Mannheim. Durch die Lautsprecher hallt ein Schluchzen über den Mannheimer Hauptfriedhof. Die Mutter von Ertekin Ö. hat sich weinend über den Sarg gebeugt. Weitere Familienangehörige stehen neben ihr, versuchen sie zu trösten. Manche kämpfen selbst mit den Tränen. Mehrere Hundert Menschen - die genaue Zahl ist auf dem weitläufigen Areal schwer zu schätzen - sind am Dienstagmittag aufs muslimische Gräberfeld gekommen. Auch Generalkonsul Mahmut Niyazi Sezgin ist aus Karlsruhe angereist. Ertekin Ö. war türkischer Staatsbürger.

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Der Tod des 49-Jährigen, der am 23. Dezember auf der Schönau mit einem Messer in der Hand auf Polizisten zulief und mit vier Schüssen niedergestreckt wurde, hat auch in der Türkei für viel Aufsehen gesorgt. Zur Beisetzung sind erneut zahlreiche Medienvertreter erschienen. Die Familie von Ertekin Ö. bittet darum, seine Töchter - angeblich 13, 14 und 18 Jahre alt - nicht im Bild zu zeigen.
Unter den Anwesenden wird ein Foto des Getöteten verteilt, das sich einige an die Jacke kleben. Hauptsächlich türkischstämmige Menschen sind da, aber auch andere Nachbarn und Bekannte. Aus dem Gemeinderat sind die Linke Nalan Erol und der Grüne Gerhard Fontagnier zu sehen. Der konnte der Familie rund 1500 Euro an Spenden übergeben, die das Bündnis Mannheim sagt Ja zu ihrer Unterstützung gesammelt hatte.
Zu Beginn der Zeremonie teilen sich die Trauerenden auf zwei Seiten. Frauen stehen links, Männer rechts. Der Imam der Yavuz Sultan Selim Moschee am Luisenring stimmt die im Koran vorgesehenen Gebete und Gesänge an. Nach muslimischer Tradition geschieht das auf Arabisch. Über den Verstorbenen wird, anders als bei christlichen Trauerreden, nichts weiter gesagt. Nur sein Name ist an den vorgesehenen Stellen eingebaut.
Familie froh über Anteilnahme
Der Leichnam wird aus dem Sarg geholt und, eingehüllt in ein weißes Baumwolltuch, in die Grube gehievt. Nachdem die Trauernden Erde auf das Grab geschaufelt haben, gehen sie wieder. Einen Leichenschmaus oder dergleichen gibt es hier nicht.
Emrah Durkal - Nachbar und Vertrauter der Familie, der sich bei Mannheim sagt Ja sowie in der Schönauer SPD engagiert - zeigt sich am Ende der Beisetzung erfreut, dass so viele Menschen gekommen sind. Für die Hinterbliebenen sei es sehr wichtig zu sehen, dass sie in ihrer Trauer nicht alleine seien.
Auch der Generalkonsul ist wieder weg. Die Familie hat er dem Vernehmen nach bereits am Tag nach den Geschehnissen besucht. Polizeipräsident Siegfried Kollmar drückte ihr sein Mitgefühl in einer Pressemitteilung aus. Oberbürgermeister Christian Specht tat das auf „MM“-Anfrage ebenfalls, sein Statement („sind in Gedanken bei ihm und seiner Familie“) ist auch auf dem städtischen Youtube-Kanal zu finden.
Am Rande der Beisetzung wird auch wieder über die Tat geredet. Erneut hört man Unverständnis vor allem darüber, dass einer der Beamten gleich vier Mal auf den Brustbereich von Ertekin Ö. geschossen hat. Vereinzelt werden Fotos jenes Mannes gezeigt, die offenbar in sozialen Medien die Runde machen. Dort seien viele Emotionen zu registrieren, sagt dazu auf Anfrage ein Sprecher des Landeskriminalamts. Hinweise auf eine Gefährdung jenes Beamten gebe es aber nicht. Der Polizist ist seit dem Vorfall nicht mehr im Dienst. Ob er, wie kolportiert, gar für einige Zeit suspendiert wurde, ließ sich am Dienstag nicht bestätigen.
Eine Polizeisprecherin teilt dem „MM“ indes mit, dass es nun noch in anderer Hinsicht ein Nachspiel gibt. Ein Augenzeuge hatte von Polizisten berichtet, die nach den Schüssen von Umstehenden die Handys gefordert hätten, um Videos zu löschen. Dazu sagte der LKA-Sprecher zunächst, dabei müsse es sich um eine Fehlinformation handeln. Doch Durkal bestätigte die Darstellung. Unmittelbar nach der Tat seien die Polizisten da sehr massiv vorgegangen. Erst später hätten Beamte eines anderen Reviers vor Ort höflich gebeten, Videos unter einem vom LKA eingerichteten Link hochzuladen. Laut der Polizeisprecherin wird die Kriminaldirektion Heidelberg diesen Hinweisen nun nachgehen.
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