Reiss-Engelhorn-Museen - Kulturausschuss berät mögliche Rückgabe von Kunstobjekten aus dem heutigen Nigeria / Herkunft soll erforscht werden

Benin-Bronzen mit Brisanz

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Die Reiss-Engelhorn-Museen bereiten sich darauf vor, als „Benin-Bronzen“ bekanntgewordene Raubkunst aus dem heutigen Nigeria zurückzugeben. Voraussetzung ist aber, dass der Gemeinderat ebenso wie – da es sich um kommunales Eigentum handelt – das Regierungspräsidium als Rechtsaufsicht zustimmen. Darüber berät am Donnerstag der Kulturausschuss des Gemeinderates.

Berlin, Dresden, Köln, Hamburg – bislang haben nur Museen aus solchen großen Städten Schlagzeilen damit gemacht, dass sich jahrhundertealte Skulpturen aus dem heutigen Nigeria in ihren Beständen finden. Die weltweit größte Sammlung gibt es in London. Schließlich hatten britische Truppen 1897 das afrikanische Königreich Benin überfallen. Sie plünderten den Königspalast und nahmen als Trophäen 500 Jahre alte Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren mit. Sie landeten später in Museen, aber oft auch dem Kunsthandel.

Heute steht der Begriff „Benin-Bronzen“ meist stellvertretend für Kunstgut, das frühere Kolonialmächte raubten – zumal geplant war, dass ein Teil von ihnen im neuen Berliner Humboldt-Forum gezeigt werden sollte. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz entschloss sich im Mai, die Exponate an Nigeria zurückzugeben. Treibende Kraft war die Kultur-Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Monika Grütters.

Von den über 1000 Kunstobjekten, die insgesamt in Deutschland sein sollen, befindet sich aber nur ein ganz geringer Teil in den Reiss-Engelhorn-Museen. 66 Exponate nennt auf Anfrage Sarah Nelly Friedland , Direktorin Archäologie und Weltkulturen. „Darunter sind auch Alltagsgegenstände wie Körbe“, sagt sie. Wirkliche Kunst- und Kultgegenstände wie Köpfe oder Reliefplatten aus Metall oder beschnitzte Stoßzähne aus Elfenbein seien es gerade mal etwa 20. Ausgestellt wird nichts davon – alles liegt schon lange nur in den Depots.

Aufarbeitung der Kolonialzeit

  • Im April haben die Reiss-Engelhorn-Museen ein Projekt zur Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialer Vergangenheit mit einem Wissenschaftler aus Togo gestartet. Er soll als Volontär in den kommenden beiden Jahren Exponate aus Afrika digitalisieren und in einer Online-Datenbank öffentlich zugänglich machen.
  • Im ersten Jahr zahlt das Land die Stelle, im zweiten Jahr die Stadt.
  • Seine Arbeit gilt den SammlungenBumiller“ und „Thorbecke“.
  • Theodor Bumiller (1864-1912) war viele Jahre in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika tätig. Er trug eine umfangreiche Sammlung ethnographischer Objekte zusammen, die sich seit 1920 an den Reiss-Engelhorn-Museen befindet. Sie umfasst ca. 460 Objekte sowie zahlreiche Archivalien.
  • Franz Thorbecke (1875 - 1945) und seine Frau Marie Pauline (1882 - 1971) reisten 1911-13 durch Kamerun. Dabei sammelte das Ehepaar naturkundliche und ethnographische Objekte, von denen etwa 2000 an die Reiss-Engelhorn-Museen gelangten. 

Als die politische Diskussion um die Raubkunst aus Afrika begonnen habe, habe man sich „sofort einklinken wollen“, sagt Wilfried Rosendahl, der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. „Uns ist klar, dass die Provenienzforschung, also die Fragen der Herkunft der Kulturgüter, äußerst entscheidend für die Zukunftsfähigkeit eines Museums sind“, so Rosendahl. Man sei sich „der Problematik und Thematik in all ihrer Brisanz bewusst“. Daher laufe ja auch ein großes Forschungsprojekt zu den ethnologischen Sammlungen – allerdings bisher nicht zu den Exponaten aus Benin.

Personalstelle beantragt

Als die von der Benin-Diskussion betroffenen großen Häuser die „Benin Dialogue Group“ gründeten, bewarb sich Friedland für Mannheim um eine Mitgliedschaft. „Aber das wurde abgelehnt, da die Gruppe sich auf Museen mit großen Benin-Sammlungen beschränken möchte“, sagt Rosendahl. Zugesagt sei aber, dass die Gruppe das Gespräch mit allen betroffenen deutschen Museen, etwa 21 Häusern, suche.

Beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) beantragten die Reiss-Engelhorn-Museen Mittel, die eine gründliche Bearbeitung der Mannheimer Benin-Objekte ermöglichen sollen. Dazu würde für sechs Monate eine halbe Stelle für einen Wissenschaftler eingerichtet werden. „Wir wissen derzeit nämlich einfach viel zu wenig über den Werdegang der Objekte“, so Friedland.

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Bislang ergibt sich aus alten Inventarlisten, dass die Exponate in den 1920er Jahren – meist 1921 und 1925 – im Kunsthandel angekauft wurden und so in die städtischen Sammlungsbestände kamen. „Solche Ankäufe hat man damals noch gemacht, meist von Kunsthändlern“, sagt Friedland. Auch von Schenkungen und Stiftungen ist bei einzelnen Objekten die Rede. Details weiß man nicht – oder es müssten aufwendig die alten Akten durchgesehen werden. Da die Kunstwerke 1897 aus Benin ausgeführt wurden, ist auch unklar, wo und in wessen Eigentum sie zwischen 1897 und den 1920er Jahren waren. Zudem kamen 1935 zuvor in Karlsruhe befindliche Bestände des badischen Staates nach Mannheim – auch darunter waren Kunstwerke aus Benin.

Datenbank vorgesehen

In einem ersten Schritt sollen alle deutschen Benin-Bestände in eine Datenbank aufgenommen werden, damit Forscher weltweit – und damit auch in den Heimatländern – einen Zugriff bekommen. Die Reiss-Engelhorn-Museen haben dazu bereits eine Liste übermittelt und würden weitere Ergebnisse nachtragen, wenn die Herkunft genauer recherchiert ist.

Über eine Rückgabe muss, da es sich um städtisches Eigentum handelt, der Gemeinderat entscheiden – mit Zustimmung des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Redaktion Chefreporter

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