Wichtige Drehscheibe der US-Armee

Anwohner beobachten Transporte von Gerät aus der Coleman-Kaserne in Sandhofen

Von 
Peter W. Ragge
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2015 gestattete die US-Armee der Presse zuletzt einen Blick in die eigens eingerichteten Werkstätten zur Wartung von Panzern und Fahrzeugen. © Markus Prosswitz / masterpress

Mannheim. Die Wachen sind noch nervöser als sonst und werden zeitweise durch Militärpolizei ergänzt. Leere zivile Tieflader mit Kennzeichen aus Osteuropa steuern das Gelände an und verlassen es, beladen mit gepanzerten Fahrzeugen. Und an den Bahngleisen wird das Gebüsch geschnitten, damit die Züge besser durchkommen. All das schildern Anwohner der Coleman-Barracks. Dass die verstärkten Aktivitäten der amerikanischen Streitkräfte zwischen Scharhof und Blumenau mit der sich zuspitzenden Krise in Osteuropa zusammenhängen, ist möglich - wird aber nicht offiziell bestätigt.

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Die 1935 als Fliegerhorst der Wehrmacht gebaute Kaserne war 1945 von Amerikanern besetzt worden. Sie wurde für eine Infanteriedivision und Transporteinheiten, als Flugplatz sowie Hubschrauberwerft und Tanklager genutzt. Auch das einzige US-Militärgefängnis außerhalb der USA sowie der Soldatensender AFN befanden sich hier. Diese Einrichtungen sind alle seit 2014 geschlossen. Heute heißt der Standort „Coleman Worksite“ und ist Sitz eines Heeresfeldunterstützungsbataillons - und eines der größten Lager der US-Armee weltweit außerhalb der Vereinigten Staaten.

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Das hat die US-Armee stets so kommuniziert. Die Kaserne sei „immer ausgerüstet und bereit“, die Ausrüstung einer Brigade zu lagern, zu warten und bei Bedarf auszugeben, bestätigt die Pressestelle des Wiesbadener Hauptquartiers, also des U.S. Army Europe and Africa Public Affairs, auch jetzt wieder. Bestätigt wird ebenso, dass dort 500 Menschen arbeiten - Soldaten wie zivile Mitarbeiter. Aber „aus Gründen der Sicherheit“ gebe man keine weiteren Auskünfte. Alle Fragen zur Zahl oder Art von Transporten, deren Anlass oder Ziel oder zu Typen und Anzahl des eingelagerten Geräts sowie zur Qualifikation und Tätigkeit des eingesetzten Personals bleiben offen. Dazu gebe es keine Antwort, heißt es.

Auch Rathaus weiß nicht Bescheid

Nicht einmal im Rathaus ist bekannt, was genau dort passiert. 2015 durfte zuletzt Presse auf das Gelände. Da hatten die Amerikaner buchstäblich wenige Tage vor der geplanten Übergabe im Januar 2015 - und damit wenige Monate nach dem Überfall der Russen auf die Krim - bekanntgegeben, dass sie das 220 Hektar große Areal doch nicht, wie 2010 angekündigt, räumen und zur zivilen Nutzung freigeben. Sie schlugen es der Garnison Rheinland-Pfalz zu, sprachen aber nur von einer „Zwischenlösung“, bis „geeignete Einrichtungen mit unseren östlichen Nato-Partnern gefunden“ worden seien, so die US Army.

2017 wurde es plötzlich ein „strategischer Standort“ als Materiallager für eine schnelle Eingreiftruppe für Osteuropa. Im August vergangenen Jahres teilten die Amerikaner offiziell mit, dass Coleman dauerhaft einer der deutschen Standorte sein soll, der nicht aufgegeben wird. Schließlich liegt er nahe an der Autobahn, nahe bei der „Nato-Rampe“ an und über den Rhein und die Kaserne hat einen Bahnanschluss mit 5,5 Kilometer Gleisen auf Coleman, wo bis zu vier Güterzüge gleichzeitig zusammengestellt werden können.

Direkter Bahnanschluss: Die Coleman-Kaserne hat eigene Gleise zum Transport von Militärgerät, das von hier auf Schwerlastwaggons nach ganz Europa geht. © Prosswitz

Nach früheren „MM“-Informationen lagerten hier 1000 Lastwagen, dazu 250 M1-Abrams-Kampfpanzer, M2-Bradley-Schützenpanzer, Haubitzen und Räumpanzer. Sie werden, so hieß es 2015, in eigens eingerichteten Werkstätten hier gewartet, ab und zu getestet und bewegt. Nach Einsätzen im Irak trugen viele Fahrzeuge helle Wüstentarnfarbe und wurden in Sandhofen umgespritzt, in die übliche mitteleuropäische grün-braune Tarnfarbe. Es handelt sich im Material für eine Panzerbrigade, deren 5000 Soldaten im Ernstfall aus den USA nach Ramstein geflogen werden sollen.

Coleman spielte Hauptrolle bei Nato-Manöver

„Aber Coleman ist mehr: Eine der wichtigsten Drehscheiben der Amerikaner in ganz Europa“, sagt ein damit vertrauter Militärfachmann, „und eines der wichtigsten, größten Depots“. Das zeigen zwei Beispiele aus dem vergangenen Jahr. Einmal übten die Amerikaner auf Coleman an einem Prototyp eines neuen Waggons der Bahn schnelleres Verladen und Festzurren von Panzern. Die Waggons seien eigens entwickelt worden, um militärische Ausrüstung kurzfristig in ganz Europa transportieren zu können - auch den 73 Tonnen wiegenden neuesten Abrams-Panzer, der schwerer ist als seine Vorgänger.

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In diesem Zusammenhang war davon die Rede, auf Coleman lagerten 65 000 Ausrüstungsgegenstände und über 500 gepanzerte Fahrzeuge, darunter die neueste Generation an Panzern. Und nicht nur das: Über Bremerhaven kamen aus den USA mehr als 650 leichte gepanzerte und speziell gegen Minen geschützte Transportfahrzeuge, Nachfolger des legendären Humvees, nach Sandhofen. In Coleman wurden Waffen und Funkgeräte eingebaut und dann die Auslieferung an die Truppen in Europa organisiert.

Auch beim großen Nato-Manöver „Defender Europe 2020“ spielte Coleman bei der großen Verlegung von amerikanischen Truppen für die Übung eine Hauptrolle. Ob die jetzigen verstärkten Aktivitäten mit dem ab Mai geplanten Manöver „Defender 2022“ oder mit der Ukraine-Krise zusammenhängen - die Amerikaner wollen es nicht sagen.

Redaktion Chefreporter

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