Bildungsausschuss - Gesundheitsamt spricht von „hochdynamischem Infektionsgeschehen“ / PCR-Pooltests an sechs Ganztagsgrundschulen gehen weiter

Bei Mannheimer Eltern steigt die Angst vor geschlossenen Schulen

Von 
Bertram Bähr
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Immer öfter klingelt das Telefon. Am anderen Ende: Schule oder Kita, die den Eltern mitteilt, dass sie ihr Kind abholen sollen. Grund: Entweder ist bei Schülerin oder Schüler ein Corona-Schnelltest positiv. Dann muss sie oder er nach Hause und zum PCR-Test, während die Mitschüler in der Klasse bleiben dürfen. Oder in einer Klasse oder Gruppe sind mindestens fünf Kinder oder 20 Prozent positiv getestet. Die Folge: Alle müssen in Quarantäne. Das Gesundheitsamt spricht dann vom „relevanten Ausbruchsgeschehen“.

Stand Donnerstag kommt das 41 Mal vor – bei 35 Schulklassen (von rund 2000) und sechs Kita-Gruppen. Das teilte Peter Schäfer, Leiter des Gesundheitsamts, im Bildungsausschuss des Gemeinderats mit. Vor zwei Tagen waren es mit 28 noch 13 weniger. Das „hochdynamische Infektionsgeschehen“ (Schäfer) zeigt sich auch an den Zahlen des Landes. Seit 22. März veröffentlicht das Kultusministerium schultäglich eine Statistik, die unter anderem die aktuelle Zahl geschlossener Schulen/Klassen, infizierter Kinder und Lehrkräfte aufführt. Seit den Herbstferien gehen die Corona-Fälle durch die Decke. Stand Donnerstag nennt das Land 11 140 infizierte Schüler und 835 Lehrkräfte.

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Das ist ein Vielfaches vom Frühjahr, in der dritten Welle lag die Höchstzahl der infizierten Kinder knapp unter 1500 (30. April). Am Tag vor Beginn der Herbstferien (29. Oktober) dann mit 3395 ein neuer Höchststand. Gerade mal drei Tage dauerte es, bis dieser Rekord nach den einwöchigen Ferien am 10. November mit 3733 eingestellt wurde. Seitdem geht es täglich um mehrere hundert Fälle nach oben. Bei den Lehrkräften sieht es ähnlich aus: Höchststand im Frühjahr (30. April) 163, vor den Herbstferien 198, und drei Tage nach den Ferien 295.

Die Politik ist alarmiert – das Mantra, es gebe keinerlei Schulschließungen mehr, wankt. So sagte Ministerpräsident Kretschmann am Dienstag nur noch, man wolle die Schulen „so lange wie möglich“ offenhalten, auszuschließen sei angesichts der dramatischen Zahlen aber nichts. Sozialminister Manne Lucha hält die Lage derzeit allerdings für beherrschbar und verweist auf relative Zahlen. Von den 4500 Schulen des Landes sind drei (0,07 Prozent) komplett zu, von 65 000 Klassen 247 (0,37 Prozent) in Quarantäne.

Die Eltern beruhigt das nicht, das stellt Thorsten Papendick, Vorsitzender des Mannheimer Gesamtelternbeirats, klar: „Es gibt bei ganz vielen die Befürchtung, dass die Schulen demnächst geschlossen werden. Die Mehrheit will das nicht, aber wie es aussieht, lässt sich das kaum noch verhindern“, befürchtet er angesichts „explodierender Zahlen“. Lange Zeit seien fast alle Infektionen von außen in die Schulen getragen worden. Mittlerweile gebe es auch „Übertragungen innerhalb“.

Corona-Fälle

379 weitere Fälle einer nachgewiesenen Corona-Infektion meldete das Gesundheitsamt Mannheim am Donnerstag – ein neuer Höchststand seit Beginn der Pandemie. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 527,6.

Lag die Gesamtzahl der Fälle vor sechs Wochen noch bei 330, waren es in der vergangenen Woche 1531, teilte Gesundheitsamtschef Peter Schäfer im Bildungsausschuss mit.

Steil nach oben geht die Kurve auch bei den Patienten, die wegen Corona auf den Isolierstationen der Krankenhäuser behandelt werden. Sie liegt jetzt bei 57. Weitere 25 müssen intensivmedizinisch behandelt werden.

In elf Pflegeeinrichtungen in der Stadt gibt es Corona-Fälle, betroffen sind laut Peter Schäfer insgesamt 39 Bewohnerinnen und Bewohner sowie 26 Angestellte.

In der Altersgruppe von sechs bis 18 Jahren liegt die Inzidenz etwa doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung. In Quarantäne sind derzeit 35 Schulklassen (von rund 2000) und sechs Kita-Gruppen. 

Die Situation schlägt vielen Schülerinnen und Schülern ebenfalls auf den Magen, etwa der elfjährigen Luise. Sie schickte dem „MM“ den hier zu sehenden Impfaufruf – eines von mehreren Flugblättern, die ihre Klasse auf Anregung der Lehrerin entworfen hat. „Wir Kinder leiden darunter, dass sich so viele nicht impfen lassen“. Wenn das so bleibe, „vermiest ihr uns die Zukunft“.

Die Position der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst – und damit auch seine – sei völlig klar, so Peter Schäfer: „Wir brauchen einen kompletten Lockdown – außer bei Schulen und Kitas. Sie müssen offen bleiben.“ „Die Eltern wünschen dringendst Präsenzpflicht“, bekräftigt Moll-Direktor Gerhard Weber.

So lange die Schulen offen sind, geht es weiter mit Maskenpflicht – und regelmäßigem Testen. Über die Qualität der Schnelltests gibt es aber viele Beschwerden, weil sie oft unzuverlässig sind – Stichwort falsch positiv. Die Stadt hat allerdings keinen Einfluss auf die Auswahl der Tests, die zentral vom Land beschafft werden. Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei hat sich deshalb an Kultusministerin Theresa Schopper gewandt. „Selbst mit sehr engagiertem Lehrpersonal kann durch die nicht geeigneten Testkits kaum sichergestellt werden, dass eine Corona-Infektion rechtzeitig erkannt wird. Dies ist in der aktuellen Situation sehr kritisch zu sehen“, betont er in einer Pressemitteilung. Die Ministerin müsse „dringend“ dafür sorgen, dass „ausschließlich qualitativ hochwertige Testkits in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestellt werden“.

Er fordert außerdem eine Ausweitung der sehr viel zuverlässigeren PCR-Lolli-Pooltests, die sich an den Modellschulen bewährt hätten. Angela Speicher kann das bestätigen. Die von ihr geleitete Johannes-Kepler-Ganztagsgrundschule ist eine von sechs, die damit seit Ende September arbeiten. Getestet wird eine größere Gruppe, ein Pool. Ist die Probe positiv, müssen alle Schüler Einzel-PCR-Tests machen. Das passiere an der Schule und sei von Stadt und CoVLAB des Klinikums hervorragend organisiert, freut sich Speicher.

Eigentlich wäre der Modellversuch an diesem Freitag ausgelaufen. Er soll aber „an den beteiligten Schulen zunächst bis zu den Weihnachtsferien“ gehen, teilt die Verwaltung mit: „Über eine darüber hinausgehende Verlängerung und eine mögliche Ausweitung auf andere Schulen wird derzeit mit den beteiligten Kooperationspartnern gesprochen.“

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