
- Mit seinem luxuriösen Ambiente zog einer der ersten Clubs dieses Formats bundesweit von Anfang an die feine Gesellschaft der Region an.
- Von lokaler bis hin zu internationaler Prominenz vereinte das „Tiffany“ verschiedenste Welten zwischen Glanz und Glamour.
- In den fünf Jahrzehnten seines Bestehens wurde der Club insgesamt fünf mal renoviert, erweitert und neu umgestaltet – zuletzt 2011.
- Seit 2018 unterstützt Maximilian Dierschke den 76-jährigen Esselborn als Geschäftsführer.
- Das große Jubiläum will das Team ersten Plänen zufolge im Herbst bei einer großen Open Air-Party auf den Kapuzinerplanken feiern.
- Getanzt wird im „Tiffany“ seit Jahren donnerstags bis samstags von 23 Uhr bis 5 Uhr. Weitere Infos unter www.tiffany-mannheim.de mer
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