Mannheim. Gesehen oder in der Hand gehabt hat die Produkte jeder mal, die hier entstehen. Nur weiß kaum jemand, dass sie in Käfertal erdacht, konstruiert und produziert werden - bei der Kartonagenfabrik Rack & Schuck. Am Wochenende feiert das Familienunternehmen, das mit 70 Angestellten einen Umsatz von jährlich etwa elf Millionen Euro erzielt und in seinem Segment zu den „Hidden Champions“ (heimliche Marktführer) zählt, sein 125-jähriges Bestehen mit einem Mitarbeiterfest in der SAP Arena.
Buchbinder Carl Rack und Josef Schuck gründen die Firma
Mit Zigarillo-Etuis, schmalen, länglichen Kartons für eine Stola, eine Federboa oder das Korsett, Handschuhkästen, runden Behältern für Zylinder, Schachteln für Kerzen oder „Bureaukästen“ für Ordnung auf dem Schreibtisch geht es 1899 los. Die Reichsgründung 1871 hat für einen großen Wirtschaftsaufschwung gesorgt, und die Plastiktüte ist noch nicht erfunden, also braucht man Industriekartonagen. „Ästhetische Verpackungen sowie bester Warenschutz zählten schon damals zum Markenkern von Rack & Schuck“, so Geschäftsführer Jürgen Bichelmeier. Mannheimer Warenhäuser, eine Kerzenfabrik und die langsam entstehende Industrie sind die ersten Kunden, als die Buchbinder Carl Rack und Josef Schuck die Firma im Quadrat E 1,8 gründen.
Junger Werkstudent übernimmt das Unternehmen
Sein Partner Schuck scheidet zwar schnell wieder aus, aber Rack liefert weit über Mannheims Grenzen hinaus, heimst bei der badischen Gewerbeausstellung 1902 eine Goldmedaille ein und wirbt nicht nur mit der „Fabrikation von Kartonnagen“, sondern liefert ebenso die „Komplette Einrichtung moderner Kauf- und Warenhäuser“. Erst expandiert das junge Unternehmen in S 6,36, dann zieht es in die Schwetzingerstraße, schließlich in die Langstraße.
Ab 1938 arbeitet Carl Racks Sohn Rudolf, obwohl tagsüber in der Landeszentralbank beschäftigt, in der Firma mit. Einen Einschnitt bedeutet der Zweite Weltkrieg. Da wird das Firmengebäude zerstört, nach dem Krieg vorübergehend als Untermieter bei der „Schildkröt“ produziert, derweil in der Langstraße wieder aufgebaut. Ab 1951 leitet Rudolf Rack die Firma - stirbt indes 1955.
Wie gut, dass gerade ein 22-jähriger Student des grafischen Gewerbes sein Praxissemester absolviert: Hans Bichelmeier aus der Familie der renommierten Papierfabrik Gramlich + Bichelmeier. Er ist zwar erst 22 Jahre jung, aber stellt sich der Herausforderung. Erst pachtet, dann kauft er das Unternehmen und führt es dank Durchsetzungskraft, Ideenreichtum, Gespür für neue Märkte und individuelle Wünsche von Kunden zu neuer Stärke. Nur den alten Firmennamen belässt er: „Rack & Schuck, das klingt wie ruck und zuck“, sagt er mal. Binnen eines Jahres verdoppelt sich unter Führung von Hans Bichelmeier, der sich später auch als erfolgreicher Ruderer, Olympiateilnehmer und großer Kunstförderer einen guten Namen macht, die Mitarbeiterzahl.
1963 bezieht das Unternehmen ein neues, viel größeres Gelände in der Edisonstraße im neu entstehenden Industriegebiet in Käfertal-Süd. Vergeblich versuchen Bauern, die Bauarbeiter mit der Mistgabel zu vertreiben - Rack & Schuck baut und erweitert dort 1971, 1987 und 1999. 7000 Quadratmeter Hallenfläche und ein Hochregallager mit 3000 Palettenplätzen gibt es inzwischen. 1989 kommt Jürgen Bichelmeier ins Unternehmen, um im Zuge einer vorbildlich und harmonisch geregelten Nachfolge 2005 die Führung ganz zu übernehmen. Nebenbei engagiert er sich vielfältig ehrenamtlich, etwa als IHK-Vizepräsident und im Vorstand des Kunstvereins.
So gerne er in die Geschichte zurückblickt, sein Credo lautet „Immer mehr Zukunft als Vergangenheit“. Ein wenig Innehalten sei erlaubt, aber „Innovation, Kundenzentrierung und nicht zuletzt ein hoher Qualitätsanspruch“ seien der Maßstab: „Hier werden auch nach 125 Jahren Ideen geboren und umgesetzt, die kreativ verpacken, schützen, transportieren, präsentieren und inszenieren“, erklärt Jürgen Bichelmeier. „Normale Pizzakartons machen wir nicht“, unterstreicht er beim Rundgang durch die Hallen des Unternehmens. Vielmehr umfasse die Produktpalette besondere Faltschachteln „bis zur hochkomplexen Dekoration“. Ab den 1970er Jahren hat sich Rack & Schuck nämlich vor allem auf Displays konzentrieret, also „stumme Verkäufer“, sprich Pappaufsteller zur Warenpräsentation „für alles, was außerhalb des Regals angeboten wird, weil das Produkt neu herauskommt oder Saison hat“, so Bichelmeier. Und bei diesen Displays ist das Mannheimer Unternehmen Marktführer.
Vom Entwurf bis zur Auslieferung wird alles geboten
Jeder neue Lamy-Stift oder Sondereditionen wie im Harry Potter-Design wird in Pappaufstellern, die in Käfertal entstehen, beworben. Das gilt auch für Uhu-Produkte oder Büromaterial von Brunnen. Wenn Apotheken ihre Schaufenster mit überdimensionalen Arzneimittelverpackungen dekorieren, um etwa für Heuschnupfen- oder Erkältungsmittel zu werben - sie kommen aus Käfertal. Die „Evobar“ eines bekannten Proteinriegels ist hier ebenso konzipiert und produziert worden wie Aufsteller für Vivil, Backzutaten oder für Kosmetikprodukte, die bei Rossmann oder dm zu haben sind.
Gerade entstehen mit Farblack veredelte Aufsteller für Nagellack - für den Valentinstag im Februar 2025. Weihnachtswerbung sieht man nicht mehr. „Weihnachten ist lange vorbei, das ist bei uns im August“, sagt Bichelmeier schmunzelnd, während man viele Maschinen rattern hört, aber auch noch eine Menge Handarbeit sieht.
Von Planung und Beratung über erste Muster und Einzelstücke bis zur Produktion, Lagerung und Auslieferlogistik bietet Rack & Schuck das gesamte Spektrum. Grafiker ebenso wie ideenreiche Packmitteltechnologen arbeiten die Entwürfe aus, auch die Werkzeuge für die Herstellung werden in Käfertal konstruiert. Aus - auf Paletten angelieferten - graubraunen Wellpappe-Bogen entstehen durch das Aufkleben bedruckter Offsetbögen die Grundlagen der Displays oder Verpackungen. Die werden dann maschinell geschnitten, gestanzt, gefaltet. „Das ist wie beim Plätzchenbacken, mit der Form wird ausgestochen“, erläutert Bichelmeier: „Unsere Kunst ist, aus zweidimensionalen Bögen dreidimensionale Objekte zu machen.“
Dabei setzt er auf faserbasierte Rohstoffe, führt alle Reste dem Recycling zu. Die Digitalisierung hat auch längst Einzug gehalten - die Mitarbeiter steuern die Produktion per Tablet. Aber trotz modernster Technologie ist teilweise noch Handarbeit gefragt. Die Schachteln für Diabetiker-Messgeräte von Roche etwa enthalten Magnete. „Das erhöht die Wertigkeit und ist praktischer für die Aufbewahrung“, erklärt er. Einen besonderen Gag hat Rack & Schuck für die Adler hergestellt: In einigen der hochwertigen Sammel-Dauerkartenboxen steckt ein Minichip, der beim Aufklappen laut den Adler-Schrei ertönen lässt.
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