Mannheim. Der Erreger mit dem zungenbrecherischen Namen Respiratorisches Synzytial-Virus grassiert und attackiert vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern die Atemwege. „Mehr als ein Drittel unserer Betten sind von Mädchen und Jungen mit schweren RSV-Infektionen belegt“, kommentiert Oberarzt Stefan Weichert von der Klinik für Kinder-und Jugendmedizin an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM). Die Situation in Praxen schildert Fachärztin Annette Suhr-Wallem: „Wir sind am Anschlag!“
Der Kliniker wie auch die niedergelassene Ärztin berichten, dass es vor einem Jahr und in der Wintersaison davor vergleichsweise wenig RSV-Infektionen gab - bedingt durch Corona-Schutzmaßnahmen wie Lockdown und Masken.
Das Virus
Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RS-Virus oder RSV, ist bei Säuglingen und Kleinkindern der häufigste Auslöser von akuten Infektionen der unteren Atemwege. In den ersten drei Lebensmonaten können diese besonders schwer verlaufen.
Als Symptome gelten Schnupfen, Husten , Fieber – es kann aber auch zu einer spastischen Bronchitis oder Lungenentzündung kommen.
Eine Infektion verleiht keine vollständige Immunität, allerdings verlaufen erneute Ansteckungen meist wesentlich milder.
Innerhalb der ersten zwei Lebensjahre machen nach Angaben des Landesgesundheitsamts fast alle Kinder mindestens eine Infektion mit dem RS-Virus durch.
Doch jetzt wendet sich das Blatt: Das Immunsystem jener Mädchen und Buben, das in den letzten zwei Jahren nicht die übliche Entwicklung durchgemacht hat, vermag dem RS-Virus wenig Widerstand zu leisten. Dazu kommt, dass in Krippen und Kitas viele Sprösslinge aufeinander-treffen, deren körpereigene Abwehr in keiner Weise auf den aggressiven Erreger vorbereitet ist. Kinderärztin Suhr-Wallem, die sich mit Kolleginnen und Kollegen austauscht, berichtet, dass die Welle mit RS-Infektionen vor sechs Wochen „so richtig heftig“ angerollt ist: „Manche Kinder hatten erst nur einen Schnupfen, und schon am nächsten Tag bekamen sie keine Luft mehr.“
Bei schwerer Atemnot und starker Verschleimung müssen kleine Patienten so gut wie immer in die Klinik verlegt werden, damit sie dort bei Rund-um-die-Uhr-Überwachung zusätzlichen Sauerstoff erhalten. „Schon im Oktober sind uns die ersten Kinder mit RSV-Infektionen überwiesen worden“, blickt der für Infektiologie zuständige Pädiater zurück. In der UMM-Klinik, erläutert Weichert, gehört zu den Beatmungstherapien auch die High-Flow-Methode. Bei diesem nicht-invasiven Verfahren handelt es sich um die Zufuhr von angefeuchteter und beheizter Luft, die mit Sauerstoff versetzt über eine nasale Kanüle verabreicht wird.
Wenn das weltweit verbreitete RS-Virus Atemorgane von Menschen aller Altersgruppen angreift, dann sind vor allem Säuglinge gefährdet, die noch nicht ausgereift auf die Welt gekommen sind. Für Frühgeborene gibt es eine passive Immunisierung mit Antikörpern. Dazu heißt es auf Homepage des Robert- Koch-Instituts: „Das Präparat ist während der RSV-Saison monatlich intramuskulär zu applizieren. Die Schutzwirkung beginnt mit der Verabreichung der ersten Dosis, erreicht aber erst nach der zweiten Dosis ihr Wirkmaximum.“ Das RKI betont, dass pädiatrische Fachgesellschaften diese vorbeugende Behandlungsform bislang nur für ausgewählte Risikogruppen wie Frühgeborene empfehlen. Eine Impfung, die zur aktiven Immunisierung generell Kleinkindern oder immunschwachen Erwachsenen verabreicht werden könnte, steht bislang nicht zur Verfügung.
In ganz Baden-Württemberg und auch in Bayern hatten Kliniken und niedergelassene Ärzte zuletzt extrem viele Fälle von RSV-Infektionen gemeldet und von einer starken Krankheitswelle gesprochen. Landes-Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) hatte deshalb vergangene Woche die an der Versorgung beteiligten Partnerinnen und Partner zu einem digitalen Fachgipfel zusammengerufen.
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