Kommentar Queeres Leben in Mannheim: Ein Freiheits(t)raum?

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Lea Seethaler
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Letztens habe ich mir den „Atlas des Hasses“ angeschaut. Was das ist? Eine Zusammenstellung von Regionen in Polen, die eine Erklärung unterzeichnet haben, dass sie nun eine Zone frei von „LGBT-Ideologie“ sind. Heißt kurzgefasst: Lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und queere Menschen sollen „raus“. Und sie werden hier nicht „toleriert“. Aber Moment mal. Die Einteilung in Zonen – und Menschen sollen „raus“? Erinnert das nicht an eine dunkle Epoche deutscher Geschichte? Ja.

Drehen wir doch einfach den Spieß um. Um zu verdeutlichen, was diese mitten in Europa getroffene Entscheidung bedeutet. Nehmen wir an, „Hetero-Ideologie“ wäre in Deutschland verboten. Warum? Weil die politischen Machthaber es so wollen. Lieber Leser, liebe Leserin, sind Sie gerade verliebt? Wenn ja, dann hören Sie jetzt bitte auf, Ihren Mann oder Ihre Frau zu lieben, und gehen Sie außer Landes, das geziemt sich nicht. Zudem schreiben andere über Sie: „Peinlich!“, „Ekelhaft!“, „Ich kotze auf die Straße“, „Ja es ist okay, aber ich will es nicht sehen“ – so geschehen auch unter dem „MM“-Facebookpost zum CSD.

Solche Kommentare gegen LGBTIQ-Menschen und Übergriffe sind real. Die Mannheimer Polizei vermutet eine hohe Dunkelziffer bei LGBTIQ-feindlichen Angriffen. Mannheim hat sich indes kürzlich zum Freiheitsraum für queere Menschen ausgerufen. Als Kontrapunkt zu oben genannten LGBT-freien Zonen. Ein absolut richtiger Schritt. Doch wir brauchen mehr: mehr konkrete Handlungen und finanzielle Zuschüsse. Gut ist schon: Das Queere Zentrum (QZM) erhielt durch den Gemeinderat 294 000 Euro Anschubfinanzierung. Dennoch: Die psychologische Beratung PLUS sagt über die Beratung bestimmter Zielgruppen: „Wir sehen keinen Cent von der Stadt“, man sei auf unermüdliche Fördermitglieder angewiesen. In der Sicherheitsbefragung werden indes erstmals Queer-Themen erfasst. Auch gut so! Aber: Der „sensible Umgang der Polizei bei Anzeigen bei solcher Gewalt" sei auch hier verbesserungswürdig, so das QZM. Egal, ob Institutionen wie Kirchen, Behörden oder Betriebe: Wir müssen mehr Zeichen setzen. Nicht nur in Werbekampagnen! Auch darum ist der CSD so laut und schrill. Diesmal so laut, dass man ihn bis Polen hören könnte. Viel muss noch passieren, dass der Freiheitsraum kein Freiheitstraum bleibt.

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Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion