Kriminalität

Darum kontrolliert die Polizei Fahrradfahrende in Mannheim

Hunderttausende Euro Schaden und ein starker Anstieg von Diebstählen: Mit einem neuen Konzept will das Polizeipräsidium Fahrraddieben das Handwerk legen. Warum dabei auch Radfahrer auf der Kurpfalzbrücke kontrolliert werden

Von 
Lisa Uhlmann
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Polizeibeamte kontrollieren Fahrradfahrende auf beiden Seiten der Kurpfalzbrücke und suchen dabei nach gestohlenen Rädern. Dabei klären die Beamten auch über Diebstahlsicherung und die Masche der Kriminellen auf. © Lisa Uhlmann

Mannheim. Leichtfüßig springt der 15-Jährige auf der Kurpfalzbrücke kurz vor dem Polizeischild von seinem Mountainbike. Ob er schon mal in so eine Fahrradkontrolle geraten ist? „Nee, aber das ist schon wichtig! Das Fahrrad haben mir meine Eltern geschenkt“, sagt der Teenager. Er wartet geduldig, als die Beamten sein Fahrrad mit geübten Griffen auf den Kopf stellen und nach der Rahmennummer suchen.

Insgesamt 26 Beamte sind an diesem heißen Julitag bei der ersten Kontrolle dieser Art auf beiden Seiten der Kurpfalzbrücke im Einsatz. Unter ihnen sind die Spezialisten der AG Fahrrad des Polizeipräsidiums (PP) Mannheim sowie fünf E-Bike-Fahrradstreifen. Das Ziel an diesem Tag: gestohlene Fahrräder ausfindig machen, künftige Diebe abschrecken und Radfahrende aufklären über Diebesmaschen und einen neuen Trend, der die Zahl der Fahrraddiebstähle besonders in Mannheim aktuell in die Höhe schießen lässt. Allein in der Stadt haben im vergangenen Jahr Fahrraddiebstähle einen Schaden von 1,6 Millionen Euro verursacht.

Starker Anstieg von E-Bike-Diebstählen in Mannheim

Im ersten Schritt der Polizeiaktion an diesem Tag überprüfen die Spezialistinnen und Beamten von 15 bis 18 Uhr alle, die gerade unterwegs auf der Brücke sind. Wer in die Kontrolle gerät, muss lediglich die Rahmennummer vorzeigen. Die gleichen die Beamten dann per Notebook mit dem aktuellen Fahndungsbestand ab. Dabei reagieren nicht alle so gelassen wie der 15-Jährige, ein Anzugträger mit Helm fragt die Beamten beim Vorbeigehen irritiert: „Was treibt ihr da? Gibt es wieder eine Demo?“ Der freundliche Verweis auf die Kontrolle und Suche nach gestohlene Fahrrädern besänftigt den Mann, der daraufhin auf seinen Drahtesel springt und weiterfährt.

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Drei Stunden lang werden die Beamten Vorbeifahrende überprüfen, bis sie zum zweiten Teil der Aktion aufbrechen: In mobilen Teams ziehen die Polizisten nachts los und steuern gezielt Tiefgaragen oder Keller an, aus denen zurzeit besonders häufig die sogenannten Pedelecs oder E-Bikes gestohlen werden. Denn die Spezialisten wissen genau: Nur wenige Diebe versuchen, ein Fahrrad oder E-Bike auf offener Straße zu stehlen, wie ein Mann am vergangenen Sonntag in der Hafenstraße. Zeugen hatten einen 23-Jährigen dabei beobachtet, wie er sich um die Mittagszeit an einem angeschlossen E-Bike zu schaffen machte - und die Polizei verständigt. Anhand von Handyvideos konnte der Mann noch am selben Tag identifiziert und verhaftet werden.

Es handelt sich vermehrt um organisierte Kriminalität
Polizeisprecher über Fahraddiebstähle

Dieser Fall zeigt auch: Mittlerweile boomt das Geschäft mit gestohlen E-Bikes, da die hochwertigen und bis zu 10 000 Euro teuren Gefährte für Verbrecher besonders lukrativ sind zum Weiterverkaufen. „Wir verzeichnen gerade einen starken Anstieg an E-Bike-Diebstählen und stellen fest: Dabei handelt es sich vermehrt um organisierte Kriminalität“, erklärt ein Polizeisprecher.

Die Zahlen sprechen für sich: So wurde laut PP Mannheim im ersten Halbjahr 2023 bereits die gleiche Anzahl an Diebstählen registriert wie im gesamten Jahr 2022. Die Schadenshöhe geht in die Hunderttausende. Mit einem neuen Konzept geht das PP nun gezielt gegen solche Diebe vor: Neben der aktuellen Lagebildauswertung ermittelt bei bestimmten Voraussetzungen direkt die Kriminalpolizei mit Hilfe von Experten der Kriminaltechnik.

Suche nach der Rahmennummer: Die ist bei jedem Fahrrad individuell und sollte bei der Anzeige eines Diebstahls unbedingt angegeben werden. © Lisa Uhlmann

Das Konzept hat sich schon bewährt. Erst vor wenigen Tagen gelang den Ermittlern ein Schlag gegen eine organisierte Bande: So wurden drei Tatverdächtige festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Sie sollen seit Anfang 2023 in mindestens 19 Fällen Pedelecs und hochwertige Fahrräder im Gesamtwert von 180 000 Euro gestohlen haben.

Zurück bei der Kontrolle in der prallen Sonne findet ein älterer E-Bike-Fahrer die Aktion gut. „Ich habe das Rad seit drei Jahren und besitze zwei Schlösser dafür. Das Rad hat 2500 Euro im Laden gekostet“, erklärt der Mann, bevor er wieder von den Beamten grünes Licht zur Weiterfahrt bekommt.

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Was viele laut Polizei nicht wissen: Gerade bei Fahrrädern, die über soziale Medien oder Second-Hand-Online-Börsen angeboten werden, sollte man vorsichtig sein. „Die Käufer sind oft ahnungslos. Wer ein gestohlenes Fahrrad kauft, kann sich wegen Hehlerei strafbar machen“, erklärt ein Polizeisprecher. Nach einer Stunde haben die Beamten 20 Radfahrende überprüft, ein Treffer ist darunter. Weil manchmal die Typennummer, also die Seriennummer eines Modells, angegeben wird, müssen die Ermittler jeden Fall prüfen, da die Rückverfolgung nur über die Rahmennummer möglich ist.

Ob es künftig öfters solche Kontrollen geben wird, sei noch unklar, man will die Zahlen beobachten und gegebenenfalls Nachsteuern, so ein Sprecher. Und der 15-Jährige? Für ihn dauert die Kontrolle gerade mal zehn Minuten, dann ist klar: Die Rahmennummer seines Rads ist nicht System, er darf weiterfahren.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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