Pro & Kontra Darf man eine Bronzeplatte zu Ehren des Luftschiffs Schütte-Lanz verlegen?

Darf man heute noch eine Bronzeplatte zu Ehren des Luftschiffs Schütte-Lanz verlegen? Die beiden auf Geschichte spezialisierten „MM“-Redakteure sind da unterschiedlicher Auffassung

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Ehrentafel für Luftschiff bei der Kurpfälzer Meile der Innovationen. © Thomas Tröster

Pro-Stimme »Keine Ehrung der Person - aber seines Werkes«

Das Unbehagen ist verständlich: Darf man heute noch Johann Schütte ehren? Die Stadt hat zwar 1990 ein Kinderhaus nach dem Luftschiff-Konstrukteur getauft, das in der auch nach ihm benannten Straße auf der Schönau liegt. Aber heute weiß man, dass Schütte zwar selbst keine Menschen umgebracht hat, aber doch ein glühender Verfechter der NS-Ideologie war – weil sie eben Leute mit seinen Fähigkeiten hofierte. Ehrerbietungen an den Führer waren in der Diktatur – wie in heutigen Diktaturen auch – zudem üblich. Dennoch sollte man die Person Schütte heute nicht mehr ehren.

Anders sieht es mit dem Luftschiff aus, das aus der von Schütte mit Karl Lanz betriebenen Firma kam. Es ist ohne Zweifel eine technische Innovation aus Mannheim und daher genau richtig auf der „Kurpfälzer Meile der Innovationen“. Dass aus dem Luftschiff tödliche Bomben abgeworfen wurden, stimmt zwar. Aber das Haber-Bosch-Verfahren ermöglichte Dünger- wie Sprengstoffproduktion. Es wird jedoch ebenso auf der Meile gewürdigt wie das Raketenflugzeug und Benz-Motoren, die auch todbringende Waffen antreiben. Und das Internet hatte einen militärischen Vorläufer. Der Krieg ist eben Vater aller Dinge – das gilt leider für viele Erfindungen.

Darf man heute noch eine Bronzeplatte zu Ehren des Luftschiffs Schütte-Lanz verlegen? Die beiden auf Geschichte spezialisierten „MM“-Redakteure sind da unterschiedlicher Auffassung.

Peter W. Ragge

Redaktion Chefreporter

Kontra-Stimme »Im wahrsten Wortsinne nicht ehrenwert«

Sarkastisch könnte man sagen: Zu den bundesweiten Mahnungen aus Anlass des 90. Jahrestags von Hitlers Ermächtigungsgesetz wurde in Mannheim am gleichen Tag ein sehr eigener Akzent gesetzt – mit Ehrung eines überzeugten Nationalsozialisten.

Nichts Anderes nämlich war Johann Schütte, wie auch die Universität seiner Geburtsstadt Oldenburg nachgewiesen hat. Dazu erwähnt sei hier nur, dass Schütte sich selbst stets als Anhänger des Nationalsozialismus bezeichnete und als Präsident der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) die Verantwortung für das Verstoßen der jüdischen Ingenieure aus dieser STG trug. Die jetzige Gedenktafel erwähnt dies alles mit keinem Wort. Schütte ist eben im wahrsten Wortsinne nicht ehrenwert.

Das mag sein, wird mancher sagen, aber hier gehe es doch um seine Erfindung, Leben und Werk solle man getrennt sehen; sowas hören wir über moralisch kontaminierte Größen seit 1945. Doch das ist und bleibt unhistorisch.

Man greift sich an den Kopf, dass wir über die Ehrung für das Werk eines überzeugten Nationalsozialisten diskutieren müssen – in einer Zeit, da Mannheim gerade, wie etwa bei den Straßennamen in Rheinau-Süd, mühsam ähnliche Erblast aus dem öffentlichen Raum zu tilgen sucht.

Konstantin Groß

Autor