Mannheim. Der Untere Vogelstangsee in Mannheim ist an diesem Wintersamstag weitgehend zugefroren, und an den Hängen sausen Jungen und Mädchen auf Schlitten hinunter. Aber kommt da am westlichen Ufer tatsächlich ein Mann in Badehose aus dem Wasser? Der Mann heißt Richard Drosdow, und für sein Hobby sind die Bedingungen an diesem klirrend kalten Tag ideal - auch wenn ihm ein Junge am Ufer mit einem großen Stock die Eisfläche hatte zertrümmern müssen, damit Drosdow ins Wasser konnte.
Der 26-Jährige genehmigt sich ein Eisbad im See. Die Handy-App zeigt an diesem frühen Nachmittag minus vier Grad Außentemperatur an - trotz der Sonnenstrahlen.
Eisbaden in Mannheim: „Wenn Eis auf dem See ist, ist das Baden etwas Besonderes“
Drosdow macht normalerweise zwei bis drei „Badedurchgänge“, bei denen er jeweils drei bis fünf Minuten im Wasser bleibt. Als ihn der „MM“-Reporter sieht, ist er eigentlich schon am rausgehen, kehrt für das Foto aber nochmal geduldig zurück ins Wasser. „Wenn Eis auf dem See ist, dann ist das Baden schon etwas Besonderes, weil das Wasser dann besonders kalt ist“, erklärt der Mann, der auch im Wasser eine Fellmütze mit Ohrenklappen trägt.
Nach ein paar Minuten kommt er wieder raus, wirft sich dann aber nicht gleich den Handtuch-Poncho über, den er dabei hat. „Ich lasse die Kälte noch nachwirken“, erklärt der Veranstaltungstechniker aus dem benachbarten Käfertal und wirkt dabei ganz entspannt. Heute hat er sich in einem Thermosbecher einen Kaffee mitgebracht. Den trinkt er, während er in Badehose, Badeschlappen und mit der Fellmütze auf dem Kopf in einer Winterlandschaft steht und erzählt, wie er zum Eisbaden kam.
Im eisigen Wasser des Mannheimer Vogelstangsees: So fühlt es sich an
Angefangen hatte alles 2019 in Überlingen, wo er in der Sauna der dortigen Therme war - und nach einem Saunagang in den kalten Bodensee stieg. Seitdem geht er im Schnitt einmal die Woche zum Eisbaden. Und was fühlt man bei solchen Wassertemeparaturen?
„Am Anfang bekommt man einen Kälteschock, aber nach einer gewissen Zeit ist der Körper runtergefahren“, erklärt Drosdow. Und warum soll das schön sein? „Man schaltet in diesem Moment gedanklich komplett ab, blendet alles aus und konzentriert sich nur auf die Situation.“ Nach rund eineinhalb Minuten sei er dann entspannt und merke die Kälte gar nicht mehr.
Eisbaden: Das rät der Experte
Trotzdem gibt es einiges zu beachten beim Eisbaden, wie der Mann mit den vielen Tattoos beim Gespräch am Ufer des Sees betont. Vorneweg: „Das Ganze ist Übungssache. Ein Anfänger darf nicht im Dezember oder im Januar zum ersten Mal ins Wasser, sondern sollte es im März oder im Oktober mal probieren, wenn es nicht ganz so kalt ist.“ Im Wasser selbst sei es wichtig, ruhig zu atmen und nicht in Schnappatmung zu verfallen. Und um Erkältungen zu vermeiden, sollte man sich vor und nach dem Gang ins Wasser warm halten.
Drosdow erzählt, er habe sich in YouTube-Videos des Extremsportlers Wim Hof intensiv über das Eisbaden informiert, ehe er zum ersten Mal ins Wasser gegangen sei. Die Fellmütze gehört übrigens nicht zwingend zum Eisbaden-Outfit. „Ich habe moldawische Wurzeln, meine Mutter hat mir die Mütze zu Weihnachten geschenkt, und heute habe ich sie zum ersten Mal zum Eisbaden mitgenommen“, erzählt Drosdow. Und wann merkt der Eisbader, dass es genug ist und er aus dem Wasser sollte? „Wenn man zittert“, antwortet der 26-Jährige.
Eisbaden nicht nur in Mannheim, sondern auch in den Bergen
Der Veranstaltungstechniker ist beruflich viel unterwegs und geht schon auch mal an anderen Stellen als dem Vogelstangsee ins kalte Wasser. Vor ein paar Jahren sei er im Januar mal beruflich in Bischofshofen in Österreich gewesen, dem Ort, in dem traditionell das vierte Springen der Vierschanzentournee stattfindet. „Dort bin ich unter einem Wasserfall Eisbaden gegangen, der zum Teil gefroren war, in dem zum Teil aber auch noch Wasser geflossen ist“, erzählt er und strahlt dabei. „Und danach war ich noch eine Stunde wandern. Das war mein bisher bestes Erlebnis.“
Ein weiterer Eisbader am Mannheimer Vogelstangsee
Am Vogelstangsee gibt es neben Drosdow mindestens noch einen weiteren Eisbader. Ein Video einer Mutter von schlittenfahrenden Kindern zeigte am Freitag einen weißhaarigen Mann, der nach dem Bad im See in der Badehose an einem Hinweisschild noch Gymnastik macht. Ob er den Mann kennt? Drosdow schüttelt den Kopf. Die Eisbader-Szene ist untereinander offenbar nicht vernetzt.
Nach zehn Minuten wird es dann aber doch langsam kalt, in der Badehose im Schnee stehend. Drosdow trocknet sich mit seinem Handtuch-Poncho ab und zieht sich Unterwäsche, Hose, Oberteil, die dicke Winterjacke und dann auch die Schuhe an. Er geht zurück zu seinem Auto auf dem Parkplatz und fährt nach Hause nach Käfertal. Ins Warme.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/vogelstang_artikel,-vogelstang-bei-eisigen-temperaturen-baden-im-mannheimer-vogelstangsee-_arid,2167828.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/kaefertal.html