Mannheim. Der Schlosshof hat sich am Samstagmittag in eine farbenprächtige Arena verwandelt. Frauen mit bunten Haaren und Make-Up schmücken ihre Fahrräder mit Regenbogenflaggen. Drei junge Mädchen bieten kostenlose Umarmungen an und Männer in schrillen Kostümierungen tanzen ausgelassen zu Rihannas Hit „SM“. Auch in diesem Jahr veranstaltet der CSD Rhein-Neckar den Christopher-Street-Day (CSD) als coronakonforme Fahrrad-Demo mit anschließender Abschlusskundgebung. Rund 2000 Teilnehmer fahren dabei über die Brücke nach Ludwigshafen und wieder zurück nach Mannheim. Die schillernde Veranstaltung, bei der viele Mitwirkende in bunter, sexy Kleidung feiern, hat einen ernsten Hintergrund: Dabei wird an den ersten bekannt gewordenen Aufstand von homosexuellen und anderen Mitgliedern der LGBTIQ+ -Community gegen Polizeiwillkür im Jahr 1969 gedacht. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Queer möchten sich damit für gleiche Rechte für alle einsetzen. In diesem Jahr lautet das Motto: „Na K.L.A.R.“. Das Akronym steht für Kultur, Lebenslust, Akzeptanz und Respekt. Uwe Hörner vom CSD Deutschland erklärt, dass man Solidarität mit der Gastronomie und Kulturszene, ihnen Wertschätzung entgegen bringen, und auch wieder etwas zurückgeben.
Auch die Kirche setzt sich mit dem Thema Respekt und Solidarität auseinander. Bei einem Gottesdienst beten Peter Annweiler, Regina Bauer, Günther-Johannes Barth, Anne Ressel und Gerrit Schütt gemeinsam mit rund 20 Gläubigen. „Wie gut dass unsere Stadt sich jetzt die Selbstverpflichtung gegeben hat, ein Freiheitsraum für LGBTIQ+ zu sein“, sagt CSD-Schirmherrin und Pfarrerin Ilka Sobottke. „Queere Menschen sollen hier erleben, dass sie alle Freiheit haben, ohne Ausgrenzung zu leben, zu arbeiten und sich zu entfalten. In Gott ist die Frage danach, welche Liebe sein darf, nicht durch spießige Konventionen vorgegeben. Unsere Kirche ist ein Freiheitsraum für LGBTIQ+ und ihre Freundinnen und Freunde.“ (Das gesamte Grußwort von Ilka Sobottke unter mannheimer-morgen.de)
- Beim Cristopher Street Day (CSD) wird an den ersten Aufstand der LGBTIQ+ -Community gegen Polizeiwillkür im Jahr 1969 gedacht.
- 2021 lautet das Motto: "Na K.L.A.R." Das Akronym steht für Kultur, Lebenslust, Akzeptanz und Respekt. Laut Uwe Hörner vom CSD Deutschland soll das die Solidarität mit der Gastronomie und Kulturszene ausdrücken.
- Den Gottesdienst vor der Demo gestalteten Peter Annweiler, Regina Bauer, Günther-Johannes Barth, Anne Ressel und Gerrit Schütt. cap
Partnerlook und Liebe auf den ersten Blick
Sebastian und Heiko sind seit über einem Jahr ein Paar. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Sebastian und lächelt seinen Freund verliebt an. Für den CSD gehen sie im bunten Partnerlook: weiße Shorts, Flügel in Regenbogenfarben und Glitzer. „Das Make-Up ging ruckizucki in einer halben Stunde“, erzählt Heiko und lacht. Die beiden Baden-Badener gehen öfter auf CSD-Veranstaltungen. „Es geht hier nicht mehr nur um Toleranz sondern Akzeptanz“, sagt Sebastian ernst. „Um gleiche Rechte für alle.“ Das Paar ist mit dem Zug angekommen, wo sie mit ihrem schrillen Aussehen im Fokus standen, erzählen sie. Die Kommentare seien durchweg positiv gewesen, sagt Heiko erfreut. „Wir haben totale Akzeptanz erfahren.“ Neben schlüpft Darian in seine Rollerblades. Der Ansbacher hat sein Rad daheim gelassen und nimmt auf Rollschuhen an der Demo teil. „Ich bin zum ersten Mal hier“, erzählt der 19-Jährige, der sich vor einem dreiviertel Jahr Familie und Freunden als bisexuell und genderfluid geoutet hat. In Nürnberg hatte er am CSD teilgenommen und fand es toll, so dass er extra auch nach Mannheim fahren wollte. Und schon dreht er eine Runde auf den Rollen, bevor die Demo losgeht.
Jonas Quade hat mit 25 Jahren schon vieles erlebt. „Ich war drei Jahre mit einer Frau verheiratet und habe einen Sohn“, erzählt er. Doch er habe schon früh gespürt, dass es nicht passt, verheimlichte daher seine Sexualität. Er sei pansexuell, sagt er. Seit einem halben Jahr beschloss er dazu zu stehen und fühlt sich glücklich. „Jetzt bin ich mit einer Transgender zusammen.“ Seine Teilnahme am CSD liegt Quade sehr am Herzen. „Jeder Mensch muss akzeptiert werden und hat das Recht auf ein gutes Leben.“
Klara und Miguel sind aus Mainz angereist. „Wir sind öfter dabei“, erzählt die junge Frau, die für mehr Rechte für die LGBTIQ-Szene kämpft. Die Freunde sind bisexuell. „Man lernt andere aus der Community kennen“, sagt er. Denn auf der Straße jemand anzusprechen sei nicht einfach. „Der Schuss könnte nach hinten losgehen, wenn man auf jemand homophoben trifft.“ Davor habe er ein wenig Angst. „Manche trauen sich auch nicht dazu zustehen“, sagt Klara. Ihr gefällt am CSD auch, dass dort unter den Teilnehmern auch Freundschaften entstehen und dass häufig auch Familien mit Kindern dabei sind. Da die beiden keine Fahrräder dabei haben, bleiben sie auch während der Demo auf dem Schlosshof.
Viele Teilnehmer haben ihre Fahrräder bunt geschmückt. Der Drahtesel von Markus Schlegel zieht viele Blicke auf sich. „Es sieht aus wie ein Schiff“, sagt er über seine selbstgebaute Konstruktion.“ Als Gallionsfigur hätte er gern einen Papagei gehabt, den habe er im Spielzeuggeschäft aber nicht gefunden, verrät er schmunzelnd. Stattdessen ziert eine Plüschente sein bereiftes Schiff. Die Veranstaltung gefällt dem Mannheimer. „Ich finde es ist ein tolles Zeichen für Vielfalt und Toleranz“, lobt er. Gleichzeitig ist er passionierter Radfahrer.
"Bunte Stadt ist ein ganz wichtiges Zeichen"
Inzwischen haben sich die Rad- und Rollerfahrer formiert: Aus den Lautsprecherboxen dröhnt der King-Song „Love and Pride“ als sich jung und alt auf den Weg zum Berlinerplatz in Ludwigshafen machen. Die Abschlusskundgebung findet nach der Rückkehr der Demo auf dem Schlossplatz statt. Hörner und Megan Billing (CSD Rhein-Neckar) moderieren die Veranstaltung. Lokalpolitiker der umliegenden Kommunen kommen ebenso zu Wort wie Gruppen und Vereine der queeren Community. SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Riehle spricht auch stellvertretend für die Kulturbranche, die unter der Corona-Pandemie besonders stark gelitten hat. In dieser Zeit habe man gemerkt. „Wir sind lebensrelevant. Weil wir dafür sorgen, dass wir Gesellschaftsdiskussionen anstoßen“, sagt er. „Es ist ganz wichtig, dass wir endlich wieder kulturelle arbeiten können und dürfen. Dafür sind wir alle unglaublich dankbar.“ Er fügt hinzu. „Diese bunte Stadt ist ein ganz wichtiges Zeichen, weil wir natürlich auch von Queerness leben.“
Lisa Schlode von PLUS ev. erinnert an den Beginn des CSD. Aufgrund der Pandemie mussten besonders auch junge queere Menschen leiden. „Es ist wichtig, dass wir wieder Raum nehmen, laut werden und das Leben feiern“, sagt sie. „Lasst uns weiter für eine bessere, freie Gesellschaft kämpfen, in der alle ohne Angst verschieden sein können.“ Die Atmosphäre tut auch den Freundinnen Nadine und Fabi gut. „Man kann hier sich selbst sein“, sagt Nadine aus Weinheim. Fabi fügt hinzu. „Wenn man eine Maske aufsetzt, kann man auch mit anderen Leuten reden.“
Tänzer des SKV Sandhofen präsentieren eine flotte Choreographie die zeigt: Love is the Message (Die Botschaft ist Liebe). Ihre Liebe zeigen auch Sabrina und Julia. Das lesbische Paar hat kürzlich seinen ersten Hochzeitstag gefeiert. Die Teilnahme am CSD ist für die Schwetzingerinnen Ehrensache. Sie möchten zu ihrer Beziehung stehen und akzeptiert werden, sagt Julia. Ihre Frau fügt hinzu. „Wir zeigen uns und haben Spaß.“ Die Stimmung sei auch auf dem Fahrrad gut gewesen.
Für Heiterkeit sorgten nicht zuletzt der Auftritt von Die Schlagertanzen. Wenn Travestiekünstler Markus Beisel alias Céline Bouvier zusammen mit Miss Melany Hääig und Francesca Galileo Songs wie „I’m so excited“ bis „Moskau“ auf die Bühne bringen, kennen die Zuschauer kein Halten mehr. Sie singen und tanzen gut gelaunt. „Ihr seid so süß“, seufzt Bouvier ins Mikrophon. „Flippt total aus, wir haben seit zwei Jahren kein richtiges Publikum gehabt.“ Das stimmgewaltige Gesangstrio gab zudem anschließend im Rahmen der Kulturtragflächen ein Konzert auf den Rheinterrassen. Das sei eine Premiere, sagt Cilly Dickmann, Pressesprecherin des CSD. Zu der Demo seien mehr Leute gekommen, als sie erwartet hatte. „Ich bin positiv überrascht.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Queeres Leben in Mannheim: Ein Freiheits(t)raum?