Mannheim. Sie komme aus Brasov in Rumänien. Dort lebten ihre fünf Kinder, ihr Mann sei tot, von einem Auto überfahren. „Kaputt“, sagt die Frau. Sie hat ihren Namen genannt, auch ihren Ausweis hat sie gezeigt. Für die Geschichte soll die Frau trotzdem anonym bleiben.
„Ich nicht lügen“, sagt sie weiter und bekreuzigt sich. Sie brauche Geld, damit sie mit dem Bus zurück nach Rumänien fahren könne. Sie zeigt auf einen Pappbecher vor sich, darin liegen ein paar Cent. Sie habe eine verletztes Bein, erklärt sie. „Geld, Geld für den Bus.“ Oder eine Schokolade. Für die Kinder in Rumänien.
Verletztes Bein, kein Geld für den Bus
Ein Kilometer Luftlinie entfernt drei Männer. Sie kämen aus Brasov in Rumänien. „Das ist Papa“, sagt einer der Jüngeren und weist auf einen Mann. Der Papa und die zwei Söhne. Auch sie wollten den nächsten Bus nach Rumänien nehmen, auch sie brauchen Geld für die Fahrt. „Fuß kaputt“, sagt der Papa und weist auf den Mann, der unten am Boden sitzt. Auch er hat einen Pappbecher vor sich stehen, ein paar Münzen liegen drin. Er schüttelt den Becher. Die drei haben einen Koffer dabei. Was drin ist? „Decken“, sagen sie, für die Nacht.
Doch in der Nacht ist der Platz vor dem Schaufenster leer, nur ein leeres Sitzkissen liegt am Boden. Dafür steht der „Papa“ in einer Gruppe von Männern und Frauen an der Straßenbahnhaltestelle auf den Planken. Er nickt freundlich.
Bettelbanden ziehen auch in Mannheim Gelder ab
Vielleicht kommt er aus Brasov in Rumänien, vielleicht sind das seine Söhne und vielleicht hat einer von ihnen ein verletztes Bein. Ganz sicher gehört er zu den Ärmsten der Armen, und fast ganz sicher gibt es Hintermänner, die das Geld, das er und seine „Söhne“ tagsüber erbetteln, einkassieren. Für sie selbst bleibt nur ein kleiner Teil.
„Das Phänomen gibt es jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit“, erklärt Stefanie Paul von der Caritas Mannheim. Für Passantinnen und Passanten sei es schwer zu beurteilen, ob die Menschen, die auf der Straße sitzen, für sich betteln oder ob sie von Drückerbanden in die Stadt transportiert wurden, um die Freigebigkeit vieler Menschen in dieser Zeit des Jahres auszunutzen, wobei das Geld eben nicht bei den Bettelnden bleibt, sondern von Bettelnetzwerken abgezogen wird.
"Echte" Bettler auf Geld angewiesen
Tatsache ist, dass es solche Bettelbanden gibt, die Stadt Mannheim hat erst unlängst vor aggressiven und aufdringlichem Verhalten gewarnt. Tatsache ist aber auch, dass Menschen, die auf der Straße leben, auf das Geld, das sie erbetteln, angewiesen sind. „Wir stellen in Umfragen immer wieder fest, dass ungefähr ein Drittel der wohnungslosen Menschen über keinerlei Einkommen verfügen und auf das Betteln angewiesen sind“, sagt die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Werena Rosenke.
Es sei also durchaus richtig, den Menschen Geld zu geben - wie es ebenso wichtig sei, Hilfsorganisationen, die sich vor Ort um Wohnungslose kümmern, zu unterstützen. „Doch viele Menschen, die auf der Straße leben, wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen können oder schrecken davor zurück, zum Amt zu gehen, um dort Bürgergeld, was ihnen womöglich zusteht, zu beantragen“, so Rosenke.
Grundsätzliche Bettelverbote in Städten problematisch
Mit Bettelverboten bewegen sich die Städte im Übrigen auf einem schmalen Grat. Jetzt im Sommer wurde ein Bettelverbot der Stadt Krefeld vom Verwaltungsgericht Düsseldorf einkassiert, weil in der Verordnung nur unspezifisch von „Betteln“ die Rede war. Geklagt hatte ein Obdachloser, ein seltener Fall, in dem sich Betroffene wehren.
"Stilles" Betteln darf nicht verwehrt werden
Denn grundsätzlich ist „stilles“ Betteln in Deutschland nicht strafbar. Eben weil es für viele Menschen die einzige Möglichkeit zur Selbsthilfe ist. „Der obdachlose Mensch kann das Geld ausgeben, für was er möchte, auch wenn es Alkohol oder Zigaretten sind, das würde er von uns als Caritas auch nicht bekommen, aber das ist Teil seiner Selbstbestimmung“, betont Stefanie Paul.
Werden die Menschen aufdringlich oder gar aggressiv, haben sie Kinder dabei, die ebenfalls betteln, täuschen sie eine Notlage vor, die es nicht gibt, kann das als Nötigung oder Betrug gewertet und entsprechend geahndet werden.
Moralisches Unbehagen müssen Menschen aushalten
Das bloße Ausstrecken der Hand aber mag ein „moralisches Unbehagen“ auslösen, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor einiger Zeit in einer Klage gegen ein Bettelverbot in der Schweiz entschied. Das müsse aber der Vorübergehende aushalten.
Wohnungslosigkeit ist angesichts des knappen Wohnraums in Deutschland ein wachsendes Problem. Im Verlauf des Jahres 2022 waren nach Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 607.000 Menschen wohnungslos. Davon lebten rund 50 000 ganz ohne Unterkunft auf der Straße. Die übrigen sind in einer kommunalen Unterbringung untergekommen oder leben bei Freunden oder Bekannten, in der Hoffnung, bald wieder eine eigene Wohnung zu finden.
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