Mannheim. Trotz Denkmalschutz - das Land will einem Umbau des Stadthauses N 1 nicht im Wege stehen. Das hat Bauministerin Nicole Razavi zugesagt. Wenn die Stadt gute Konzepte vorlege, werde man „die notwendige Flexibilität bei den anstehenden Genehmigungen an den Tag legen“, so die Ministerin bei der Eröffnungsfeier für die „Nacht des offenen Denkmals“ im Oststadttheater im Stadthaus N 1. „Wir wollen Denkmälern keine Käseglocke überstülpen“, so die Ministerin.
Stadt und Landesdenkmalamt haben N 1 bewusst als Schauplatz für die landesweite Eröffnungsveranstaltung zum „Tag des offenen Denkmals“ ausgesucht. Zum Auftakt zeigen zwei Mitglieder vom Tanzensemble des Nationaltheaters dann auch noch den Tanz „Lost Place“. „Aber der Titel hat nichts mit dem Ort zu tun“, versichert Oberbürgermeister Christian Specht. „Wir arbeiten intensiv daran, dass das Stadthaus kein Lost Place wird“, versichert er. Schon vor den Reden hat er vom Balkon von N 1 aus der Ministerin das alte Postgebäude gezeigt. Hier sei hinter einer denkmalgeschützten Fassade ein modernes Hotel entstanden. Das sei „wunderbar gelungen“ und ein positives Beispiel, wie man dem Denkmalschutz trotz wirtschaftlicher Nutzung Rechnung tragen könne.
Die Stadt wende allein für die Denkmäler in ihrem Eigentum jährlich einen mittleren sechsstelligen Betrag auf. „Das reicht eigentlich nicht, aber wir sind nicht in der Lage, mehr zu tun“, so Specht. Er wolle „einen Großteil des Bestands erhalten“, aber es komme immer wieder zu „Zielkonflikten“. Kritik am Landesdenkmalamt verpackt er so, dass er bedauert, dass bei der Zerstörung vieler historischer Bauten in der Nachkriegszeit die - damals noch gar nicht bestehende - Behörde nicht „mit der gleichen Rigorosität, dem gleichen Durchsetzungsvermögen“ vorgegangen sei.
„Wir haben nichts davon, wenn Läden dichtgemacht werden“
„Die Herausforderungen sind riesig“, räumt die Ministerin ein. Die Kritik am Landesdenkmalamt sei ihr „nicht verborgen geblieben“. Sie wisse, dass es gerade wegen N 1 „in Mannheim ein bisschen rumort“. Sie lobt das Stadthaus als „postmodernes Ausrufezeichen“ wie die anfangs auch umstrittene neue Staatsgalerie Stuttgart. Aber dann gesteht sie ein, dass die Staatsgalerie die in sie gesetzten Nutzungserwartungen erfüllt habe, „N 1 nicht so recht“. Beim Denkmalschutz plädiere sie für den Grundsatz „Schützen durch nützen“. Claus Wolf, Präsident des Landesdenkmalamtes, bezeichnet N 1 zwar auch als „exemplarisches Bauwerk der Postmoderne“, signalisiert später in der Nacht aber nochmal Entgegenkommen. „Wir haben ja nichts davon, wenn hier nochmal drei Läden dichtgemacht werden“, sagt er gegen Mitternacht im Stadthaus.
Zuvor sind die Ministerin, der Oberbürgermeister und Wolf mehr als fünf Stunden in der Stadt unterwegs und nutzen das, wie Razavi lobt, „fantastische Programm“ zur „Nacht des offenen Denkmals“. Zunächst steuert Specht mit der Ministerin ein Kuriosum an, das aber bewusst ins Programm aufgenommen worden ist: Lothar Mandlers Spielzeugladen in C 3, ein Paradies für Sammler von Blechspielzeug, Modelleisenbahnen und Figuren. Sofort findet da nicht nur Modellbahnfreund Specht, sondern auch die Ministerin Gefallen an historischen Märklin-Loks - denn der bekannte Hersteller liegt in ihrem Wahlkreis.
Erinnerung an zugesagten Probensaal
Nächste Station ist noch so ein Kleinod: das von 1725 stammende Barockhaus in D 4,4 mit Laubengang, genutzt vom Förderband. Als Barbara Stanger, Leiterin dieser Einrichtung der Jugendberufshilfe im Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), Ministerin und OB im ehemaligen Haus der Niederbronner Schwester begrüßt, sitzen da schon sehr viele Gäste im Innenhof. Dass die „Nacht des offenen Denkmals“ ein Erfolg wird, spüren die Initiatoren spätestens wenige Schritte weiter: Vor dem Leihamt in D 4, 9, im Jahr 1901 für die ehemalige Südwestdeutsche Bank gebaut, gibt es schon eine Warteschlange von knapp 30 Metern – aber die Wartezeit lohnt sich angesichts des prachtvollen Innern, das Geschäftsführer Anton Meinzer zeigt.
„Phänomenal“ staunt die Ministerin über die Nachnutzung der Trinitatiskirche als Eintanzhaus, die ihr dessen Leiterin Daria Holme vorstellt. Johannes Striffler, Sohn des Architekten Helmut Striffler, erklärt das Konzept der Wand-Betonkassetten mit leuchtenden Glaselementen - aber auch, dass deshalb die Idee, hier einen Probesaal für die Musikhochschule einzurichten, gescheitert ist, da sie nicht schalldicht sind. Der OB nutzt die Gelegenheit, die Ministerin zu erinnern, dass das Land den Bau eines solchen Probensaals zugesagt hat.
Rita Althausen, ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, macht die Ministerin in F 3 mit der Geschichte des Jüdischen Gemeindezentrums vertraut, Pfarrer Theo Hipp in St. Sebastian - angesichts einer Palästinenserdemonstration auf dem Marktplatz - mit seinen Anstrengungen für ein gutes Miteinander der Kulturen und Religionen an diesem Standort. „Sehr gut“ sei die Resonanz auf die „Nacht des Denkmals“ sagt Hipp noch, und das beweisen gleich mehrere große Gruppen, die durch Kirche und Standesamt geführt werden.
Die Veranstalter zählen rund 12.000 Besucher
Noch viel mehr Gedränge herrscht im Herschelbad. „Schon um 18 Uhr stand hier ein ganzer Pulk davor, der Andrang ist Wahnsinn“, freut sich Gisela Frank vom Verein „Freunde und Förderer des Herschelbades“. Dessen Vorsitzende, Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori, schwärmt vom „Jugendsitil-Juwel“ und berichtet von ihrer Hoffnung, die geplante Schließung noch abzuwenden. „Die Leitungen, die Technik sind völlig maorode“, macht ihr Specht keine Hoffnung. „Aber es ist echt ein Juwel“, sagt die Ministerin und dankt den Ehrenamtlichen.
Das tut sie auch auf dem Museumssschiff. Rolf Götz, Vorsitzender des Trägervereins, schildert süffisant, dass das Landesmuseum den alten Raddampfer habe verschrotten wollen. Dafür dankt er - unter Beifall von einigen seiner Aktiven - dem Landesdenkmalamt, dass es das Schiff unter Schutz gestellt hat. „Das passiert nicht so oft, dass das Amt Beifall kriegt“, wundert sich die Ministerin da. „Sehr beeindruckend“ findet sie, wie die Ehrenamtlichen das Museumsschiff jetzt betreiben.
Noch mehr beeindruckt ist sie im Wasserturm, mal das Mannheimer Wahrzeichen von Innen zu sehen. Gegen 21.45 Uhr haben das vor ihr schon rund 1000 Menschen gemacht, mindestens die gleiche Menge steht geduldig in einer Warteschlange. Fast überall ist in dieser Nacht sehr viel los. „Alle Führungen voll, hohe Nachfrage, gute Stimmung“, berichtet Nele Haller vom Nationaltheater. „Sehr, sehr viele“ Interessenten seien es an der Sternwarte gewesen, so Helen Heberer vom Verein Stadtbild, viele habe man wegen der begrenzten Kapazität vertrösten müssen. „Wir wurden überrannt“, berichtet Konrektorin Sandra Geider von 1000 Besuchern und langer Warteschlange vor der Bunker-Besichtigung in K 5, und eine ebenso lange Schlange gibt es vor dem Einstieg in die Kanalisation. Am Ende kommen die Veranstalter auf rund 12.000 Besucher. „Es war schon überall extrem viel los“, fasst Specht zufrieden die Berichte der Beteiligten zusammen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zusage für N 1: Eine gute Nachricht für Mannheim