Mannheim. Was als kurze Reise in die Heimat geplant war, endete nach sechs Monaten mit der Flucht nach Deutschland: Reza Shari ist zurück in Mannheim, nachdem er im Juni im Iran kurz nach seiner Einreise festgenommen worden war. „Ich hatte keine andere Wahl als zu fliehen. Sonst wäre mein Leben zerstört gewesen“, berichtet er dem „MM“.
Seit 20 Jahren "House of Beauty" am Wasserturm
Zwei Herzen schlagen in seiner Brust - eines für Mannheim, die Rhein-Neckar-Region, Deutschland und Europa. „Und eines schlägt für meine persische Kultur“, sagt der Beauty-Unternehmer, der seit über 20 Jahren sein „House of Beauty“ am Wasserturm betreibt. Deswegen habe er auch einen Teil der Entwicklung seiner Düfte in den Iran verlegt. Immer wieder reiste er deshalb geschäftlich in das Land. Und natürlich auch, um Freunde und Familie zu besuchen. Nie gab es Schwierigkeiten - bis zum Juni 2023. Wenige Tage nach seiner Einreise wurde er verhaftet. Der Vorwurf: Kritik an der iranischen Regierung. Er soll Anführer regimekritischer Proteste gewesen sein. In Deutschland hatte er sich zuvor an Protesten beteiligt.
Reza Shari kam ins berüchtigte Gefängnis Evin im Norden Teherans. „Trakt 209“, sagt er leise. In diesem Teil, der dem Geheimdienst untersteht, sind die politisch Gefangenen inhaftiert. Er ist bekannt für seine Einzelzellen mit der Grundfläche von einem auf zwei Metern.
Hoffnung auf Begnadigung gehabt
Über seine Haftbedingungen möchte er nicht sprechen. „Das kann man nachlesen“, so der 48-Jährige und fügt hinzu: „Aber ich war nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Ich bin Parfümeur, ein sehr feinfühliger Mensch. Man kann sich vorstellen, was es für mich bedeutet hat, in so einem Gefängnis gelandet zu sein.“ Gegen Kaution habe er nach einigen Wochen schließlich frei kommen können, das Land aber nicht verlassen dürfen. Im Gespräch mit dem „MM“ Mitte Oktober hatte er noch auf Begnadigung gehofft und an die Barmherzigkeit der iranischen Regierung appelliert.
Vergebens. Kurz darauf wurde er zu einer Haftstrafe von insgesamt vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. „Da wusste ich, dass mir nur die Flucht bleibt“, berichtet Shari. Schlepper hätten ihn dann über den Irak in die Türkei gebracht. Von dort sei er nach Frankfurt geflogen - mit Hilfe seines deutschen Passes, den er ebenso besitzt wie die iranische Staatsangehörigkeit. „Das ist die Kurzversion meiner Geschichte, die ich erzählen kann, ohne dass ich zusammenbreche“, beendet Reza Shari die Zusammenfassung der Ereignisse mit Tränen in den Augen.
Shari: „Fühle mich nirgendwo sicher“
Niemand außer ihm selbst habe von der Flucht, die drei Tage gedauert habe, gewusst: „Ich wollte Freunde und Familie schützen, sie sollten sich nicht strafbar machen, indem sie davon gewusst hätten.“ Er habe ihnen einen Abschiedsbrief hinterlassen - für den Fall, dass er die Flucht nicht überlebe. „Es kommt ja manchmal vor, dass die Schleuser nur auf das Geld aus sind“, sagt er.
Seit etwa zwei Wochen ist der Deutsch-Iraner nun wieder in Mannheim. „Aber ich habe Angst, ich fühle mich nach dem, was ich erlebt habe, nirgendwo mehr sicher“, gesteht er. Seine ebenfalls in Deutschland lebende Schwester sei Tag und Nacht bei ihm und lasse ihn nicht alleine. Er bekomme auch Unterstützung von Staatsschutz und Bundesnachrichtendienst, befinde sich in einer „Schutzmaßnahme“. „Man kümmert sich um mich und gibt mir das Gefühl, hier sicher zu sein. Aber das fällt mir noch schwer“, so Shari.
Lage im Iran falsch eingeschätzt?
Im Iran habe er Kontakt zur deutschen Botschaft gehabt. Aber man habe nichts für ihn getan. „Denn das hätte auch nach hinten losgehen können“, weiß der Deutsch-Iraner. Wieder in Mannheim zu sein, fühle sich surreal an. Er könne das noch gar nicht glauben, habe keinen Boden unter den Füßen. Um das Erlebte zu verarbeiten, bekomme er therapeutische Hilfe. „Ich bin sehr dankbar, dass ich medizinisch so gut betreut werde“, berichtet der Beauty-Experte, der auch schon wieder in seinem Salon arbeitet. „Das lenkt mich ab, und mein Leben muss ja weitergehen“, sagt er und fügt hinzu: „Aber sogar bei der Arbeit erlebe ich immer wieder Flashbacks.“
Hat er die Lage im Iran falsch eingeschätzt? Warum ist er überhaupt dorthin gereist? „Ich bin generell ein entscheidungs- und risikofreudiger Mensch“, erklärt er. Die persische Kultur sei Teil seiner Identität, er liebe das Land. „Nie im Leben hätte ich mir vorstellen, dass so etwas passiert, sonst wäre ich auf gar keinen Fall hingeflogen“, gesteht er.
Shari freut sich über viele positiven Nachrichten
Überwältigend für ihn seien die vielen positiven Nachrichten, Wünsche und die Anteilnahme aus Deutschland gewesen, als er noch im Iran festgesessen habe. „Das hat mir so viel Kraft gegeben“, bedankt er sich bei Freunden und Kunden für deren „bedingungslose Solidarität“. „Ich wusste nicht, dass ich so beliebt bin“, zeigt er sich berührt.
Wieder zuhause ankommen, das in den vergangenen Wochen Erlebte verarbeiten und sich um sein Geschäft kümmern, das während seiner Abwesenheit gelitten habe - diese Dinge haben für den 48-Jährigen in den nächsten Wochen Vorrang. Und dann will er sich Wünsche erfüllen, die er immer wieder auf die lange Bank geschoben habe. „Aber am glücklichsten bin ich gerade, wenn ich Familie und Freunde um mich habe. Das gibt mir so viel Wärme“, sagt Reza Shari. Alles andere komme später: „Denn ich werde noch lange Zeit brauchen, um mich hier wieder zurecht zu finden.“
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