Tierschutz

So läuft die Rehkitzrettung per Drohne in Mannheim-Sandhofen ab

Damit es beim Mähen eines Feldes nicht zu tödlichen Unfällen mit Rehkitzen kommt, werden sie im Mannheimer Stadtteil Sandhofen jetzt per Drohne geortet. Warum die Rettung der Tiere trotzdem mit großem Aufwand verbunden ist

Von 
Johannes Paesler
Lesedauer: 
Ein dank Drohneneinsatz gerettetes Rehkitz. © zg/Wilken Mampel

Mannheim. In früheren Zeiten hat man Menschenketten gebildet und ein Feld vor dem Mähen abgeschritten wie bei der Suche nach einem Vermissten - ein riesiger Aufwand. Seit etwa fünf Jahren kann man die Rehkitzrettung einer Drohne überlassen. Mit der neuen Technik hat sich der Aufwand einerseits verringert, andererseits aber einfach bloß verschoben.

Das Aufspüren der Kitze ist einfacher, weil ein Feld schneller abgeflogen als abgegangen ist und den Augen der Drohne nichts entgeht. „Aufgabe unterbrochen“, sagt das Steuergerät zum Beispiel. Der Drohnenführer auf dem Acker im Mannheimer Norden lässt das Gerät tiefer gehen und schaut nach, was da entdeckt wurde. Er lacht. „Ein Mauseloch“, verkündet er. Ein anderes Mal wird ein Hase entdeckt, der sogleich sein Panier ergreift - aber dann: Zwei Kitze! Mehrere Köpfe beugen sich über das Display.

Tierschutzgesetz regelt Sorgfaltspflicht für Menschen

Bei der Mahd eines Feldes kollidieren Bedürfnisse von Mensch und Tier. Die Geburt von Rehkitzen fällt in die zwei Monate, in denen ein Bauer zum ersten Mal im Jahr seine Wiese mäht: Mai und Juni. Ein Kitz ist zu Beginn nicht in der Lage, seiner Mutter überallhin zu folgen. Darum legt die Geiß es ab, bevorzugt im hohen Gras - das sind häufig die Futterwiesen der Bauern.

Eine Kuriosität der Natur hilft den Rehgeißen, mit diesem schwierigen Umstand fertigzuwerden. Das junge Kitz hat nämlich so wenig Eigengeruch, dass ein Raubtier es nicht aufspüren kann. Darum ist es auf freiem Feld relativ sicher. Es liegt dort allein und ruhig, bis seine Mutter es wieder aufsucht.

Die Mähmaschine eines Landwirtes will dem Rehkitz nichts Böses. Das ändert nichts daran, dass es um ein junges Leben geschehen ist, kommt das kleine Tier ins Mahlwerk. Auch für den Landwirt wäre das von Nachteil. Das Gras, das zu Heu und damit zu Futter für seine Stalltiere werden soll, wird verunreinigt. Das Tierschutzgesetz regelt die Sorgfaltspflicht für Menschen, Wildtiere nicht zu verletzen oder gar zu töten. Landwirte versuchen, dem gerecht zu werden und arbeiten in enger Zusammenarbeit mit den Jagdpächtern, die für die Tierpflege im Bezirk zuständig sind. An diesem Morgen ist das Bernd Oehmig. Jäger wie er haben das Know-how, auf die richtige Art mit Tieren umzugehen.

Bauern bekommen Unterstützung beim notwendigen Tierschutz

Zum Beispiel darf ein Rehkitz nicht angefasst werden. Man sieht immer wieder Fotos von behandschuhten Helfern, die zusätzlich Gras um das Tier drapieren, um nicht mit ihm in Berührung zu kommen. Die Geruchlosigkeit des Jungtieres muss unbedingt erhalten bleiben. Kitze werden behutsam in eine Box gelegt und verbleiben darin bis zum Ende der Mahd. Dann werden sie an Stellen wieder ausgesetzt, an denen sichergestellt ist, dass das Muttertier sie wiederfindet. Der Aufwand ist also nach wie vor groß.

Der Bauer bekommt Unterstützung beim notwendigen Tierschutz. Es gibt eine verschworene Gemeinschaft von Menschen, zum großen Teil aus dem Umfeld von Jägern. Am besagten Samstagmorgen versammeln sich kurz vor Sonnenaufgang über 20 Personen, die ihre Freizeit dafür hergeben. Sie sind im besten Sinne Ehrenamtliche und verlangen keine Aufwandsentschädigung für ihre Anwesenheit und Mithilfe.

Mehr zum Thema

Wieder Nager ausgewildert

Mannheim ist laut Experten "die letzte Chance für Feldhamster"

Veröffentlicht
Von
Steffen Mack
Mehr erfahren
Viernheim

Bedroht Gasleitung in Viernheim einen seltenen Käfer?

Veröffentlicht
Von
Kathrin Miedniak
Mehr erfahren

Eine so große Anzahl wird benötigt für den Fall, dass mehrere Rehkitze geortet werden und dann jeweils sehr schnell zwei Personen am Ort sein müssen, um das Tier zu bergen. Dabei muss auch mit unerwarteten Ereignissen gerechnet werden. Entweder steht auf einmal das Reh da und verteidigt sein Kleines, das aus seiner Sicht angegriffen wird. Oder ein etwas größeres Kitz springt ab und stellt die Helfer vor neue Probleme, solange es sich im Feld aufhält, das gemäht werden soll.

Den Kitzen hilft ihr natürlicher Schutz, dass sie keinen Eigengeruch haben. Aber nur gegen Räuber. Gegen die Mähmaschine ist dieser Schutz wertlos, denn die Maschine riecht ohnehin nichts. Es ist eine andere Maschine, die den nötigen Riecher hat. Die sonst oft vielgescholtene Drohne rettet in diesem Fall tatsächlich Leben. Auch bei den beiden Kitzen, die zwar aufgespürt werden, aber nicht geborgen werden müssen. „Die sind aber flink auf den Läufen“, sagen die Fachleute in der Gruppe.

Es handelt sich um Jungtiere, die bereits in der Lage sind, selbst wegzulaufen, wenn sich der Mäher nähert. Kleinere Kitze würden sich einfach ducken, aber es würde ihnen nichts nützen. Im heutigen Fall benachrichtigt der Drohnenpilot den Fahrer der Mähmaschine, wo sich die beiden flinken Kitze aufhalten. An dieser Stelle bitte ein bisschen langsamer machen, damit die Tiere genügend Zeit zur Flucht haben. So ist der Natur auch geholfen.

Drohne extra für seine Wiesen angeschafft

Wilken Mampel hat seine Drohne extra für seine Wiesen angeschafft. Die rund 30 Hektar mäht er in drei Etappen, pro Jahr fährt er also drei Einsätze zur Rehkitzrettung. Umgekehrt hilft er Kollegen im Mannheimer Norden. Wie auch die vielen Freiwilligen ihm behilflich sind. „Dafür sind wir sehr dankbar.“ Allein für Anschaffungen wie Drohnen und Funkgeräte hat Mampel seit 2018 10 000 Euro hingelegt, hinzu kommen Versicherung und laufende Kosten wie etwa ein neuer Akku. Der ist mit 200 Euro eine Hausnummer.

Es macht den Tierschutz effektiver, wenn man beim Einsatz mit mehr als einer Drohne unterwegs ist. Michael Krawczyk und seine Frau Nadine Kolb stehen Wilken Mampel mit ihrer Drohne und ihrer Erfahrung zur Seite. Hier hilft jeder jedem; und alle zusammen den Tieren.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen