Mannheim. Zunächst glaubte Hasan Simsek an einen Streich von Nachbarskindern. Die ihm in seinen Briefkasten auf der Schönau immer wieder Moos und Federn stopfen würden. Doch nach einem Spaziergang mit seinem Sohn habe er „die wahren Spaßvögel“ entdeckt, witzelt Simsek: Blaumeisen, die durch einen kleinen, eigentlich für das Namensschild gedachten Schlitz den Briefkasten etwas öffneten und sich hineinzwängten. „Ich habe gedacht, das wird mir niemand glauben“, so Simsek. Mit Smartphone hat er durch die Briefkastenklappe Fotos gemacht. Das eine zeigt eine Meise beim Nestbau. Auf dem anderen schaut der Vogel in die Kamera. Wäre es ein Mensch, könnte man den Blick „aufmüpfig“ nennen.
„In 30 Jahren noch nie gesehen“
Simsek klebte einen Hinweis an den Briefkasten, nichts hineinzuwerfen. Mit Postboten und anderen Zustellern verabredete er persönliche Übergabe. Er informierte auch den Hausmeister. „Der meinte, sowas habe er hier in 30 Jahren noch nicht gesehen“, erzählt Simsek. Die städtische Wohnungsgesellschaft GBG, der das Haus gehöre, sei nicht ganz so begeistert gewesen. Man habe ihm nahelegt, das Nest zu entsorgen, bevor darin gebrütet werde. Doch dafür sei es schon zu spät: „Pünktlich zu Ostern lagen vier kleine Eier darin.“ Mittlerweile seien es zwölf.
Simsek hofft auf möglichst viele Vogelbabys. Im Briefkasten seien sie ja nicht nur vor Katzen geschützt, sondern auch vor Krähen und anderen Raubvögeln. Die gebe es in der Gegend unweit des Johanna-Geissmar-Gymnasiums reichlich.
In der Nachbarschaft habe sich das Nest herumgesprochen. Auf der Straße werde er ständig gefragt, wie es den Meisen gehe. Auch die Wohnungsgesellschaft hat ihren Frieden damit gemacht: „Wir strengen uns derzeit sehr an, das Wohnquartier Schönau-Nordwest weiter aufzuwerten - dass sich das auch schon unter den Mannheimer Singvögeln herumgesprochen hat, wussten wir allerdings bislang nicht“, scherzt GBG-Sprecher Heiko Brohm. „Wir heißen die tierischen Untermieter herzlich willkommen und danken dem Mieter für seinen rücksichtsvollen Umgang mit Blaumeisen.“
Marder in der Pfalz ausgesetzt
Immerhin zeigt der Fall, dass Menschen und wildlebende Tiere auch mal harmonisch unter einem Dach wohnen können. Anders als etwa mit Mardern, über die der „MM“ in der Dienstagsausgabe berichtete. Darauf hat sich Wolfgang Weber aus Neckarau gemeldet, der nach seinen Schilderungen von den vierbeinigen Räubern regelrecht terrorisiert wird. Schon 2014 seien sie in sein Haus und die zugehörige Schlosserei eingezogen. „Ich höre immer wieder: Das sind doch Einzelgänger. Dann sage ich: nicht bei mir.“ Zwischen sechs und acht Marder trieben sich dort zeitweise herum, berichtet Weber. Einmal habe er einen mit einer Lebendfalle gefangen (was eigentlich nur Jäger dürfen). „Der hat geschrien wie verrückt, aber das hat die anderen nicht abgehalten.“ Er habe jenen Marder dann in die Pfalz gefahren und ausgesetzt.
Mittlerweile hätten die Raubtiere kaum noch Scheu, sagt der Schlosser. „Ich kann denen mit der Taschenlampe direkt ins Gesicht leuchten, die laufen trotzdem nicht weg.“ Und sie zerstörten unterm Dach sowie auf dem Gelände so gut wie alles, was ihnen zwischen die Zähne komme. Ihr Urin habe sogar eine Rigipsplatte so aufgeweicht, dass sie heruntergekracht sei. „Den Gestank können Sie sich nicht vorstellen.“
Mit seinem Problem hat sich Weber nun an die von der Stadt im „MM“-Artikel genannte Mailadresse 31jagd@mannheim.de gewandt. Auch wenn Marder bis Oktober Schonzeit hätten, gebe man Beschwerden an die zuständigen Jagdpächter weiter, so Ordnungsdezernatssprecherin Désirée Leisner. Die könnten die Betroffenen auch außerhalb der Jagdzeit beraten, was zu tun sei. Bei Mardern ist das nicht viel. Bestimmt würden sie Hausbesitzer liebend gern gegen Blaumeisen im Briefkasten tauschen.
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