Mannheim. Sarah Hofmann steckt lachend den Kopf hinter der Tür hervor, gut gelaunt hüpft sie herein, zieht die Jacke aus, wirft sie aufs Sofa und begrüßt alle mit fröhlichem „Hallo“. Es wirkt wie Nachhausekommen – als ob die 20-Jährige im dritten Stock des Caritas-Zentrums auf dem Waldhof ihren „Place to be“, den Platz, wo sie sein will, gefunden hat. „Ja, hier fühle ich mich wohl“, sagt sie.
Genau das können viele ihrer Freundinnen kaum nachvollziehen. Denn Sarah Hofmann empfindet dieses Glück im Hospiz St. Vincent, einem Ort, an dem Sterbende ihre letzten Wochen verbringen. Jeden Samstag steht sie früh auf, um pünktlich um halb neun auf dem Waldhof zu sein. Sarah Hofmann freut sich immer darauf, so erzählt sie, vor allem auf die Begegnungen. „Wir nennen die Leute hier ,Gäste‘“, erklärt die 20-Jährige: „Mit ihnen verbringe ich Zeit, wir erzählen einfach ein bisschen oder ich begleite sie auf die Terrasse zum Rauchen.“
2011 Abschied von der Oma
Weil sie sich dafür Zeit nimmt, hat Anja Hofmann, Sarahs Mutter, ihre Tochter für „Äfach de Beschde“ nominiert. „Ich habe den Aufruf in der Zeitung gelesen und sofort an Sarah gedacht“, berichtet Anja Hofmann. Als Sarah wenige Wochen später vom Kicken nach Hause kam, beichtete die Mutter ihrer Tochter, dass sie der Zeitung eine Mail geschickt hatte und sie nun eine der sieben ausgewählten Kandidaten sein wird. „Ich dachte, sie veräppelt mich“, erinnert sich Sarah Hofmann an diesen Moment, „ich war sehr überrascht und habe über die Nominierung bisher noch nicht viel gesprochen.“ Und warum? „Na ja, ich komme ja nicht hierher, weil ich muss. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit“, erklärt Sarah Hofmann.
2011 besuchte sie zum ersten Mal ein Hospiz. Damals lag ihre Oma im Sterben, die Familie war überfordert mit der Angst vor dem Abschied. „Wenn ich an diese Zeit denke, erinnere ich mich daran, dass es mit dem Umzug ins Hospiz einfacher wurde“, erzählt Sarah Hofmann, „weil wir wussten, dass die Oma dort gut aufgehoben ist. Auch meiner Mutter wurde in Gesprächen viel geholfen.“ Kurz darauf kam die Mannheimerin auf die Idee, ihr Schulpraktikum im Hospiz zu machen. Einrichtungsleiterin Gabriele Andres fand das aber nicht nur sehr verwunderlich, sondern auch zu früh: „Ich habe ihr gesagt, sie soll wieder kommen, wenn sie mit dem Abitur fertig ist“.
Jahre später, konkret: einen Tag nach ihrem Abiball, stand Sarah Hofmann erneut in Andres’ Büro. „Diesmal habe ich zugestimmt, weil ich gemerkt habe, dass es ihr großer Wunsch ist“, sagt Andres. Seitdem gehört Sarah Hofmann zu den sechs ehrenamtlichen Mitarbeitern der Einrichtung. Acht Plätze für Gäste gibt es im Hospiz, 14 Teilzeit-Mitarbeiter kümmern sich um sie.
Obwohl die Studentin nach jedem Tag im Hospiz viel zu erzählen hätte, findet sie kaum Gesprächspartner. „Meine Freunde finden zwar gut, was ich mache, aber ich muss das Thema dosieren. Zu viel davon verkraften sie nicht gut“, sagt Sarah Hofmann. Und sie? Gibt es denn nie Tage, an denen ihr das immer wiederkehrende Abschiednehmen unter die Haut geht? „Doch, die gibt es schon, aber ich bin hier gut aufgehoben, wir besprechen im Team alles miteinander.“ Alleinesein mit einem Sterbenden – „das ist eine Situation, die ich versuche zu vermeiden“, erklärt die 20-Jährige, „dann hole ich mir jemanden vom Team dazu. Das klappt immer sehr gut, eigentlich ohne, dass wir viele Worte darüber verlieren müssen.“
Die 20-Jährige macht derzeit parallel zum BWL-Studium die Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin. Wohin sie ihr beruflicher Weg letztlich führen wird, weiß sie im Moment noch nicht. „Ich kann aber sagen, dass ich das Studium ohne den Ausgleich hier im Hospiz nicht so gut packen würde.“
Es sei ein Geschenk, hier einmal in der Woche sein zu dürfen, betont Sarah Hofmann: „Denn immer, wenn ich durch diese Tür wieder nach Hause gehe, fühle ich mich reicher und gestärkt.“
Am nächsten Donnerstag stellen wir eine griechische Wirtin vor, die Menschen mit Behinderung bekocht.
Nach Abitur Wirtschaftsstudium begonnen
- Sarah Hofmann wurde am 12. Februar 1997 geboren.
- Im Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium in Neckarau machte sie ihr Abitur.
- Direkt im Anschluss startete sie mit ihrem Studium an der Dualen Hochschule, wählte die Fächer Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsförderung.
- Die Hobbys der 21-Jährigen sind Fußball und Lesen. Zum Entspannen schaut sie gerne Serien.
Die Abstimmung
Sie wählen den Sieger!
Immer donnerstags haben wir Ihnen einen Kandidaten für "Äfach de Beschde" vorgestellt. Am 23. Dezember begann die die Abstimmung. Jeder konnte im Internet oder per Postkarte seine Stimme abgeben. Bei der Auszählung wird nur eine abgegebene Stimme pro Person berücksichtigt.
Die Abstimmung ist am 6. Januar 2018 zu Ende gegangen.
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