Mannheim. Nach der Bekanntgabe der bevorstehenden Schließung des Mannheimer Traditionskinos Cineplex in den Planken zum Sommer 2023 stellt sich zwangsläufig die Frage der Situation der Kinolandschaft in der Stadt an sich. Ihre Beantwortung verlangt einen präzisen Blick auf die Herausforderungen und Nöte der Betreiber – und die Ungewissheiten, mit denen sie auch angesichts eines möglichen Corona-Herbstes erneut konfrontiert sind.
Wer sich dieser Tage etwa mit Erdmann Lange unterhält, kann ihm die Sorgenfalten schon durch den Telefonhörer anmerken. Der Cineast und Kulturmacher betreibt seit Jahren die beiden Mannheimer Arthaus-Kinos Atlantis und Odeon, ist für die Qualität seiner Programme vielfach von Land und Bund ausgezeichnet worden – und muss sich nun dennoch ernsthaft um die wirtschaftliche Zukunft seiner Häuser sorgen. Dabei beginnt Lange seine Erläuterung der Lage auch mit einigen Bemerkungen zur Aufenthaltsqualität in der Westlichen Unterstadt: „Wenn unsere Mitarbeiter nicht täglich vor den Kinos aufräumen würden, müssten unsere Gäste knöcheltief durch Müll, Bierflaschen und Erbrochenes waten.“ Aktionen wie die jüngste Plankenreinigung seien ja erstrebenswert, hätten angesichts solcher Zustände aber nur „Symbolcharakter“.
Doch es sind noch ganz andere Herausforderungen, mit denen sich Erdmann Lange befassen muss: Gestiegene Preise für Süßwaren, Getränke und das Papier für die Programmhefte sowie eine noch immer große Zurückhaltung beim älteren, vorsichtigen Publikum. Im Vergleich zum vorpandemischen Niveau, so rechnet Lange im Gespräch mit dem „MM“ vor, müsse man seit Monaten auf 40 Prozent der Zuschauer verzichten. Wohlgemerkt, ohne, dass man bis jetzt überhaupt eine Preisanhebung durchgesetzt habe.
Als problematisch sieht der Kinobetreiber auch die Tatsache, dass sich starke Kinostarts wie „Der Rausch“ und „No Man’s Land – Crossing The Line“ durch Coronabedingte Verschiebungen regelrecht kannibalisiert hätten. „Das waren alles gute Filme, die dann aber alle gemeinsam auf den Markt kamen und sich gegenseitig der Aufmerksamkeit beraubt haben“, wie Lange erklärt.
Seit Pandemiebeginn deutlich an Aufmerksamkeit eingebüßt
Auch Harald Mühlbeyer vom Mannheimer Cinema Quadrat kann das nicht leugnen. Zwar steht der Verein, der sein Kino im K1 Karrée betreibt, vor allem für ausgesuchte Filmentdeckungen, Filmgeschichte und Symposien – aber auch die hätten seit Pandemiebeginn deutlich an Aufmerksamkeit eingebüßt. Vor allem die Rezensionen wichtiger Programmfilme sowie die Berichterstattung über Besuche hochkarätiger Regisseure habe man schmerzlich vermisst. „Wir sind zwar relativ stabil bei 500 Mitgliedern geblieben, konnten uns aber natürlich nicht entwickeln, wie wir uns das gewünscht haben“, wie Mühlbeyer auf Nachfrage klarstellt. Auch im Cinema Quadrat laufen deshalb nun die Überlegungen, wie die gestiegenen Fixkosten aufgefangen werden können. Komplett auf den Kunden will man die Steigerungen – ganz wie beim Atlantis – keineswegs umlegen, „aber um eine Erhöhung werden auch wir vermutlich nicht herumkommen“, so Pressesprecher Mühlbeyer.
Mit am entspanntesten betrachtet Frank Noreiks, Geschäftsführer der Filmtheaterbetriebe Spickert, die Situation. Zwar habe die wirtschaftliche Entwicklung die anvisierte Schließung des Cineplex im kommenden Jahr zur Folge, „aber wir glauben weiterhin an die Zukunft des Kinos in Mannheim.“ Im Cinemaxx werde man auf zehn Leinwänden die Zahl an Vorstellungen pro Tag deutlich nach oben korrigieren, um auch die kleineren Filme weiterhin abzubilden. Den Herausforderungen an der Preisspirale wollen Noreiks und die Seinen vor allem durch Einsparungen und Konzentrationen im Team des eigenen Hauses begegnen. „Die Preise für unsere Kunden würden wir erst im letzten Schritt anheben“, so der Geschäftsführer. Insgesamt ist Noreiks jedoch überzeugt davon, dass das Erlebnis Kino von seiner Kraft nichts verloren hat: „Man spürt, dass die Menschen wieder ins Kino kommen und diese Atmosphäre genießen wollen.“
Erdmann Lange sieht diese Entwicklungen deutlich skeptischer. Viele Zuschauer hätten sich an den Komfort von Streaming-Angeboten auf der heimischen Couch gewöhnt, zumal die anhaltende Inflation und der Ukraine-Krieg auch nicht gerade dazu beitrügen, Menschen zum Ausgehen zu motivieren. „Ich habe kürzlich auf dem Filmfest in München sehr viele Gespräche dazu geführt, die alle in die Richtung gingen, dass wir jetzt Jahre der Wahrheit vor uns haben, wie es mit der Zukunft des Kinos weitergehen wird.“ Renke sich die gesellschaftliche Lage zwischen Corona, Krieg und Inflation wieder ein, erhole sich auch die Branche – verschärfe sich die Situation, müsse man mit Blick auf Stuttgart und Berlin erneut auf staatliche Hilfen hoffen. „Wir wünschen uns, dass es soweit nicht kommt und unternehmen alles, was in unseren eigenen Händen liegt“, so Lange. „Aber wir fahren derzeit auf Sicht.“
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