Mannheim

Bunter Protest für mehr barrierefreie Toiletten in Mannheim

Obwohl der Mannheimer Gemeinderat den Bau von 20 öffentlichen Toiletten beschlossen hat, tut sich nichts. Das wollen 1100 Bürger nicht länger hinnehmen.

Von 
Wolfgang Neuberth
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Der Beschwerde-Chor aus Heidelberg eröffnete die Kundgebung für mehr barrierefreie öffentliche Toiletten. © Wolfgang Neuberth

Mannheim. Wer in Mannheim eine öffentliche Toilette aufsucht, muss oft starke Nerven und einen noch stärkeren Magen mitbringen. Über Sauberkeit, Hygiene oder Komfort sollte man lieber nicht nachdenken, wenn man es eilig hat. Vor allem Menschen, die auf barrierefreie Anlagen angewiesen sind, sehen sich mit massiven Einschränkungen konfrontiert.

Das Thema ist nicht neu: Seit Jahren klagen Bürgerinnen und Bürger über zu wenig und schlecht gepflegte öffentliche Toiletten. Doch an der Situation hat sich kaum etwas geändert. An diesem Samstag machte deshalb die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit Rhein-Neckar erneut auf das Problem aufmerksam.

In ganz Mannheim gibt es nur 13 barrierefreie öffentliche Toiletten

Auf dem Paradeplatz versammelten sich Betroffene, Unterstützer und Vertreter sozialer Organisationen zu einer Kundgebung. Um 12 Uhr eröffnete der Beschwerde-Chor aus Heidelberg die Veranstaltung mit einem musikalischen Beitrag.

Anlass war die Petition „Haushaltsmittel für barrierefreie Toiletten in Mannheim“. Mehr als 1100 Menschen haben bereits unterschrieben – doch die Initiatoren wollen mehr erreichen.

„Aktuell gibt es im gesamten Mannheimer Stadtgebiet nur 13 barrierefreie Toiletten, die rund um die Uhr zugänglich sind. Wenn es einmal schnell gehen muss, sieht es schlecht aus“, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Heinrich Schaudt. Ein Zustand, den er als „unzumutbar“ bezeichnete.

Dabei liegt längst ein Plan vor: Ende 2023 beschloss der Gemeinderat ein strategisches Konzept für öffentliche Toilettenanlagen inklusive Trinkwasserspender. 20 neue Standorte wurden festgelegt – doch die Finanzierung blieb aus.

Schon während der Corona-Pandemie 2021 wies unter anderem Stadträtin Marianne Seitz (r.) auf Probleme mit öffentlichen Toiletten hin. © Tanja Capuana-Parisi

„Die Nicht-Umsetzung mit Begründung auf die prekäre Haushaltslage halten wir für nicht haltbar. Der Mannheimer Haushalt ist hunderte Millionen Euro schwer“, kritisierte Schaudt. Die Arbeitsgemeinschaft verwies auf die Zahlen: Jeder zehnte Mannheimer lebt mit einer anerkannten Schwerbehinderung, bei den über 65-Jährigen liegt der Anteil sogar bei 24 Prozent.

„Gerade diese Bevölkerungsgruppen sind auf barrierefreie Toiletten angewiesen. Es geht hier nicht um Luxus, sondern um Teilhabe und Würde“, betonte Elke Campioni, zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. Sie forderte neben der Kommune auch die Privatwirtschaft auf, Verantwortung zu übernehmen: „Restaurants, Kaufhäuser oder Tankstellen profitieren von öffentlicher Präsenz, ziehen sich aber oft aus der Verantwortung, wenn es um barrierefreie Toiletten geht.“

Für die Arbeitsgemeinschaft geht es bei dem Thema um ein elementares Menschenrecht. „Wir sprechen hier nicht von Komfort, sondern von einer grundlegenden Infrastruktur, die Teil einer lebenswerten Stadt sein muss“, so Campioni.

Schon mehr als 1100 Unterschriften für Petition

Unterstützung erhält die Initiative auch durch das Land: Baden-Württemberg ist bundesweit das einzige Bundesland, das den Bau sogenannter ‚Toiletten für Alle‘ fördert.

Die Petition konnte seit ihrer Veröffentlichung mehr als 1100 Unterschriften sammeln. „Mit der Kundgebung wollen wir die Petition bekannter machen und weitere Unterstützer gewinnen“, erklärte Geschäftsführer André Neu. Der Appell ist deutlich: „Der Gemeinderat muss sein eigenes Konzept endlich mit den notwendigen Finanzmitteln ausstatten und die beschlossenen 20 Toiletten zügig bauen lassen.“

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Die Kundgebung war auch Forum für Betroffene. Experten „in eigener Sache“ schilderten eindringlich, welche Hindernisse der Mangel an Toiletten verursacht – von Rollstuhlnutzern über Eltern mit kleinen Kindern bis zu älteren Menschen. Viele berichteten von peinlichen oder gar entwürdigenden Situationen, die in einer modernen Großstadt nicht vorkommen dürften.

Ein Rundgang durch die Innenstadt zeigt, wie angespannt die Lage ist. Zwar gibt es einige kostenpflichtige Anlagen, doch Barrierefreiheit fehlt fast immer. Selbst in touristischen Hotspots wie am Wasserturm oder auf den Planken ist das Angebot unzureichend. Für Besucher, aber auch für die wachsende Zahl älterer Menschen in der Stadt, ist das ein klarer Standortnachteil.

“Bedauernswert, wer sich auf die Toilette setzen muss“

Auch die hygienische Situation bleibt angespannt: Viele bestehende Anlagen sind veraltet, unzureichend gewartet oder werden viel zu selten gereinigt. „Man kann im Prinzip jeden bedauern, der glaubt, sich hier hinsetzen zu müssen“, sagte ein Teilnehmer der Kundgebung bitter.

„Mannheim darf hier nicht weiter zurückfallen“, mahnte AG-Vorsitzender Schaudt: „Wir brauchen einen klaren politischen Willen, die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Es geht um Würde, Teilhabe und Lebensqualität.“

Ob die Kundgebung und die Petition Wirkung zeigen, entscheidet sich in den kommenden Wochen. Im Herbst stehen nach Angaben der Beteiligten finanzpolitische Beratungen im Gemeinderat an. Dann könnte beschlossen werden, ob die Umsetzung tatsächlich finanziert wird – oder ob das Konzept weiter in der Schublade bleibt.

Für die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit Rhein-Neckar ist die Sache klar: Eine Stadt, die Kultur, Wissenschaft und Lebensqualität für sich beansprucht, darf sich bei der Grundversorgung nicht blamieren.

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